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Calico

Verlag: Ravensburger
Autor: Kevin Russ
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 10 Jahren (in der Familienvariante oder mit einfachen Wertungsplättchen auch schon ab 8)
Spieldauer: 30-45 Minuten (eher 30 als 45)

Eines der schwierigeren Dinge im Marketing eines Spieles dürfte es sein, ein Thema und einen Namen für ein abstraktes Spiel zu finden. Bei Calico ist dies erstaunlich gut gelungen – Kaum einer wird wissen was „Calico“ eigentlich bedeutet (es sind weiß-schwarz-rote Perserkatzen), aber es ist ein guter, wohlklingender Name, der nicht völlig konstruiert klingt. Dasselbe könnte man vom Thema sagen: Einen Quilt (eine Art Flickendecke) so nähen, dass sich Katzen darauf wohlfühlen. Das ist eine thematische Einbindung, die es erlaubt, die Plättchen, die man legt, sinnvoll zu begründen, ohne dass thematische Brüche entstehen. Die Gestaltung mit den Katzenmarkern und der dicken Katzen auf dem Cover, sorgt für Interesse beim Publikum. Es fällt kaum auf, dass es sich hier eigentlich um ein Nicht-Thema handelt, denn praktisch werden einfach nur abstrakte Plättchen auf das eigene Tableau gelegt und so Aufträge erfüllt, mit dem Ziel der Punkteoptimierung. Karten und Knöpfe sind nur Wertungsmarker. Das Thema selbst ist abstrakt und passt daher auf das abstrakte Spiel.

Calico ist ein Legespiel mit gegenläufigen Wertungen, also Wertungen, die sich potentiell gegenseitig wiedersprechen: Für die eine Wertung sind größere Gruppen mit einem bestimmten Muster nötig, bei einer anderen, sollten möglichst keine gleichen Muster angrenzen. Ähnliches gilt für die Farben – und da jedes Plättchen ein Muster und eine Farbe aufweist, müssen zwangsläufig früher oder später Kompromisse geschlossen werden.

Ein gutes Legespiel bietet immer Wetten auf die Zukunft: Bei Carcassonne etwa geschieht dies durch die Leute, die eingesetzt werden müssen, bevor abzuschätzen ist, wie viele Siegpunkte diese abwerfen werden, bzw. auf welchem Element des Plättchens potentiell am meisten Ertrag zu erwarten ist. Eine gute Wette basiert dabei immer auch auf Abschätzungen – was für ein Ertrag ist denn realistisch? Erlaubt der Rest der Auslage überhaupt einen höheren Siegpunkte-Ertrag?  Wie viel muss zusammenlaufen, damit ich überhaupt mit dieser Stadt noch fertig werde? Ähnliches geschieht bei Calico – und das mit überraschend einfachen Mitteln. Drei einfache (!) Wertungenseben und ein enges Brett reichen, um die Aufgabe interessant zu gestalten, ohne dass sie überfordernd wird. Da auf dem Rand aufgedruckte Plättchen mit zur Auslage zählen, kann bereits vom ersten Plättchen an irgendwas geplant werden und mit jedem Plättchen werden Planungen konkreter, Wetten werden eingegangen, werden gewonnen und aufgegeben. Je länger das Spiel dauert, desto mehr müssen die Wetten angepasst werden: A und B kann ich nicht beide gewinnen – also gehe ich eher auf A oder auf B? Die gestellte Puzzleaufgabe ist dabei klar und herausfordernd, ohne überfordernd zu sein. Da jeder für sich puzzelt, hängt der Ausgang einer Wette fast ausschließlich  von dem ab, was man sich selbst zugetraut und geschafft hat.

Legespiele mit gegenläufigen Wertungen gibt es viele – und Calico erfindet dabei das Genre beileibe nicht neu. Die Überraschung des Designs ergibt sich eher aus der (scheinbaren) Leichtigkeit, mit der Kevin Russ eine interessante Puzzleaufgabe geschaffen hat. Calico spielt sich ohne Haken und Ösen, klar auf den Punkt. Die Risiken und Erträge aller Wettmöglichkeiten sind jederzeit sichtbar. Der Schwierigkeitsgrad ist zudem dank unterschiedlicher angebotener Wertungsmöglichkeiten gut skalierbar. Für ein Legespiel ist Calico schon beeindruckend gut designed. Dabei liegt die Genialität eben nicht in den großen Mechanismen, sondern in den kleinen Pinselstrichen. Ohne Mühe gelingt es hier, was anderen Legespiele oft nur mit einer größeren Anzahl an Regeln gelingt: Für interessante Aufgaben zu sorgen. Der Vergleich mit Carcassonne kommt nicht von ungefähr : Auch das bot Aufgaben für alle Anspruchslevel, bei geringem Regelaufwand. Carcassonne gewann das Spiel des Jahres aber auch, weil die Einsetzregeln etwas völlig neues waren. Ein solches Element fehlt hier und so werden die ganz großen Ehren dem Spiel vermutlich vorenthalten bleiben.

 

Peer Sylvester
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