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Wii jetzt?

Am Freitag wurde in der hiesigen Ludothek ein TV-Beitrag über „Spielen in Deutschland“ für den Kanal „Deutsche Welle“ gedreht. Dabei hatten die Redakteure auch ein Wii-Gerät zum Ausprobieren. Das hat mich mal inspiriert über das Verhältnis von Video- und Brettspielen nachzudenken.

Für den unwahrscheinlichen Fall dass der Leser keine Ahnung hat wovon ich rede: „Wii“ nennt sich die neue Videospielkonsole von Nintendo. Dabei setzt Nintendo vor allem auf das absolut neuartige Eingabegerät. Statt eines herkömmlichen Gamepads wird mit einer Art Fernsteuerung gespielt, die die Position der Hand (also der Fernbedienung) relativ zum Fernseher erfasst. Was etwas technisch klingt bedeutet im Wesentlichen, dass Handlungen tatsächlich mit der Hand durchgeführt werden. Bei Tennis z.B. schlägt man mit der Fernsteuerung wie mit einem tatsächlichen Tennisschläger. Dadurch spielt man tatsächlich virtuelles Tennis – allerdings ohne das Umherlaufen, das übernimmt die Konsole.

Wii macht einen Heidenspaß – zumindest zu zweit. Ich sehe mich aber nicht stundenlang alleine vor der Konsole gegen einen virtuellen Tennisgegner spielen. Und dann hängt letztlich der Erfolg für Nintendo davon ab, wie die „herkömmlichen“ Spiele so laufen werden. Aber darum solls hier nicht gehen.

Videospiele und Brettspiele werden gerne miteinander verglichen (alleine schon der Preis – Ein Konsolenspiel kostet z.T. deutlich mehr als ein Brettspiel). Für mich bevölkern sie aber eigentlich komplett unterschiedliche Welten. Natürlich kostet beides Zeit und konkurrieren so irgendwo miteinander, aber das ist eine Konkurrenz wie zwischen Kinobesuch und dem Lesen eines Buches. Keine käme da auf die Idee die beiden miteinander zu vergleichen… (Stimmt nicht ganz: Mit dem Aufkommen des neuen Mediums Films wurde befürchtet, jetzt sei das Ende des Buches gekommen. Naja und Sokrates war es glaub ich, der befürchtete das schriftliche Wort würde das gesprochene Wort einschränken). Doch

Warum das so ist? Nun sehen wir uns mal die Stärken eines typisches Videospieles an: Videospiele sind erst einmal natürlich gute Solobeschäftigungen. Zwar gibt es eine Reihe von brauchbaren Solobrettspielen, doch letztlich sind die meisten mit einem ziemlichen Verwaltungsaufwand verbunden. Brettspiele sind nicht gut wenn viele Statistiken geführt werden müssen und sie sind erst recht ganz schwach was geheime Informationen oder Überraschungen betrifft: Entweder rührt eine Überraschung durch einen Würfelwurf (oder einem ähnlichen Zufallselement) her oder es gibt verdeckte Informationen, z.B. in einem Buch. Ersteres verkommt leicht zur Würfelorgie, letzteres „verbraucht“ sich und erfordert zudem einen großen verlegerischen Aufwand von Verlagsseite, weswegen solche Spiele eher selten sind. Das trifft auch auf Mehrpersonenspiele zu, aber dort sorgen die Mitspieler für Überraschungen und verdeckte Informationen sind nur einigen Spielern bekannt. Das geht also irgendwie. Umgekehrt haben die meisten Videospiele Schwächen im Mehrpersonenbereich und das wird auch trotz Wii so bleiben – Wenn mehr als 2 Spieler spielen wollen, wirds eng und der Rest ist unbeteiligt und muß warten. Außerdem ist der Besitzer der Konsole meistens bevorteilt, weil er die Spiele schon kennt (und geübt hat).

Folglich: Alleine (oder vielleicht auch mal zu zweit) sind Videospiele nicht zu schlagen. Ab spätestens 3 Personen sind Brettspiele das Mittel zum Zweck.

Viel interessanter ist aber vielleicht der Blick aus Entwicklersicht. Einer meiner Bekannten entwickelt Videospiele, ich Brettspiele. Wir kamen mal ins Gespräch und stellten fest, dass beide Seiten entwicklungstechnisch große Stärken haben, aber schwächeln, wenn sie versuchen die Stärken des anderen zu kopieren.

Fangen wir wieder mit Videospielen an. Stark sind sie im Bezug auf Simulationen. Sportsimulationen (z.B.) Fußball können auf einem Videospielgerät gut umgesetzt werden – inklusive der Unsicherheit, ob ein Schuß drin ist oder nicht und inklusive der Dynamik, der Sportarten innewohnt. Es gibt zwar eine Reihe von Brettspielen über Sport (gerade über Fußball), aber die können sich nunmal nur auf die taktischen Seiten des Sportes konzentrieren. Da fehlt die Dynamik, man spielt Rasenschach. Hinzu kommen die vielen Überraschungen, die einem Fußballspiel inne wohnen – Das kann nicht alles umgesetzt werden, ohne Regelmonster zu erschaffen. Und selbst wenn: Ein Fallrückzieher auf dem Brett wirkt nicht so wie einer auf einer Konsole. Und Fußball ist noch ein dankbarer Sport. Sportarten wie z.B. 100m-Lauf, Stabhochsprung oder Eiskunstlauf leben von der Dynamik. Das ist nicht umzusetzen.

Ein weiterer Vorteil von Konsolenspielen sind Überraschungen. Das plötzlich etwas passiert, mit dem niemand gerechnet hat oder sogar Bonusspiele zwischendurch sind natürlich nicht in Brettspielform zu gießen; Alles was vorkommt, muss ja durch das Regelwerk definiert werden und ist damit implizit bekannt. Videospiele geben ihr Regelwerk nicht preis und erlauben daher überraschende Ausnahmen. Einzige Möglichkeit wäre höchstens eine Art Aktionskarte, die neue Regeln ins Spiel bringt.

Brettspiele dagegen sind natürlich haptischer und wie schon erwähnt interaktiver. Alles bei dem Spieler miteinander handeln können und bei denen Spieler verdeckte Informationen haben ist als Videospiel (selbst als Mehrpersonenvideospiel) kaum umsetzbar. Das ginge zwar wieder in einem Computernetzwerk, aber da fehlt dann die direkte Interaktion – ein Teufelskreis! Auch haben echte Spielbretter gegenüber ihren virtuellen Partnern den Vorteil der Übersichtlichkeit. Wer Carcassonne auf dem Computer spielen will, wird bemerken dass bei besonders langen Spielverläufen die Übersichtlichkeit deutlich leidet. Entweder muss der Zoom eingestellt werden oder es wird gescrollt. Das ist auf dem Spieltisch nicht nötig.

Man könnte weitere Beispiele bringen (z.B. den größten Vorteil von Videospielen: Man benötigt keinen Erklärbären und muss keine Anleitungen lesen, wenn man nicht will) aber der Punkt ist gemacht: Videospiele sind eine Freizeitbeschäftigung, Brettspiele auch. Aber sie konkurrieren nicht wirklich sondern existieren nebeneinander.

Und Wii macht Spaß. Aber meine PS2 reicht mir erstmal…

ciao

peer

Peer Sylvester
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8 Kommentare

  • Hi Peer,
    wieder ein sehr interessanter Artikel von dir. Allerdings bin ich mit der Aussage, Videospiele hätten eine Schwäche, was Interaktion angeht. Wenn du bei Videospielen ausschließlich von Konsolenspielen ausgehst, mag das stimmen.

    Fasst man den Begriff aber weiter und schließt auch Comuterspiele mit ein, dann sehe ich das nicht so. Gerade seit den letzten Jahren sind MMORPGs (Massivly Multiplayer Online Role Play Games) wie Guild Wars, World of Warcraft oder auch kostenlose Spiele stark auf dem Vormarsch. Auch Browsergames sind stark verbreitet. Ohne Interaktion mit anderen Spielern steht man da ziemlich auf verlorenem Posten. Man sitzt dabei nicht direkt Mensch zu Mensch nebeneinander, das ist wahr. Und bei Brettspielen ist auch bisher mehr Interaktion möglich, auch was verdeckte Informationen angeht. Wobei ich das bei Browsergames, was die verdeckten Informationen anbelangt, auch nicht rückhaltlos unterschreiben würde. Allerdings denke ich, ist das nur deshalb der Fall, weil bisher noch gar nicht oder kaum der Versuch gestartet wurde, dieses Element in Videospiele mit einzubauen. Von einer Schwäche seitens des Videospiels im weiteren Sinne würde ich da also nicht reden.

    Andreas

  • Ja, ich hab die Multiplayeronlinegames noch einmal etwas rausgelassen. Allerdings findet hier auch eine andere Art von Interaktion statt. Da man die anderen nicht sieht, sich nur eingeschränkt mit denen unterhalten kann und die auch nicht kennt, ist zwar Interaktion da, aber es fehlt das familiäre des Brettspieles.
    Trifft man sich mit Freunden zum Brettspielen hat man einen Grund sich zu treffen. Online trifft man sich vielleicht auch, aber es ist nicht dasselbe. Naja und wenn die Gäste erst einmal da sind, nützen die Online-Spiele nix :-)
    Das meinte ich eigentlich in erster Linie mit „Interaktion“.

  • Auch da kann ich dir nur eingeschränkt zustimmen. Die Art der Interaktion ist tatsächlich eine andere. Allerdings erlaubt Teamspeak eine gute Nutzung von VoIP (also Übermittlung des gesprochenen Worts über das Internet). Und frag mal Clan- oder Gildenmitglieder, mit wem sie in der Regel zusammen spielen. Die Leute kennen sich untereinander meist sehr gut, unternehmen auch oft außerhalb des Internets etwas zusammen.

    Und life treffen zum zocken nennt man im allgemeinen Lanparty ;-)

  • Das stimmt schon – ich war selbst lange in einem Clan, kene das also schon. Unrecht hast du also nciht. Zum „Freunde einladen“ sind Brettspiele aber trotz Lanparty einfacher ;-)

  • Da hast du diesmal uneingeschränkt recht :-D Gesellschaftsspiele sind (ihrem Namen treu bleibend) deutlich geselliger als eine Meute Computerzombies die sich hauptsächlich von Cola, Pizza und Bildschirmstrahlung ernähren ;-)

  • „Umgekehrt haben die meisten Videospiele Schwächen im Mehrpersonenbereich und das wird auch trotz Wii so bleiben – Wenn mehr als 2 Spieler spielen wollen, wirds eng und der Rest ist unbeteiligt und muß warten. Außerdem ist der Besitzer der Konsole meistens bevorteilt, weil er die Spiele schon kennt (und geübt hat).“

    Was ein Bödsinn. Teamspeak? Webcam? LAN-Parties sind kein Vergleich, eh schon tot.

  • Hallo Puháer,
    dann treffen wir uns demnacsht mal zu viert bei dir auf eine Flasche Wein (bringe ich gerne mit) und gepglegtes Zocken. Du stellst die Computer bereit!

    Das es eine Community gibt, hab ich nicht bestritten, nur dass das gemeinsame, unmittelbare Spielen am Computer schwierig ist – siehe Antworten an Andreas…