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Undercover in Europa

Verlag: Huch & Friends
Autor: Claude Weber
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: 30-45 Minuten

Es gibt Spiele, die sollten nicht funktionieren. Undercover in Europa ist so ein Spiel. Schon der Name! Und die Graphik! OK, die Karten sind funktional, aber wer will heute noch funktionale Graphik? Aber gut, so ist sie eben, die Huch-Kartenspielreihe…

Aber die Regeln! Sicher alles ist klar, vor allem: Das Spiel kann gar nicht funktionieren!
Ein Spieler ist immer untergetaucht, d.h. er sucht sich eines von 16 ausliegenden Ländern aus und lebt dort fortan. Natürlich nur virtuell, nicht in echt. Ist ja nur ein Spiel. Äh, jedenfalls müssen die anderen Spieler herausfinden, in welchem Land er lebt. Und da kommen wir zu dem Punkt, an dem das Spiel nicht funktionieren kann: Reihum stellen die Spieler Fragen, aber nicht irgendwelche, sondern vorgegebene vom Stapel. Und der Untergetauchte muss die nach besten Wissen und Gewissen beantworten. Die Mitspieler können aus der Antwort Rückschlüsse ziehen und somit das richtige Land herausfiltern. Und weil alle dieselben Informationen haben, müssen sie alle zum selben Schluss kommen und das Spiel funktioniert nicht.

Doch das Unmögliche wird möglich gemacht: Das Spiel funktioniert eben doch! Und warum? Weil die Spieler während des Spieles nicht einfach auflösen, sondern tippen können. Und sie dürfen pro Frage nur einen Tippstein setzen. Wer aber wartet bis alles klar ist, kann meistens nur einen Stein setzen, bevor die Runde beendet ist und jeder richtige Stein Punkte bringt. Da eine Runde vorzeitig enden kann, wenn 6 Steine auf der richtigen Karte liegen, ist dieses Risiko sogar recht hoch. Setzt man aber zu früh, ist das Risiko falsch zu setzen aber noch deutlich zu hoch – Ein interessantes Dilemma, das jeder irgendwie anders löst. Dass das Spiel tatsächlich gut funktioniert ist ein kleines Wunder – ähnlich wie dies bei Sags mit Symbolen der Fall war, ein anderes gutes Spiel vom selben Autor, dessen Graphik ebenfalls völlig misslungen war.
Die Fragen bedingen es allerdings, dass man seine Mitspieler gut kennen sollte. Zum einen sind viele „private“ Fragen dabei: „Besitzt X einen Gegenstand aus dem Land?“, „Kann Y einen Sportler aus dem Land nennen?“ Um aus den Antworten Schlüsse ziehen zu können, sollte man seinen Gegenüber schon rudimentär kennen. Und es kommt noch dicker: Fragen wie „Ist das Land in der NATO?“ bringen nur Informationen, wenn man weiß, ob man der Antwort des anderen trauen kann. Dafür lässt sich hier hervorragend bluffen: Hat er jetzt wirklich lange überlegt (dann wird’s nicht Deutschland sein) oder tut er nur so?

Undercover in Europa ist kein Spiel, dass man in eine Schublade stecken kann: Es ist definitiv kein Quizspiel, wie man vielleicht anhand der Karten erwartet. Es ist kein Kinderspiel und es ist auch kein Kennenlern- oder Einschätzspiel. Es ist ein Bluff/Wettspiel, wie es bislang noch keines gab. Und das ist durchaus als Lob zu verstehen! Sicherlich nicht das beste Spiel des Jahres, aber für nette Familienrunden zwischendurch durchaus empfehlenswert.

Peer Sylvester
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