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Fiese Freunde, Fette Feten

Verlag: 2f
Autoren: Friedemann Friese, Marcel-André Casasola Merkle
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30-60 Minuten

Vor meiner ersten Partie hab ich zwei Meinungen eingeholt: „Das ist Friedemanns bestes Spiel soweit!“ war die erste. „Das ist Friedemanns schwächstes Spiel bisher“ die zweite. Was wohl Marcel-André dazu sagt? Er wird kaum darüber glücklich sein, daß irgendwie jeder übersieht, daß das neueste 2F-Spiel einen Co-Autoren hat.

Kern des Spieles sind Karten mit Lebenserfahrungen (Karneval, One-Night-Stand etc.) und Lebenszielen (Sex Maniac, Mit dem Rauchen aufhören, Spieleautor werden etc.). Ziel ist es, mit Hilfe von ersteren, letztere zu erreichen. Dazu hat jeder Spieler einen Charakter, dargestellt auf einem kleinen Tableau. Hier ist des Spielers Weisheit, Fettsucht, Krankheit und noch so allerhand einzusehen, genauso wie hier eine Zählung der Sexpartner und der gescheiterten (und glücklichen) Beziehungen stattfindet. Man sieht: Prüde Naturen sollten von vornherein einen Bogen um dieses Spiel machen.

Als erstes bekommt jeder 5 Ziele, die zu erreichen sein Lebensglück (sprich Spielsieg) darstellen und schon geht’s mit der Pubertät los. Die unterscheidet sich vom restlichen Leben nur in dem Punkt, daß es hier Erfahrungen noch gratis gibt. Diese liegen nämlich aus und jeder darf reihum immer eine (durch)machen. Eine Erfahrung hat zwangsläufig Auswirkungen auf den Charakter des Spielers und somit auch auf die Möglichkeit ein Lebensziel zu erreichen. So bekommt man bei der „Klassenreise“ eine Beziehung und bei „Das erste Mal, aber ohne Pille“ nicht nur einen Sexmarker (wie bei „Heavy Petting“) sondern auch gleich ein Kind. Andere Ereignisse verändern die Eigenschaften – die Scheidung der Eltern macht reicher und depressiver gleichermaßen.

Wer keine Erfahrungen mehr gebrauchen kann, steigt aus und bekommt Zeit (je mehr, desto früher er ausgestiegen ist). Und Zeit ist bekanntlich Geld: Ab der nächsten Runde gibt’s dann keine Erfahrungen mehr umsonst, sondern jede wird versteigert. Und die Zeit dient hier als Währung. Außerdem gibt’s jetzt nicht nur Auswirkungen, sondern auch Bedingungen – wer sich Fett absaugen lassen will, muß zuerst welches haben.

Also: Auswählen, Ziel erfüllen oder passen. Ein Ereignis nehmen (wenn man die Vorraussetzungen erfüllen kann und die Versteigerung gewinnt) und seinem Charakter die Auswirkungen spüren lassen. So einfach ist das?
Von wegen Im Leben ist nichts einfach!

Die gewollten und ungewollten Probleme beginnen mit den regelrechten Beziehungsgeflechten der Spieler. So ein Spielercharakter ist ja nicht alleine auf der Welt, sondern kann die anderen Spielercharaktere anrufen und sie so zwingen, einem am Leben teilzuhaben. So lädt man ratzfatz 2 Freunde zum Karneval ein – die Auswirkungen bekommen alle Beteiligten zu spüren.

Hier ist der Kern des Spieles! Andere dazu zwingen Sachen zu machen, die diese gar nicht wollen ist ebenso drin, wie sich irgendwo ranzuhängen, um Zeitmarker zu sparen. Hier liegt auch der Witz des Spieles: Wenn zwei Spieler miteinander eine Beziehung anfangen und ein dritter mit dem ersten fremd geht – da kommt schon Stimmung auf. Von den Parallelen (real oder fiktiv) zwischen Wahn (bzw. Spiel) und Wirklichkeit lebt das Spiel noch mehr als von den überaus witzigen Karten.

Die Interaktionen sind aber auch die Quelle für das Hauptproblem dieses Spieles: Es will ein lustiges Bier & Bretzelspiel sein, aber die Regeln spiegeln das nicht wieder: Ständig überlegt man „Wie ist diese Auswirkung jetzt zu verstehen?“, „Wie war das mit dem anonymen Sex?“, „Kann ich das jetzt so mit dem machen oder ist das wieder eine der Ausnahmen?“…… etc. pp.

Eigentlich wär’s gut, wenn die Spielrunde auf die genauen Regelauslegungen pfeift und einfach munter improvisiert, doch die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus – man will schon einigermaßen „richtig“ spielen.

Man merkt dem Spiel an: Die Autoren wollten viel reinpacken und sind dabei etwas über das Ziel hinaus geschossen. So steht sich das Spiel selbst ein bißchen im Wege: Zu quer, zu viel Wirrwarr für ein Funspiel, zu wenig Kontrolle des Spielers über sein Schicksal für ein Taktikspiel.

Verstehen Sie mich nicht falsch: MIR gefällt das Spiel. Ich hebe meinen Hut für die tollen Illustrationen von Maura und die tolle Grundidee des Spieles. Ich setze ihn aber gleich wieder auf, denn es hätte noch um so viel BESSER sein können.

Peer Sylvester
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