Name: Next Generation Basic Set: Detektiv Tom
Kein Autor angegeben
Verlag: Roco
Für 1 Spieler
Ich möchte mit einer kleinen Rechtfertigung beginnen – immerhin ist es ja ungewöhnlich, dass ich hier einen Hybrid aus Eisenbahn und App teste. Der Grund ist schlicht der: Als mich die zugehörige Agentur anschrieb, ob ich Interesse an Informationen und Testmaterial für einen derartigen Hybriden hätte, las es sich so, als wäre es ein Mehrpersonenspiel. Und ein Modelleisenbahn-Mehrpersonenspiel klang einfach unglaublich spannend und innovativ. Nun, ein „Mehrpersonenspiel“ ist es definitiv nicht. Jedenfalls wenn man normale Maßstäbe anlegt – natürlich können auch Kreuzworträtsel mit mehreren Leuten gemeinsam gelöst werden, aber dadurch werden die nicht zum Multiplayerspektakel.
Einen Blogeintrag zu NextGeneration wollte ich aber auch nicht verfassen, jedenfalls nicht so kurz nach dem Babytablet-Eintrag ;-)
Prinzipiell finde ich das Verknüpfen von klassischem Spielzeug mit digitalen Medien für extrem interessant. Nicht nur sind ganz neue Effekte möglich, man erreicht auch potentiell neue Käuferschichten. Und das ist ganz klar der Effekt, den Roco erreichen möchte. Ich kann mir gut vorstellen, dass Modelleisenbahnen in Deutschland auf dem absteigenden Ast sind: Sie kosten viel Geld, brauchen extrem viel Platz und seinen Faible, Welten aufzubauen kann man leichter virtuell ausleben. Eine Verbindung zwischen Spiel und App bietet da die Möglichkeit, mehr aus der Bahn herauszuholen, als nur zuzusehen, wie sie im Kreis herumfährt!
Um es vorweg zu nehmen: Unter diesen Gesichtspunkten ist Roco zumindest mit dem mir vorliegenden Detektiv Tom-Spiel grandios gescheitert! Warum? Nun, in erster Linie schaut man der Eisenbahn zu. Wie sie im Kreis herumfährt.
Ich gebe zu: Ich war sehr beeindruckt, als tatsächlich eine funktionierende, richtige Modelleisenbahn (H0) mitsamt Gleisen und zwei Waggons in meinem Briefkasten landete. Mein Schwager – aus einem deutlich Modeleisenbahnärmeren Kulturkreis stammend – wollte sofort loslegen. Das Haptische Erleben einer Modelleisenbahn ist zumindest in den ersten Momenten unerreicht. Der Spieltrieb ist enorm.
Allerdings enthält das Basisset nur ein längeres Oval. Drei Spezialgleise dienen als Bahnhöfe.
Die wiederrum sind für die App wichtig. Mit der kann der Zug gesteuert werden: Vorwärts, Rückwärts, schneller oder langsamer. Ja, das ist wie bei einer normalen Eisenbahn. Ja, das wird genauso schnell langweilig: Vorwärts im Kreis oder Rückwärts im Kreis? Diese Frage stellt man sich jenseits einer Brio-Bahn nicht mehr lange.
Aber da ist ja noch der Detektiv Tom! Und der ist nicht umsonst unter „Geschichte“ zu finden. Denn die App erzählt da eine Geschichte. Graphisch mit Standbildern unterlegt und weitestgehend interaktionsfrei. Nur manchmal geht es nach „Berlin“ , „München“ oder „Köln“, was bedeutet, dass man den Zug zum Gleis mit der Nummer 1, 2 oder 3 fahren muss. Manchmal muss man schnell fahren, manchmal rechtzeitig abbremsen und manchmal sogar rückwärtsfahren! Das ist so spannend wie es klingt, nämlich gar nicht. Jedenfalls nicht ab dem dritten Mal. Die App zeigt dabei übrigens eine Landschaft – das wäre ein kleiner Bonus, wenn die nicht total generisch wäre. Überall sieht es nach der gleichen Landidylle aus – selbst im Kölner Umland und im Münchner Hauptbahnhof.
Ganz ehrlich: Wenn man irgendetwas mit einer App verknüpft, um damit neue Käuferschaften anzusprechen, sollte man sich fragen: Was wird durch die App gegenüber dem rein analogen Spielzeug wirklich verbessert? Diese Frage hat sich hier niemand gestellt. Die App ist nicht eingebunden, sondern läuft neben der Eisenbahn nebenher (dass man den Zug steuern kann, lasse ich nicht gelten, denn ob ich einen Knopf auf einer App oder auf einer Schalttafel drücke, macht keinen Unterschied). KEINES der Probleme, die Leute mit Modelleisenbahnen haben, wird behoben! Ob man zu Gleis A fährt oder nach „Köln“, spielt absolut keine Rolle. Man fährt mit dem Zug im Kreis und das ist wenig aufregend. Selbst die Ergänzungspacks bauen bestenfalls eine kleine Nebenstrecke an. Als mein Bruder als Kind eine Märklin-Bahn hatte, hatten wir schon mehr Landschaft und mehr Strecke und es vermochte dennoch nicht auf Dauer zu fesseln. Wie soll da ein einzelnes Oval irgendjemanden hinter dem Ofen vorlocken? Meine anfangs durchaus sehr interessierte Tochter fand das Ganze nach 10 Minuten jedenfalls bereits langweilig – die baut sich aber auch schon Zoos und ähnliches auf dem I-pad. Natürlich kann man bei einem solchen Einstiegsspiel keine großen Streckennetze erwarten. Aber zumindest eine Alternativroute hätte spielerische Herausforderungen ermöglicht. Gerade mit einer App hätte man das kleine Streckennetz kompensieren können, wenn sie dem Spieler interessante Aufgaben stellt. Viele Smartphonespiele müssen da mit weniger auskommen.
Die enthaltende Geschichte ist aber nicht viel mehr als ein Hörspiel. Und dafür brauche ich das Basisset nun gerade im Appzeitalter definitiv nicht.
Wäre wenigstens die Graphik der Zugfahrten der echten Strecken nachempfunden (zumindest teilweise), hätte die Symbiose aus App und Eisenbahn vielleicht noch eine gewisse Berechtigung gehabt. So aber nicht.
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