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Escape the room: Das verfluchte Puppenhaus

Verlag: ThinkFun/Ravensburger
Autoren: Rebecca Bleau, Nicholas Cravotta
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 13 Jahre
Spieldauer: 100-200 Minuten (Laut Schachtel 2+ Stunden)

Vor nunmehr etwas übver 4 Jahren habe ich mein erstes Escape-Spiel gespiel: Escape the Room – Die Sternenwarte. Es war nicht so dolle. ThinkFun hat aber an den Konzepten weitergearbeitet und brachte jetzt im Dezember ein richtig massives Escape-Spiel auf den Markt – Das verfluchte Puppenhaus. Dabei haben sie sich die Kritikpunkte von damals anscheinend durchaus zu Herzen genommen. Wurde dadurch alles gut? Eher nicht:

Grundsätzlich ist hier erst einmal das Konzept „Größer ist besser“: Die Schachtel ist die größte aller Escape-Games, die ich bislang gespielt habe und verwandelt sich in ein kleines Papphaus, komplett mit ein paar Möbeln und sogar einem (spieltechnisch unwichtigen) Dach. Das hat ein bisschen den Preis einer längeren Aufbbauphase und das entfernen der ganzen Klebestreifen im Inneren des Hauses ist etwas fummelig, aber prinzipiell hat das Haus seine Wirkung zumindest bei mir nicht verfehlt – ich würde das Spiel ohne dieses Gimmick nicht gespielt haben. Die Kehrseite ist dabei der Preis: Über 30€ muss man bezahlen, um ein Einmal-Spiel spielen zu können. Da ist die Hürde schon deutlich höher als bei einem Zehner für ein Exit-Game. Mattel geht bei den Escapespielen ja einen ähnlichen Weg, insofern scheint der Markt das herzugeben. Umso wichtiger, dass der Preis das hält, was die Aufmachung verspricht!

Das System hat sich seit damals nicht stark geändert: Es gibt eine Geschichte, die sich so auf Gänsehaut-Niveau bewegt. Das Puppenhaus wird dabei Raum für Raum durchrätselt und am Ende gibt es noch einen Endkampf. Eines der Kritikpunkte an der Sternwarte war dabei die enorme Linearität: Ein Rätsel – Lesen – Ein Rätsel – Lesen… Dies in Zusammenspiel mit den einfachen Puzzle-Rätseln dafür sorgte, dass eigentlich immer nur einer zur Zeit wirklich etwas zu tun hatte. Das ist hier anders: Pro Raum müssen drei Rätsel gelöst werden und diese sind auch etwas diffizieler (dazu weiter unten mehr), so dass tatsächlich auch drei Spieler gleichzeitig beschäftigt sind. Das Auflösen mit dem Coderad ist aber nicht viel anders. Das Lösesystem ist „Schaue auf der Webseite nach“, was etwas merkwürdig wirkt. Dafür ist das System gestuft, strafenlos und gut zu bedienen. An der gesamten technischen Ebene gibt es also insgesamt wenig auszusetzen. Sicher, das Puppenhaus ist eher unpraktisch, da „in kleine Räume hineinlinsen“ einfach viel anstrengender ist als „auf eine 2-D-Zeichnung zu starren“, aber dafür gibt es schicke haptische Elemente. Das Problem bei dem verfluchten Puppenhaus sind die Rätsel.

Spoilerfreie Rätselanaylse

Die Rätsel im Puppenhaus kommen in zwei Typen, wobei es Überschneidungen gibt: Da sind zum einen haptische Rätsel (Falten, Zusammenbauen, Puzzlen etc.) und die typischen Escape-Room-Coderätsel.Erstere machen von dem Medium schön gebrauch, denn das ist ja gerade der Teil, der nicht am Browser funktioniert. Diese Art von Rätsel sind immer nett, weil man wirklich etwas tut, aber sie sind auch eher mit viel Herumprobieren verbunden, statt mit gezieltem Überlegungen. Für eines der Falträtsel braucht man zudem den 3. Dan im Origigami, wir hätten das ohne Videolösung niemals hinbekommen. Das ist insofern ärgerlich, als dass es kein Rätselproblem ist, bei dem man auf die Lösung durch schieres deduzieren kommen könnte – man weiß genau was man tun muss, es fehlen aber die konkreten Fähigkeiten. Oder man probiert durch.

Damit kommen wir zu den Escape-Room-Rätseln. Die überwiegende Anzahl von Rätseln im Escape-Room-Bereich (egal welcher Verlag) verfolgen einen anderen Ansatz als klassische Rätsel. Als Beispiel für solche  soll einmal das Neun-Punkte-Problem dienen: Die Aufgabenstellung ist klar, der Lösung bedarf es aber eines Aha-Erlebnisses. Dieses Erlebnis, dieses Heureka,  macht das Rätsel so besonders. Gute klassische Rätsel basieren fast immer auf so einem Moment. Das Problem innerhalb des Escape-Room-Kontextes: Wenn man nicht auf die entscheidende Idee kommt, ist man verloren. Ich habe schon Wetten gewonnen, weil mir Freunde nicht glauben wollten, dass bestimmte Rätsellösungen tatsächlich möglich sind. Hier aber eine sinnvolle Hilfe anzubieten, ohne alles zu verraten, ist schon sehr schwierig. Und es ist natürlich auch sauschwer sich gute Rätsel dieser Art auszudenken.

Stattdessen gibt es in Escape-Spielen zwei andere Typen: Einmal Rätsel aus dem Adventure-Genre der Computerspiele und eben jene Code-Rätsel. Erstere kommen im Puppenhaus nicht vor, weil es keine Gegenstände gibt, die eingesetzt oder kombiniert werden müssten – alles Material ist „Rätselmaterial“. Der Unterschied zwischen einem solchen Code-Rätsel und einem klassischen Rätsel: Bei ersteren weiß man oft eben nicht, was die Aufgabenstellung eigentlich genau ist, man weiß nur, welches Format die Lösung (also der Code) haben soll. Teilweise ist auch das Umwandeln einer Lösung in einen Code das eigentliche Rätsel (Escape the Room macht da manchmal interessante Sachen), aber auch solche Rätsel fehlen hier. Das Problem bei reinen Code-Rätseln ist, dass sie davon leben, dass die Spielenden Verbindungen herstellen und Muster erkennen können. Durch das Fehlen einer klaren Aufgabenstellung, ist das aber oft rein assoziativ – fiktives Beispiel: Findet man ein Papier wo verschiedene Pflanzen drauf sind und ein Regal mit Blumentöpfen, wird man versuchen zwischen den beiden einen Bezug herzustellen. Wenn nun bestimmte Eigenschaften der Pflanzen zu den Töpfen passen, versucht man diese Gemeinsamkeiten irgendwie zu nutzen, um den Code zu entschlüsseln. Das Problem ist hier, dass keiner der Schritte absolut eindeutig ist – Eine Zahlenreihe, die mit 0, 1, 2 beginnt, könnte man genauso logisch mit 3 (linear), wie mit 4 (quadratisch) weiterführen und theoretisch gibt es noch unendlich viele weitere Möglichkeiten. Welche davon die korrekte ist, muss ausreichend durch das Spiel kommuniziert werden, sonst wird es willkürlich. Hinzu kommt noch: Je länger die Spielenden mit der Lösung kämpfen, desto mehr Möglichkeiten kann man sich vorstellen – wenn es die vermeidlich eindeutigen Lösungen nicht sind, sind es dann die wilderen Theorien? Oder wurde etwas einfach übersehen? Oder sollen noch andere, nicht genutzte Dinge im Rätselraum irgendeinen Hinweis liefern? Genau hier liegt der Hund begraben: Um vermeidlich schwierige Rätsel zu erzeugen, wurden diese Bezüge einfach vager gestaltet und oft gibt es sogar mehr als zwei Elemente, die zusammengehören, ohne dass irgendeines davon eindeutig wird. Statt herausfordernder werden die Rätsel so nur frustrierender, weil die Lösungen willkürlicher werden und auf ganz bestimmten Assoziationen beruhen. So hatten wir ein Rätsel prinzipiell richtig gelöst, aber die Lösung anders interpretiert als die Puppenhaus-Macher – und ich sehe nach wie vor unsere Lösung als logischer an. Wir hatten die Reihe oben quasi mit 3 fortgesetzt und nicht mit 4. Andere Bezüge waren sehr weit hergeholt oder für uns nicht einmal erkennbar. Selbst Rätsel, die wir größtenteils lösen konnten, hatten noch Elemente, die wir nicht gesehen oder verstanden haben. Sollten außerdem Lösungen eindeutig sein, so dass man sofort positives Feedback bekommt, waren einige Dinge selbst nach richtiger Lösung nicht klar. Bei einem Rätsel war es uns selbst mit der nachgeschlagenen Lösung unmöglich, diese nachzuvollziehen. Es scheint, als hätten die Rätselmacher gedacht, dass Rätsel clever und originell wirken, wenn die Hinweise und Bezüge möglichst vage sind. Beides ist aber nicht der Fall.

Dadurch ist das Puppenheim einfach absolut frustrierend. Die Geschichte ist nicht gut genug, um alleine zu motivieren, die Rätsel werden eher schlimmer als besser. Es ist tatsächlich von allen Escape-Spielen, die ich bislang gespielt habe, das Spiel, was mir am wenigsten Freude bereitet hat.

 

Peer Sylvester
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