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Ehre wem Ehre gebührt

Ein altes Koan geht so:

An den Mauern eines Zen-Klosters lebte ein Bettlerjunge. Der Schüler sprach zum Zenmeister: „So ein armer Junge; er  muss dort draußen leben.“

Der Zenmeister erwiedert: “ Man wird sehen.“

Kurze Zeit später kamen eine großer Spieleverlag ins Land, hatte Mitleid mit dem Jungen und lud ihn zu den Siedler-Meisterschaften nach Deutschland ein. Da meinte der Schüler zum Zenmeister: „So ein glücklicher Junge, jetzt kann er Weltmeister werden!“

Der Zenmeister erwiedert: „Man wird sehen.“

In Europa (Der Zenmeister und sein Schüler waren mitgekommen) lief die erste Runde des Turniers. Leider konnte der Betteljunge weder deutsch noch englisch und konnte so niemals handeln. Natürlich fiel er schnell böse zurück. Der Schüler meinte zum Zenmeister: „Oh, nein! So ein Unglück! Er wird gandenlos verlieren!“

Der Zenmeister erwiedert: „Man wird sehen.“

Da bekamen die Mitspieler Mitleid mit dem armen jungen und begannen ihm überflüssige Rohstoffe zu schenken. Nun konnte der Junge doch noch aufholen! Und er kaufte zahlreiche Karten, vergrößerte seine Siedlungen zu Städten und erorberte die längste Handelsstrasse. Der Schüler rief: „So ein Glück! Jetzt liegt er vorne! Er wird das Spiel bald gewinnen!“

Der Zenmeister erwiedert: „Man wird sehen.“

Denn jetzt stellten die Mitspieler ihre Rohstoffgeschenke natürlich ein und setzten den Räuber immer auf die Ertragsfelder des Betteljungen. Schnell hatten sie ihn wieder eingeholt und dem Betteljungen die längste Handelsstrasse abgenommen. Der Schüler schlug sich die Hände vor die Augen und schüttelte den Kopf. „Alles verloren!“ meinte er.

Der Zenmeister erwiedert: „Man wird sehen.“

Denn eine Runde lang wurde nur „2“ und „12“ gewürfelt und der Betteljunge hatte als einziger (aus mangelnder Erfahrung) an beiden Hexfeldern Städte gebaut. Damit bekam er einen großen Schub an Holz und Lehm und konnte sich die längste Handelsstrasse sichern. Die zwei Siegpunkte reichten, um das Spiel zu gewinnen. Der Schüler sprang auf und rief: „So ein Glück, er hat die nächste Runde erreicht! So ein Glück!“

Der Zenmeister erwiedert: „Glück? Man wird sehen!“, und ergänzte: “ Vergesse nicht, in der nächsten Runde muss er Candamir spielen!“

Was will uns der Autor damit sagen? Vermutlich dass die Siedler von Catan 15 jähriges Jubiläum feiern! (und auch, dass die Pointe mit Carcassonne -Stichwort Grillzange! – einfacher zu schreiben gewesen wäre ).

Man kann von dem Spiel halten was man will, unbestreitbar ist sein großer Einfluss auf die Spielewelt allemal. Selbst wenn es unfair wäre, das heutige Spieleangebot einzig und allein auf die Siedler zurückzuführen und selbst wenn man berücksichtigt, dass viele Siedler-Fans keine anderen Spiele außer den Siedler kaufen, hat der Erfolg des Spieles die Spielelandschaft verändert. Das fängt schon beim Kosmos-Verlag an. Der hat mit den Siedlern und dem Siedlerkartenspiel einen enormen Einstand in die Spielewelt feiern können (zuvor gab es auch schon Spiele von Kosmos – unter dem Frankck-Kosmos-Label, aber so richtig los ging es mit den Siedlern). Heute ist der Kosmosverlag einer der größten Spieleverlage in Deutschland überhaupt und ob diese Entwicklung ohne Siedler möglich gewesen wäre, bezweifle ich (mir fehlen aber die Verlagseinsichten um das konkret beurteilen zu können).

Was haben wir dem Kosmosverlag und den Siedlern konkret zu verdanken? Ich hab mal eine kleine Liste aufgestellt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit (und es gilt: Nicht immer waren die Siedler/Kosmos die ersten, aber sie haben in diesem Fällen für den Durchbruch gesorgt):

1) Quadratische Schachteln: Heute benutzt sie fast jeder Verlag, denn sie sind praktischer als Rechteckige Schachteln. Komisch, dass sich diese Erkenntnis erst 1994 durchsetzte.

2) Thematische Zweier: „Zweipersonenspiele gehen nicht“ war ein Credo der frühen 90er Jahre. Kosmos hat gezeigt, dass es eben doch geht: Wenn die Spiele nicht abstrakt herkommen und wenn es keine reinen Strategiespiele sind. Die Zweierreihe hatte enormen Erfolg – sicherlich auch gezogen durch die Siedler und die hohe Qualität der ersten Veröffentlichungen – erst als zu viele mittelmäßige Spiele auf einmal von Kosmos angeboten wurden kam die Zweiermaschine zu erliegen (Und hat jüngst durch das „Duell der Baumeister“ wieder guten Zuwachs bekommen)

3) Erweiterungen: Wie viele SdJs vor den Siedlern bekamen Erweiterungen? Eigentlich nur Sherlock Holmes und Dampfross – und das obwohl Sagaland, Auf Achse, Heimlich & Co oder Adel Verpflichtet sicherlich Erweiterungen zugelassen hätten. Die Siedler machten es vor, wie man aus einem erfolgreichen Produkt viele erfolgreiche Produkte macht. Heutzutage kommt kaum eine SdJ ohne Erweiterung aus (das letzte war Villa Paletti). Das Bemerkenswerte daran ist, dass kaum ein Spiel an den hohen Standard der Siedler-Erweiterungen heranreicht. Die Erweiterungen ergänzten die Spielewelt immer und machten Sinn. Als der Bereich ausgeschöpft waren, kamen keine neuen Erweiterungen dazu. Eine Carcassonne-mässige Erweitterungs-Inflation fand nicht statt.

4) Spin offs: Und mit Erweiterungen kamen „Spin offs“ – es fang mit dem Siedler-Kartenspiel an und es folgten Sternensiedler, Sternenschiff Catan, Candamir, Elasund, Das Würfelspiel… Hier ist der Standard nicht so hoch wie bei den puren Erweiterungen. Gerade bei den Szenarien waren einige Graupen dabei (Abenteuer Menschheit z.B.). Aber auch hier sind bemerkenswerte Perlen dabei (Sternenschiff Catan) und insgesamt dürften die Siedler-Spinoffs nicht schlechter oder sinnloser sein als die Spinoffs anderer Spieler, die sich an den Siedlern orientieren.

5) Innovative Regelkonzepte:  Auch wenn sie sich nicht so durchgesetzt haben, wie die anderen Einträge dieser Liste:  Mindestens so genial wie Spielprinzip und Vermarktung waren die neuartigen Regelkonzepte. Ob Professor Easy, Interaktive Internetregeln (die andere Form von Prof. Easy) oder das Schnellstartspiel nebst Regelalmanach – allesamt klasse Möglichkeiten ein eigentlich mittelkomplexes Spiel massentauglich zu machen. Leider wird heute nur wenig davon noch genutzt, aber bei Aufbauanleitungen á la „Tore der Welt“ blitzt noch ein wenig „Siedler-Schnellstart“ auf.

6.) Holzmaterial! Zugegeben: Die Zeit war reif. Es gab natürlich schon Spielmaterial aus Holz. Heute sind die Siedler aus Plastik. Aber: 1994 war Holz noch nicht das Standardmaterial , was es heute ist. Die Siedler waren das erste Spiel des Jahres mit solch üppigem Holzmaterial (Holzpöppel wurden schon vorher verwendet, aber Strassen, Häuser, Kirchen für jeden Spieler?) und das einzige Spiel 1994 auf der Auswahlliste. Durchgängig teures Holz zu verwenden war riskant, denn das treibt den Preis des Spieles in die Höhe. Doch es hat sich gelohnt. Und mit den Siedlern (die natürlich nicht alleine die Lorbeeren ernten dürfen) fand ein Umdenken statt, an dessen Ende die „Meeples“ und Animeeples stehen…

Wem das alles zu viel Lobhudelei war: So ist das nun einmal mit Jubiläumswünschen. Siedler von Catan gehört bei weitem nicht zu meinen Lieblingsspielen. Aber ich erkenne die Leistung die in dem Spiel steckt – sowohl was das Spiel selbst als auch was das Produkt betrifft. Und ich denke die Spielewelt wäre bedeutend kleiner und ärmer ohne sie.

ciao

peer

Peer Sylvester
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