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Ein Mangel an Kunden

Nach dem kleinen Interview-Marathon der letzten Wochen wieder ein normales Post von mir. Und anläßlich des Göttinger Spieleautorentreffen (zu dem ich aus familiären Gründen nicht kommen konnte) möchte ich mit einem Zitat beginnen:

[Es gibt] keinen Mangel an guten Ideen, nur einen Mangel an den Ressourcen diese zu produzieren und einen Mangel an potentiellen Kunden.

Paul Edels (Solbenk).

Ich finde diesen Satz bemerkenswert, obgleich ich in der Spieleszene nun ja schon ein paar Jahre aktiv bin. Bevor ich angefangen habe Spiele zu erfinden, hatte ich (als gut informierter Vielspieler) aus den diversen Aussagen von diversen „wichtigen“ Leuten den Eindruck gewonnen es gäbe nur wenig „echte“ Spieleerfinder und die meisten Ideen, die ein Verlag so zu sich bekommt besteht aus unproduzierbaren Schrott. Letzteres mag sogar stimmen, doch die Aussage, so wie sie sich liest, vermittelt ein falsches Bild (übrigens ist das vielleicht sogar manchmal Absicht, dieses Argument war z.B. bei der berühmten „Ravensburger-Erklärung“ der SAZ zu lesen). Als ich mein erstes Spiel damals fertig hatte und mir auch alle bestätigten, dass es sich so ganz gut spielen würde, dachte ich mir „Ach, wenn ich ein gut entwickeltes Spiel einschicke, wird es schon jemand nehmen! Ich bin ja nicht die breite Masse, die keine Ahnung von Spielen hat!“ Natürlich dauerte es nicht lange, bis ich merkte, dass da was nicht stimmen konnte. Nicht nur meine eigenen Ideen worden abgelehnt, auch imho ausgezeichnete Prototypen bekannter Autoren gingen an ihre Urheber zurück (darunter Sylvester-Preisträger wie Pala oder Portho Carthago, aber auch Günter Cornetts Toledo). Heute weiß ich zwar dass rein statistisch 1-3 Veröffentlichungen auf 100 eingesendete Spiele kommen, aber wie viele von diesen 100 Spielen tatsächlich „brauchbare“ Einsendungen sind, vermag ich immer noch nicht zu schätzen. Zweifelsohne ist da auch echter Schrott dabei, aber es gibt doch eine ganze Reihe von etablierten Autoren, deren Spiele ebenfalls nicht veröffentlicht werden (Reiner Knizia sagte mal, 20% seiner Prototypen würden veröffentlicht. Angesichts der doch hohen Zahl von Knizia-Spielen und insbesondere Knizia-Auftragsspielen eine überraschend niedrige Zahl).

Für das falsche Bild verantwortlich sind aber nicht nur die „Mensch-ärgere-dich-nicht-Erfinder“, sondern natürlich auch die Verlage mit ihrem Verlagsprogramm. Da sind immer eine Reihe Spiele dabei, von denen man denkt „Sowas wird angenommen?“ Dabei wird zum einen übersehen, dass es sich dabei meistens um Auftragsarbeiten handelt: Um Lizenzprodukte etwa oder um gezielt ein Spiel für eine bestimmte Zielgruppe auf den Markt zu bringen. Diese Spiele stammen dann oftmals von einem etablierten Autoren. Oder der Autor hat das Glück bereits eine gewisse „Schallmauer“ durchbrochen zu haben, so dass seine Spiele per sé eine bessere Veröffentlichungschance haben (Franz-Benno Delonge meinte einmal zu mir: „Sehr gute Spiele werden immer früher oder später einen Verlag finden. Schlechte Spiele niemals. Bei allen anderen Spielen hilft es wenn man bereits einen Namen hat“).

Aber man kann es denn Verlagen auch nicht vorwerfen, dass sie auch mal zu Unrecht ein Spiel ablehnen (Außer es ist von mir natürlich ;-) ) – letztlich stochern die Redakteure (bei aller Erfahrung die sie haben) genauso im Nebel wie alle anderen auch. Sie können versuchen zu raten was gut ankommen würde und sie können sich auf ihr Profil bei der Prototypenauswahl stützen, aber letztlich ist die Auswahl des „richtigen Spieles“ (aus Marketingsicht „richtig“) Glückssache.

Umgekehrt gilt für den Autoren: Er kann versuchen das Spiel so oft wie möglich zu testen und muss ehrlich zu sich sein was potentielle Verbesserungsmöglichkeiten betrifft. Er kann viel Zeit in die Verlagssuche investieren, so dass er potentiell dem perfekten Verlag ein perfektes Spiel anbietet. Aber letztlich braucht er eine Sache: Glück (Und Beziehungen sind auch nicht zu verachten, wenn auch nicht unbedingt nötig)

Um zum Schluß zu kommen: Es gibt viel mehr Ideen auf dem Markt, als der Uneingeweihte meint – Das Göttinger Autorentreffen sei ein Zeugnis- insofern darf es nicht verwundern, dass sich Verlage den Luxus erlauben nur perfekt ausgearbeitete Spielideen zu akzeptieren (auch wenn man immer wieder von „starken Bearbeitungen“ hört). Mich wundert daher eines: Laut den Westpark-Gamern, sollen sich tatsächlich Verlage gemeldet haben, die Interesse an Moritz Eggers Ideen haben – wohlgemerkt sind das Rohideen, keine Prototypen! Ich vermute ja eine Ente, aber wenn nicht: In meiner Wohnung schnuppern ca. 250 Ideen und Prototypen in allen Stadien der Entwicklung -Verlage,  Meldet euch einfach, wenn ihr Interesse habt ;-)

Übrigens: Bei der Spieleumfrage landete Stone Age vorne, imho verdient. Böse Zungen könnten behaupten: Ein Eigenverlagsspiel. Hätte es als Einsendung in einen anderen Verlag Chancen gehabt, veröffentlicht zu werden? Wären Friedemann-Friese-Spiele wie Funkenschlag, Fiese Freunde, Fette Feten, Foppen oder Filou bei anderen Verlagen erschienen? Ich vage nach meiner bisherigen Erfahrung mit Verlagen die Aussage: Nein!

ciao

peer

P.S. Als kleine Pause zwischen zwei Unterrichtsvorbereitungen habe ich diese kleine kreative Fingerübung erstellt, viel Spaß damit (ist auf englisch): http://www.boardgamegeek.com/geeklist/32118
 

Peer Sylvester
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