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Bomb Busters

Autor: Hisashi Hayashi
Verlag: Cocktail Games / Pegasus Spiele
für 2-5 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten (je Mission)

Bomb Busters ist ein kooperatives Deduktionsspiel. Ich gebe zu, diese Einleitung ist eher einfach und direkt gehalten, und es fehlen sprachliche Pirouetten und blumige Umschreibungen. Bomb Busters folgt dabei dem Modell der kooperativen Spiele, welches die Kommunikation zwischen den Spieler*innen reduziert. Es gibt eine gemeinsame Aufgabe. Jede Person am Tisch besitzt Teilinformationen darüber, aber – zumindest zu Beginn des Spiels – hat niemand ein vollständiges Bild der Lage. Durch unsere Spielhandlungen versuchen wir Informationen weiterzugeben, und uns gegenseitig vor Fehlern zu schützen.

Es ist eine Spieldynamik, die man unter anderem auch bei Hanabi (Spiel des Jahres Gewinner 2013) gesehen hat. Wer am Zug ist, muss eine Aktion wählen und ist darauf angewiesen, was die anderen am Tisch durch ihre Aktionen kommuniziert haben. Während man bei Hanabi noch zwischen Karte ausspielen und Karte benennen wählen konnte, bietet Bomb Busters lediglich eine Aktion: das Auswählen von Kartenplättchen. Genauer gesagt, das Auswählen von zwei identischen Kartenplättchen, von denen man eines kennt (weil man es auf dem eigenen Kartenhalter sieht) und eines bei jemand anderem vermutet (weil es verschiedene Hinweise darauf gibt). Hat man im Laufe des Spiels alle Plättchen paarweise aufgedeckt, hat man gemeinsam gewonnen. Macht man jedoch zu viele Fehler oder wählt versehentlich das „rote“ Plättchen aus, endet das Spiel in einer Niederlage.

Zu Beginn einer Runde ist das Auswählen und Knobel eher unsicher. Aber mit jedem identifizierten Plättchen wird klarer, welche anderen Plättchen sich davor oder dahinter befinden könnten. Selbst wenn man ein Plättchen falsch benannt hat, wird es im Anschluss durch einen Hinweismarker entlarvt. Egal ob man richtig deduziert hat oder nicht, haben im Anschluss alle Spielenden mehr Informationen zur Verfügung. Dieser elegante Designkniff fördert die Spielbarkeit und auch das Spieltempo. Eine Fehleinschätzung entlarvt die Identität der falsch eingeschätzten Spielkarte; eine richtige Einschätzung ist ein kleiner Schritt in Richtung Spielsieg. Der Fortschritt in Bomb Busters ist fast unaufhaltsam.

Jedes dieser Plättchen muss seinem Zwilling zugeordnet werden

Diese schöne, fast unsichtbare Designentscheidung, gibt das notwendige Feedback gibt, um sich in der Lage zu fühlen die laufende aber auch spätere Aufgaben zu erfüllen. Bomb Busters wirbt auf der Schachtel mit insgesamt 66 Missionen, die man bespielen kann. Das weckt Erinnerungen an „Die Crew“, in denen einzelne Hausregeln zu „Missionen“ erhoben wurden, und dann in einem kleinen Büchlein dem Spiel beilagen. Die Missionen bei Bomb Busters fühlen sich – nachdem man aus den ersten Tutorial-Partien hinausgekommen ist – weniger wie einzelne Hausregeln an, sondern wie eigenständige Varianten des Spiels. Das ist jedoch ein zweischneidiges Schwert.

Denn auch wenn die hohe Zahl an Aufgaben die schwäbische Hausfrau in uns allen in Entzückung versetzt, weil man „so viel Spiel für das Geld“ bekommt; fühlt sich die lange Liste an Missionen irgendwann wie eine Verpflichtung an. Das liegt womöglich daran, dass die einzelnen Missionspakete im Spiel recht einfallslos durchnummeriert sind. So wie man es etwa bei besonders langen Animes kennt. Die Gründe dafür kann vermutlich allein die Redaktion bei Pegasus erklären.

Denn diese Entscheidung scheint im Widerspruch zu den kurzen, durchaus humorvollen Erzähltexten zu stehen, die in jeder Schachtel einen Antagonisten benennen, gegen den man als Team antritt: der garstige Bösewicht, der diese wirr verkabelnden Bomben überall legt. Anders gesagt: jede Schachtel mit Missionen ließe sich auch als in sich abgeschlossene Staffel oder Story bezeichnen. Das würde die 66 Missionen in gut greifbare Häppchen aufteilen, die man in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen angehen würde. Als Gruppe könnte man immer auf die nächste „Pause“ hinspielen, statt die Schachtel immer wieder mit dem Gefühl in den Schrank zu stellen, dass man eigentlich „noch nicht fertig“ ist.

So fühlt sich Bomb Busters in den einzelnen Momenten immer sehr unterhaltsam und kurzweilig an. Wenn man aber die gesamte Schachtel in der Hand hält, überwiegt nicht das Gefühl etwas geschafft zu haben, sondern dass es noch so viel zu tun gibt. Das wirkt vollkommen unnötig, denn eigentlich ist bereits alles vorhanden, um die 66 Missionen in angenehm dosierte „Miniserien“ aufzuteilen. Die kleinen Geschichten in den Missionen und Antagonisten auf den Schachteln sind ja bereits gedruckt. „Die Jagd auf den verrückten Uhrmacher“ bringt halt sehr viel mehr thematischen Zusammenhalt (und sogar einen dramaturgischen Bogen) als „Mission 12-24“. Man hat das Gefühl hier wurde das Rennen kurz vor der Ziellinie einfach aufgegeben. Diese Entscheidung ist dabei weniger dramatisch als einfach unverständlich.

Aber diese unerwartete Entscheidung schlägt kleine Wellen, die sich auf das Gesamterlebnis auswirken. Statt leichtfüßiger Knobelei, wenn man das Spiel aus dem Schrank holt, bleibt das Gefühl des Unfertigen; des sich immer wiederholenden Cliffhangers. An Stelle von Vorfreude was als nächstes kommt, setzt mit der Zeit eher Ermüdung ein.

Die andere, auffällige Eigenschaft von Bomb Busters ist weniger subtil. Das Spielmaterial wirkt kosteneffizient statt besonders luxuriös. Ein Umstand der in jüngster Vergangenheit auch bei einem Spiel wie e-Mission bemängelt wurde. Allerdings mahnte des Thema des Spiels Kritiker*innen an sich mit ihrem laut geäußerten Anspruchsdenken nicht gänzlich die Blöße zu geben. Entsprechend wurde es oft nur am Rande und in leisen Tönen erwähnt. Bei Bomb Busters gibt es weniger Skrupel das eigene Anspruchsdenken in klare Worte zu fassen: ein modernes Spiel habe ein Material zu haben, welches eine gewisse Wertigkeit aufweist!

Fortschritt und zusätzliche Informationen sind hier vermerkt

Die Zweckdienlichkeit des vorhandenen Materials wird dabei seltener in Frage gestellt. Es geht darum, dass die Haptik des Spiels nicht so viel Spaß macht wie es möglich wäre. Das Material ist schlicht funktional. Die Spieler*innen werden nicht mit Haltern aus Kunstharz, zentimenterdicken Spielplättchen oder ähnlichem umgarnt. So auffällig adäquat das Material auch ist, so wenig Wirkung hat dessen Qualität auf das Spielerlebnis. Weder gewinnt, noch verliert das Spiel nennenswert dadurch, dass man die Plättchen mit etwas Sorgfalt sortieren und auslegen muss. Oder dass einige Übersichtsmarker nur aus dünnen, durchsichtigen Plastikscheiben bestehen.

Dass besonderes Spielmaterial ein Spielerlebnis aufwerten kann, darüber besteht kein Zweifel. Das bekannteste Beispiel dafür ist ohne Frage Splendor (ich würde aber auch Akropolis und Azul dazu zählen). Aber ob ein Spiel an Qualität einbüßt, weil das Material nicht hochwertig genug ist, scheint mir eine zweifelhafte These zu sein. Man kann streiten, ob hier aus Produktionssicht eine Chance vertan wurde. Aber es lässt sich beim besten Willen kein Mangel an Bomb Busters herleiten, weil wertvolleres Material vorstellbar wäre. Dafür ist Bomb Busters in seiner Spielweise und Interaktionsform zu robust und schlüssig, als dass hochwertiges Material das Spielerlebnis hervorheben müsste.

Der einzige Punkt an dem Bomb Busters mit Hilfe des Materials das Spielerlebnis verbessert, sind die kleinen ästhetischen Schnörkel, die man im Laufe der Spielpartien freischaltet. Die kleinen Schachteln, die schon bei Dorfromantik Änderungen und Überraschungen mit sich brachten, bieten neben neuen Aufträgen u.a. auch Aufkleber für die Spielschachtel. Darauf lassen sich nun einzelne Errungenschaften festhalten. Schrittweise verwandelt man durch das Bekleben die Bomb Busters-Schachtel in ein Zeitdokument des gemeinsamen Spielerlebnis. Es ist ein kleiner, sicherlich kostengünstiger Kniff, der weit mehr Wirkung zeigt als es dickere Plättchenhalter getan hätten.

Dieser Ausrichtung fasst Bomb Busters gut zusammen. Es ist ein kleines, sympathisches Spiel welches durch die Verlagsarbeit gerade so weit vergrößert wurde, dass man es nicht als Nebensächlichkeit abtun kann. Es ist das Gegenteil von prunkvoll inszeniert, und wird dennoch seinem Ziel als rundem Spielerlebnis gerecht. Bomb Busters ist ein gemeinschaftliches Spielerlebnis, in dem logisches Denken und Deduktion die Mittel sind um am Tisch Spannung, Nervenkitzel und (gelegentlich auch erst beim zweiten oder dritten Anlauf) Erfolgsmomente zu erleben. Vielleicht hätte ich das in die Einleitung schreiben sollen.

Georgios Panagiotidis
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