Verlag: Prestel
Autor: Thomas Fackler
Spieler: 2-6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
Kennen Sie „Haltet den Dieb!“? Nein? Wie steht‘s mit Alex Randolphs „Wettflug“? Schon eher? Warum ich frage? Beide Spiele (das eine aus den 70ern das andere aus den 80ern) benutzen einen ähnlichen Mechanismus: Es gibt mehrere Kartenstapel, zwischen denen die Spieler jede Runde den ihren auswählen können. Daraus wählen sie eine Karte, die in eine Sequenz passen muß (bei ersterem muß eine Bildergeschichte zusammengesetzt, bei letzterem ein Koffer mit einer passenden Zahl gesucht werden). Außer Glück ist in erster Linie ein gutes Gedächtnis wichtig – wer sich merken kann, wo die Karten stecken, die man später im Spiel brauchen könnte, ist klar im Vorteil und kann seinen Stapel gezielter wählen.
Thomas Fackler – bekannt geworden durch sein ambitioniertes (und erfolgreiches) Projekt Spiele als Kunstobjekte für vierstelligen Europreise zu verkaufen – hat diesen Mechanismus wiederentdeckt, generalüberholt und in ein ebenso schönes wie spannendes Familienspiel gepackt.
Das Prestel-Architekturspiel kommt in der vom Prestel Kunstspiel gewohnten sehr hochwertigen Qualität daher, die allerdings auch ihren Preis hat. Ein Preis, der vielleicht vielen für ein „Familienspiel“ zu hoch sein dürfte. (Anmerkung: Aus den spielbox.de-Foren weiß ich, daß einige, wenige Exemplare abfärben – dies scheint aber eine Ausnahme zu sein. Dennoch Vorsicht beim Kauf!).
Wie bei einem Spiel dieses Titels nicht weiter überraschend geht es um Gebäude, die architektonisch irgendwie interessant sind, z.B. das Guggenheim-Museum in New York (in einem sehr informativen Begleitheft werden alle im Spiel enthaltenen Gebäude noch einmal erläutert). Diese Bauwerke finden sich 2x wieder: Einmal als Auftragskarte, auf der sie gänzlich zu sehen sind und einmal als Teile auf Pappstreifen (ähnlich dem Kinderspielklassiker Mix-Max), 2-3 davon bilden dann wieder das Gesamtgebäude, wie es auf den Aufträgen zu sehen ist. Diese Teile werden zusammengemischt und dann in 5 Stapel aufgeteilt („Aha!“ wird der aufmerksame Leser sagen, „ Damit kommen also die oben erwähnten Stapel ins Spiel!“ Genau!). Dann werden einige Aufträge offengelegt. Die übrigen Aufträge werden in einem offenen Stapel bereitgestellt, so daß man sieht, welches Gebäude als nächstes interessant wird. Jeder bekommt ein „Startkapital“ von 2 Gebäudeteilen. Glücklich ist, wer jetzt bereits ein für einen Auftrag passendes Teil besitzt.
Jetzt wählt jeder in aufsteigender Reihenfolge der Startzahl seinen Stapel. Im wesentlichen bedeutet dies: Wer in der Vorrunde als erstes sein Teil gewählt hat, darf jetzt auch als erstes aussuchen, wer dagegen den Stapel in stoischer Seelenruhe durchsucht hat und dementsprechend spät fertig war, muß jetzt nehmen was übrig bleibt.
Hat der letzte Spieler seinen Stapel gewählt, durchsuchen alle schnell „ihren“ Stapel und wählen ein Gebäudeteil, stellen den Stapel zurück und nehmen sich eine Startzahl (man kann aus taktischen Gründen durchaus auch eine höhere Nummer wählen, das macht aber nur selten wirklich Sinn). Also: Wer sich schnell entscheidet kann nächste Runde mit großer Sicherheit den Stapel nehmen, den er möchte. Dafür ist es natürlich schwieriger sich die anderen Gebäudeteile im Stapel zu merken, so daß man für kommende Runden u.U. weniger gut gewappnet ist.
Haben alle ausgewählt muß – jetzt wieder in aufsteigender Reihenfolge – jeder genau ein Gebäudeteil abgeben, so daß jeder in der nächsten Runde wieder nur einen Vorrat von 2 Teilen hat. Passt eines der Teile, so legt man es auf den entsprechenden Auftrag, zusammen mit einem Chip. Wird der Auftrag dadurch vervollständigt bekommt man sogar 2 Chips (weswegen es manchmal interessant sein kann spät zu ziehen). Hat jeder gelegt, werden vollständige Aufträge abgeräumt und die Spieler bekommen ihre Chips wieder – die ihnen erst jetzt gutgeschrieben werden! Erfüllte Aufträge werden (erst jetzt) wieder ersetzt und die nächste Runde beginnt. Das geht so lange bis einer 13 Chips hat und das Spiel gewinnt. Das dürfte nach zirka höchstens 20 Minuten der Fall sein.
Thomas Fackler hat mit dem Prestel Architekturspiel ein Familienspiel geschaffen, das sowohl einfach, als auch spannend und für fast jede Altersklasse geeignet ist und bei dem man sogar noch ein bißchen über Architekturstile aufschnappt. Umso unverständlicher ist, daß dieses Spiel an der Spiel-des-Jahres-Jury und an vielen Spielern vorbeigegangen ist.
Nach dem neuartigen Mechanismus von Troia (das allerdings in der vorliegenden Ausführung nicht nur positive Stimmen bekam) und der grandiosen Komposition von Merk- und Geschwindigkeitsspiel mit einem Hauch Taktik kann man nur hoffen, daß Fackler auch in Zukunft Spiele für den Massenmarkt produziert! Der einzige Nachteil dürfte sein, daß der Mechanismus erst ab 4 Spielern so richtig trägt. Zu dritt ist das Spiel zwar spielbar, kann aber seine Stärken nicht wirklich entfalten.
- Bigger better faster stronger? Ersteindrücke von und über die Messe - 6. Oktober 2024
- Vom Wandel und Wandlungen - 8. September 2024
- „Was verdient man denn so?“ - 25. August 2024
Kommentar schreiben