Spiel: Stichling
Verlag: Ravensburger
Autor: Ralf zur Linde
Spieleranzahl: 2-5 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Spiel: You Suck
Verlag: Belzier Games
Autor: Ted Alspach
Spieleranzahl 2-6 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Ich mag Stichspiele. Da habe ich aber Glück, dass daran kaum je Mangel herschen wird. Ein Klassiker sind Stichansagespiele. Eine relativ ungewöhnliche Idee ist es, die Stiche gleichzeitig auszuspielen (Ausser Hattrick, gibt es da wenig). Die Kombination aus beiden sollte daher erst recht selten sein. Und doch kamen gleich zwei Spiele in den letzten zwei Jahren raus, die genau diese beiden Mechanismen kombinierten.
Bei beiden Spielen werden also Stiche angesagt. You Suck macht das auf die klassische Weise: Man sagt an, wie viele Stiche man macht. Und wenn’s stimmte, bekommt man Punkte.
Stichling ist da origineller: Man hat drei Karten mit Siegpunkten drauf und ordnet diese. Wer einen Stich macht, dreht die erste Karte seiner Reihe um. Holt der Spieler einen zweiten Stich, dann wird die erste wieder verdeckt und die nächste aufgedeckt. Werden mehr als drei Stiche gewonnen, geht’s wieder mit der ersten Karte los. Der Unterschied in den Siegpunktekarten kann schon recht groß sein, aber hier geht’s nicht um „alles oder nichts“ wie bei You Suck. Dafür sind dies die einzigen Punkte, die zu holen sind – man sollte also schon einigermaßen richtig liegen. Bei You Suck sind auch während des Stichspieles Punkte zu holen, die einen notfalls noch retten können.
Wie gesagt werden mehrere Stiche gleichzeitig gespielt. Bei Stichling maximal 4 (es können auch weniger sein), bei You suck alle sieben. Und auch sonst geschieht dies auf die unterschiedlichste Art, die im Rahmen des „gleichzeitig“ spielen vermutlich denkbar ist.
Bei You Suck darf man an jedem Stich anlegen, aber die erste Farbe legt die Bedienfarbe fest. Dort darf ich nur abwerfen, wenn ich dort nicht bedienen kann. Ob ich woanders bedienen könnte, spielt keine Rolle.
Bei Stichling ist das genau anders herum: Was ich auf der Hand halte, ist völlig egal. Aber was ich ausspiele, muss ich da anspielen, wo es passt. Nur wenn ich bei keinem der maximal 4 Stichen anlegen kann, darf ich abwerfen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Bei You Suck ist abwerfen leicht und bei Stichling eher nicht so. Das macht Stichling etwas berechenbarer. Bei You Suck kann so viel abgeworfen werden, dass die Anzahl der gewonnenen Stiche sehr viel schwerer vorherzusehen ist. Für meinen Geschmack ist es bei You Suck fast schon zu leicht, ungewollte Karten loszuwerden. Ich hab schon Runden erlebt, in denen mehr Karten abgeworfen als bedient wurden.
Ein klassisches Problem bei Kartenspielen ist, dass hohe Karten besser sind. Bei Stichansagespielen machen hohe Karten das ganze potentiell berechenbarer. Wie gehen die beiden Spiele mit diesem Problem um?
Bei Stichling ganz einfach dadurch, dass nicht klar ist, wie viele Stiche überhaupt gespielt werden. Immer wenn ein Stich aus vier Karten besteht, wird er abgeräumt. Ist das Maximum von vier Stichen nicht erreicht, kann man einen eröffnen. Dadurch endet aber eine Runde normalerweise, wenn noch Stiche „offen“ sind – weil sich dort noch nicht genügend Karten befinden, die Hände der Spieler aber leer sind. Wer hohe Karten hat und entsprechend viele Stiche machen will, ist daher darauf angewiesen, dass seine Mitspieler in die eigenen Stiche mit reinbuttern. Sonst endet die Runde und die Stiche sind noch nicht fertig. Das schafft eine ähnliche Spannung wie bei Ugo: Schaffe ich den Stich noch? Muss er noch bedienen? Oder – falls man einen Stich nicht mehr machen will – darf er bedienen? Bekomme ich den etwa noch?
You Suck dagegen geht einen deutlich anderen Weg: Zum einen bringt jeder Stichgewinn eine bestimmte Sondereigenschaft, wie z.B. eine zusätzliche Handkarte oder die Möglichkeit Trumpf zu bestimmen. Ach so, stimmt: Trumpf gibt es auch. Und Jokerkarten, die besonders hoch sind und von denen jeder eine bekommt. Und ja, das macht die Sache deutlich komplizierter.
Als Resultat braucht man eine Weile, um sich in You Suck zurecht zu finden, während bei Stichling von Beginn an alles klar ist – außer vielleicht wie man vernünftig spielt.
Das Problem ist: Die ganzen Regeln und Sonderfähigkeiten machen You Suck nicht berechenbarer oder gar trickreicher.
Wie die meisten Stichansagespiele sind auch diese beiden Vertreter jetzt nicht super-berechenbar. Das dürfen die auch nicht sein, sonst werden die Ansagen zu klar. Die Taktik muss sich daraus ergeben, wie man flexibel auf die Mitspieler reagiert und wie man es noch schafft, ungewollte Stiche zu vermeiden oder – besser – den Mitspielern zuzuschustern. Beides gelingt bei beiden Spielen gut und die Spannung, ob man noch einen Stich fängt/bekommt ist bei beiden vorhanden. Doch Stichling gelingt das mit deutlich einfacheren Mitteln. Der ganze Überbau bei You Suck hat in meinen Augen eher geringen Nährwert. Teilweise fühlt es sich so an, als wollte der Autor unbedingt möglichst viele Kniffe in sein Spiel einbauen, die sich dann aber leider nicht ganz zu einem Ganzen zusammenfügen. Nun ist You Suck beileibe kein schlechtes Spiel – gerade in geringerer Besetzung weiß es zu gefallen – aber Stichling macht dasselbe klarer, griffiger einfacher und damit letztlich auch besser. Bei Stichling habe ich das Gefühl, alles passt zusammen, alles greift ineinander. Bei You Suck nicht so. Daher würde ich immer eher zu Stichling greifen.
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