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Wer gewinnt mit wem?

Wer hier regelmäßig liest weiß, dass ich ein Faible für originelle Siegbedingungen habe. Für mich ist die  Siegbedingung mehr als eine Regel: z.B. kann man sie sogar nutzen, um Spiele zu kategorisieren. Insofern finde ich es Schade, dass nach wie vor die meisten Spiele nach dem Kriterium „Die meisten Siegpunkte“ gestaltet werden, obgleich dies in vielen Fällen nicht unbedingt sinnvoll ist. Jüngstes Beispiel: „Die goldene Stadt“ von Michael Schacht. Eigentlich ein ausgezeichnetes Spiel, bei dem mich jedoch die Wertung nach dem Gieskannenprinzip stört: In späteren Runden bekommt man oft Punkte für Dinge (z.B. die Städte am Fluss), für die man längst Punkte bekommen hat und bei denen jeglicher Wettlauf bereits stattgefunden hat. Seit Runden steht fest, dass sich da nichts mehr ändern kann und dennoch gibts immer wieder Punkte- befremdlich. Eine große Wertung zwischendurch hätte wohl auch gereicht, aber dann hätte das Spiel bereits bei Spielmitte entschieden sein können. Also häufige Nachwertungen, bei denen aber nichts spielrelevantes mehr geschieht. Hier hätte eine andere Siegbedingung eventuell andere Wertungen ermöglichen können (Ansonsten ist Die goldene Stadt aber wirklich gut, zusammen mit Finca für mich wohl das bislang beste Spiel dieses jungen Jahres).

Mehr Varianz bei Siegbedingungen (und Endbedingungen) und wir haben zwangsläufig mehr Varianz unter den Spielen insgesamt. Davon bin ich fest überzeugt.

Doch nicht nur die Siegbedingung selbst lässt sich varrieren – auch die Anzahl der Sieger und Verlierer kann fast frei gewählt werden und erlaubt mehr Varianz als die Autoren (ich nehme mich selbst nicht aus) bislang nutzen (allerdings ist das ein gewisses Risiko; König von Siam wurde z.B. von einem Verlag u.a. deswegen abgelehnt, weil das Viererspiel ein Partnerspiel ist und „Spieler das mehrheitlich nicht mögen“)

Folgende Varianten fallen mir ein – die werte Leserschaft ist aufgerufen die Liste zu ergänzen!

– Ein Sieger, mehrere Plätze oder Verlierer (klassisch)

– Einer Verliert, alle anderen gewinnen (Jenga, Kakerlaken-Poker).

– Kooperativ: Alle gewinnen

– Teil-Kooperativ I: Es gewinnt nur einer, aber alle können gemeinsam verlieren. (z.B. Terra, Supremacy). Bietet das Risiko, dass ein Spieler, der nicht mehr gewinnen kann, das Spiel mit Absicht in den Sand setzt.

– Teil-Kooperativ II: Es gewinnen alle, aber einzelne Spieler können verlieren (z.B. Durch ausscheiden) – Ich kenne kein Spiel mit diesem Mechanismus, und es bleibt die Frage ob das Verlieren als solches wahrgenommen werden würde oder ob es als „Opfer fürs Team“ gilt

– Einer gegen alle – offen: z.B. Scotland Yard

– Einer gegen alle – verdeckt – Bekannt geworden durch Schatten über Camelot

– Einer gegen alle – flexibel: Es gewinnen alle, aber ein Spieler kann durch Erreichen eines bestimmten plötzlich Ziels alleiniger Sieger werden. Ich kenne kein Spiel mit dieser Möglichkeit, kann mir aber gerade Horror-Spiele gut vorstellen (Der Spieler verrät dann quasi plötzlich seine ehemaligen Mitstreiter).

– Teamspiel – feste Teams: Von Bridge bis König von Siam, eine klassische und von mir gern gespielte Variante. Auch alle Spiele wie Skat bei denen Rundenweise neue Partnerschaften möglich sind, würde ich darunter fassen wollen. Charakteristisch ist, dass man beim Spielen weiß, mit wem man zusammenspielt.

– Teamspiel – geheime Teams: Es gilt erst einmal herauszufinden, mit wem man zusammenspielt. Beispiel: Ikognito

– Alle gegeneinander, einer als Oberbösewicht -offen: Ein Teil Spiel zusammen, von denen aber nur einer gewinnen kann. Gewinnt keiner von denen, gewinnt der gemeinsame Gegenspieler. Beispiel: Abtei der wandernden Bücher.

– Alle gegeneinander, einer als Oberbösewicht – geheim: Im Prinzip das klassische jeder gegen jeden, aber thematischer, da sich eine Siegbedingung signifikant von den anderen unterscheidet.  Beispiel: ETI- Estimated Time to Invasion.

– Bündnissieg – Optional : Zwei oder mehr Spieler können sich entscheiden gemeinsam zu gewinnen. Alternativ kann es einen Einzelsieg geben. Beispiel: Dune

– Bündnissieg- Zwang: Variante des Teamspiels mit verdeckten Teams; Zwei oder mehr Spieler können irgendwann entscheiden gemeinsam zu gewinnen. Einzelsiege sind aber nicht möglich. Im Unterschied zum Teamspiel mit verdeckten Teams sind hier die Spieler frei mit wem sie gewinnen, so lange sie die Siegbedingung erfüllen. Beispiel: Palaver

Soweit mein kleines Brainstorming. Ich bin überrascht wie viele Möglichkeiten es gibt gemeinsam oder allein zu gewinnen (oder zu verlieren)! Umso bemerkenswerter als das sich 99% aller Spieler auf die ersten drei Möglichkeiten beschränken. Und noch bemerkenswerter dass selbst hier eine Reihe von Möglichkeiten noch gar nicht wahrgenommen wurden (Kooperative Geschicklichkeitsspiele etwa oder Aufbauspiele, bei denen es nur einen Verlierer gibt). Es ist also noch ne Menge Platz nach oben!

ciao

peer

PS.: Worunter fällt eigentlich ein Spiel wie Nightmare House, dass als „Einer gegen alle beginnt“ , bei dem aber Spieler die Seite wechseln können – sogar alle! – und damit als Teamspiel enden kann?

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Ich finde diese Aufstellung sehr interessant. Ich habe mich intensiv mit dem Begriff „Spielziel“ auseinandergesetzt und für eines meiner Projekte versucht von der Gleichung Spielziel = Gewinnen wegzukommen. Gibt es denn Spiele wo dieser Automatismus nicht gilt? Bei dem Spiel bei dem ich versuchte hier etwas Neues zu finden kann man vor Spielbeginn wählen: 1. Spielziel: Gewinnen/Verlieren 2. Spielziel: „Bild“. Bei Zweiteren geht es nicht mehr um das Zusammenrechnen von erlangten Punkten sondern darum welches Bild man durch das Setzen der Spielsteine geschaffen hat. Auch ein Zugang. Die Spielseite wechseln und gar „den Anderen spielen“ ist, denke ich, ein sehr guter Ansatz die obengenannte Gleichung zu hinterfragen. Ist aber sicher nicht einfach so etwas zu entwickeln.

  • Alle verlieren – immer!

    OK, das klingt auf den ersten Blick nicht sehr motivierend. Ich denke spontan an das Leben schlechthin (als Spiel umgesetzt?). Zum Schluss stirbt man und hat „verloren“ (glaubensmäßige Überzeugungen mal ausgeklammert). Aber wie viel erreicht man im Leben – an Bildung, guten Taten etc? Als kooperatives Spiel zum Beispiel in Punkten ablesbar. Oder man verrerbt einfach einer künftigen Generation was: Eine saubere Umwelt etwa, oder viel erreichtes Wissen … eine Welt voller Konflikte.

    Oder denk mal an einen abgeänderten Mechanismus von „Pandemie“. Alle kooperieren, aber das Spiel wird immer stärker. Zum Schluss verlierst du, kannst aber sagen, wir haben es so und so weit geschafft.

    Ich denke, es stört nicht unbedingt, wenn man weiß, zm Schluss verliert man. Beim „Flippern“ ging’s ja auch nur drum, noch ein Freispiel, noch eine Freikugel zu erspielen.Mit einer Münze möglichst lange im Spiel zu bleiben – und vielleicht denHigh Score zu knacken.

    Zu Winfried Huber: Früher hatte ich ein paar mal „Sim City“ am Computer gespielt. Es ging nicht um Punkte. Sondern um das „Bild“ der Stadt. Und wie lange sie „überlebensfähig“ ist. Ich baute mit Leidenschaft „kleine, feine“ Städte, welche sich (anders als manche Megacities“) meist recht gut entwickelten.

    Liebe Grüße

    Johannes

  • Wenn ein Spiel keine Sieg/Verlierbedingung kennt, ist es dann noch ein Spiel? Interessante Frage ;-) Natürlich gibt es Spiele, bei denen einzig der Weg das Ziel ist. Ein Beispiel wäre das Titel-Bilder aus meinem Buch „Jam Dudel“, aber auch zahllose Jugendgruppenspiele greifen dies auf; Bei denen geht es oft darum „aus der Mitte“ zu entkommen und jemand anderen in die Mitte zu zwingen. Dabei gibt es aber keinen abschließenden Sieger oder Verlierer, nur temporäre. Auf ein Brettspiel übertragen hieße das wohl, dass man für die Entwicklungen lebt – Rollenspiele basieren auch auf dieser Prämisse. Daraus ein faszinierendes Brettspiel zu entwickeln dürfte nicht einfach sein (Es sei denn man geht in den Bereich „Puzzle“ oder „Psychospiel – Was sagt das Spiel über mich aus?“) hinein. Oh noch ein Beispiel: Veto von Urs Hostetter. Auch hier geht es um die Erfahrung, nicht ums Spielende.

    „Kampf gegen den Highscore“ gibt es im Spielebereich meines Wissens nur bei Solitärspielen (z.B. Die Dominion-Variante von Andreas Last, bei der man gegen einen immer stärker werdenen Gegner trifft). Als Gruppenspiel müsste das Spiel entweder hinreichend kurz sein, als dass man mehrmals versuchen kann, seinen eigenen Rekor zu schlagen oder es bedingt eine Gruppe, die sich oft trifft. Ebenfalls eine interessante Möglichkeit, ab die ich noch nicht dachte (Bei Herr der Ringe gibts ein Highscoresystem, aber das Spiel kann ja durchaus gewonnen werden) – Und das obwohl ch mal ein Voting-Spiel fürs Internet erfinden wollte, bei der die User per Abstimmung einen Staat leiten – Bis zu dessen Untergang.