Verlag: Gigamic
Autor: Jules Messaud
Für 2-4 Spieler*innen
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: etwa 25 Minuten
Es gibt eine Daumenregel, die lautet: ein Design ist gut, wenn der Nutzer es nicht bemerkt. Selbst oder gerade bei Brettspielen, die Spieler*innen vor Herausforderungen stellen, sticht gutes Design hervor, wenn es unbemerkt bleibt. Gutes Design ebnet den Weg zur Aufgabe, ohne die Spielgruppe zu gängeln und immer wieder in Sackgassen laufen zu lassen.
Um das zu erreichen, gibt es meist zwei Möglichkeiten. Entweder man nutzt alle Handwerkskniffe, die man kennt, um grafisch, sprachlich und haptisch Anreize zu schaffen, die ohne lange Erklärungen verstanden werden. Oder man präsentiert Konzepte und Ideen, die vertraut und bekannt sind.
Akropolis neigt oft zu letzterem, aber weiß an den richtigen Stellen auch etwas subtiler zu sein. Das ist vielleicht der Grund weshalb es zu gefallen weiß, ohne das man sofort erkennen kann warum dem eigentlich so ist.
Der Spielablauf ist denkbar einfach gehalten. Man wählt Plättchen aus einer Auslage und legt diese vor sich zusammen. Farbliche Unterschiede bedeuten unterschiedliche Punktebedingungen, die man am Ende des Spiels erfüllen muss. Werden einzelne Teile der Plättchen verdeckt, werden die verdeckten Farben ignoriert, aber dafür erhält man andere Vorteile.
Etwas berauschend Innovatives wird hier niemand entdecken, der mehr als drei Spielautor*innen beim Namen nennen kann. Aber diese Vertrautheit führt nicht nur zu einem schnellen Einstieg, sie hat auch zur Folge, dass sich die insgesamt elf Spielrunden entspannt herunterspielen lassen. Der Weg zum Spiel bleibt ohne böse Wendungen oder hinterlistige Schlaglöcher. Es ist ein Design, das so eben ist, dass man fast Curling darauf spielen könnte.
Aber dann besitzt Akropolis doch subtile Details, die es reizvoll genug machen, um eben nicht zu langweilen. Da ist zum einen die Form der Spielplättchen. Sie hätten quadratisch sein können. Aber das hätte zur Folge, dass die Farbverteilung auf dem Plättchen mit einem Blick entschlüsselt werden kann. Es dauert nur Sekundenbruchteile, um zu merken wie die eigene Auslage von einem Plättchen profitieren würde. In 4 Gods sind die Plättchen quadratisch und darum wird dort in Echtzeit gespielt. Denn würde man es wie bei Akropolis in Zügen spielen, wären die Überlegungen zu kurz und die Entscheidungen trivial. Die vielen Ecken der Spielplättchen in Akropolis laden ein sie im Kopf wie auch in der Hand zu drehen und abzuwägen, welche Möglichkeiten sich durch das Anlegen an dieser oder jener Stelle ergeben.
Wenn sich die Plättchen dann sogar nahtlos und exakt zusammenfügen, ist der kurze Endorphinschub gesichert. Wie ein lang gesuchtes Puzzleteil, das nun endlich seine Heimat gefunden hat, schließt man Lücken in der eigenen Auslage. Dieser unterschwellige Ordnungs-Kick wird auch in der Schachtel selbst weiter gedacht, in der man sämtliche Plättchen wohl sortiert einordnen kann. Inklusive einer Aussparung für Punktewerteblock, Regelübersicht und die anders geformten Startplättchen.
Ein weiteres, unscheinbares Detail ist die Dicke der Plättchen selbst. Seit Splendor sollte bekannt sein, dass Spielmaterial, welches einige Gramm extra hat, den Spielzug sowohl wertvoller als auch substantieller erscheinen lässt. Würde man statt gewichteter Chips lediglich dünne Pappscheiben oder Papiergeld nutzen, dann würde Splendor kaum noch Erwähnung finden. Die dicken Plättchen in Akropolis verleihen den eigenen Entscheidungen zumindest unterbewusst – und man möge mir das unvermeidliche Wortspiel verzeihen – Gewicht.
Es wäre reine Eitelkeit als Kritiker jedes dieser Details einem genialen Plan der Autoren anzudichten. Ebenso wäre es vermessen, sie als belanglose Nebensächlichkeit abzutun. Ein Spiel wirkt immer als ganzes auf uns. Von den Regeln, zu den Illustrationen bis hin zum Material. Dabei ist es unerheblich, ob hinter all diesem eine bewusste Absicht steht oder nicht. Am Ende nehmen wir Spieler*innen alle Facetten des Spiels wahr, egal wessen Kopf sie entsprungen sind. Selbst wenn wir manchmal versuchen unsere Einschätzung des Spiels auf einzelne Momente, Eigenschaften oder Regeldetails zu reduzieren; es ist der Gesamteindruck, der zählt. Dieser ist bei Akropolis vielleicht nicht spektakulär und herausragend; aber er ist gut.
Akropolis erfindet das Rad nicht neu. Aber es ist in exakt dieser Kombination und mit genau dieser Beschaffenheit eben doch etwas eigenes. Es ist ein gutes Design, welches über seine Regeln Vertrautheit schafft und über seine Präsentation zu gefallen weiß. Damit kehrt es die Erwartungshaltung um, die viele an ein Spiel herantragen. Dort muss die Präsentation vertraut sein, aber die Regeln für Wohlgefallen sorgen. Es kann gut sein, dass Akropolis deshalb in manchen Runden durchfallen wird. Aber wer den Spielcharakter an einem Brettspiel genießen kann, wird sich wohlfühlen. Manchmal ist es genau das, was man an einer Spielerfahrung schätzt.
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