Autoren: Lukas Zach & Michael Palm
Verlag: Pegasus Spiele
Für 1-6 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Spieldauer: 30-60 Minuten
Das Design von Dorfromantik – Das Brettspiel fußt auf derartig schlichten Feedback-Schlaufen, dass sie beinahe krude wirken. Legt ein Plättchen an, um damit Punkte zu machen. Je mehr Punkte ihr habt, umso besser. Habt ihr gepunktet, legt ein neues Plättchen aus und platziert einen Punktemarker darauf. Diese Punkte gilt es als nächstes zu holen. Habt ihr zum Ende des Spiels genug Punkte gemacht, öffnet bestimmte Schachteln in denen womöglich neue Plättchen, neue Punktemarker oder neue Ziele sind, die ihr erreichen wollt. Welche eigentlich nur daraus bestehen neue Möglichkeiten bieten, um noch mehr Punkte unter gewissen Bedingungen zu machen.
Der Minimalismus dieser Feedback-Schlaufe sollte kaum überraschen. Dorfromantik – Das Brettspiel ist eine Brettspiel-Adaption eines Computerspiels, welches selbst stark von Legespielen wie Carcassonne inspiriert ist. Daher orientieren sich das Designkonzept am digitalen Original. Und es hat einige Zeit gedauert bis digitale Spiele sich als Medium etablieren konnten, welche mehr boten als die kontinuierliche Jagd auf den nächsten High Score. Natürlich gab es schon immer ergänzende Besonderheiten, um Spieler*innen zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit dem Spiel zu motivieren. Es gab versteckte Levels, neue Grafiken oder sogar das nächste Kapitel der Story. Aber es dauerte eine Weile bis World-Building und das Versprechen einer immersiven Erfahrung zur Norm in digitalen Spielen wurde.
Brettspiele waren Computerspielen dahingehend immer schon einen halben Schritt voraus. Nicht aufgrund des World-Buildings (welches kaum existiert) oder der Immersion (welche selbst im bestmöglichsten Fall ein schwieriges Thema ist), sondern aufgrund ihres Potenzials ein intensives und vereinnahmendes Spielerlebnis zu bieten. Brettspiele bieten andere Spieler*innen an, mit denen man sich auseinander setzen kann, mit denen man gemeinsam den Magischen Zirkel schaffen kann und mit denen man die Fiktionen und Fantasien ausloten kann, welche durch unsere Spiele gestützt werden. Wir haben Regeln, welche unsere Beziehungen zu einander neu ausrichten und es erlauben uns miteinander zu messen. Brettspiele bieten uns schon immer mehr als nur das was auf dem Tisch zu sehen ist.
Das Konzept und die Regeln in Dorfromantik – Das Brettspiel hingegen, scheinen lediglich die Punktejagd zur nächsten Errungenschaft zu bieten. Damit bewegt sich Dorfromantik – Das Brettspiel auf einem ähnlichen Niveau wie ein typisches Flip’n’Write-Spiel. Ein Vertreter dieses Genres davon war sogar der Hauptkonkurrent um die Spiel des Jahres Auszeichnung dieses Jahr. Aber alles das ignoriert doch die Eigenschaft, die am Interessantesten sind, wenn man Dorfromantik – Das Brettspiel tatsächlich spielt. Eine Eigenschaft, welche die meisten Vielspieler*innen nur zu gerne bei Seite schieben, wenn man einen Blick auf die empfohlene Spieler*innenanzahl auf BGG wirft.
Dorfromantik – Das Brettspiel entfaltet seine ganze Wirkung eigentlich erst, wenn man es mit mehreren Menschen spielt. Das tut es, weil wir uns mit einander auseinandersetzen müssen. Wir koordinieren und kooperieren und trainieren so unsere sozialen Kompetenzen. Ähnliche wie wir bei anspruchsvollen Strategiespielen uns darin üben Karteneffekte schnell zu lernen, Wahrscheinlichkeiten auf einem Blick einzuschätzen oder aus der Situation heraus einen Plan entwerfen, wie man das nächste Zwischenziel erreicht, während man auf das Ende des Spiels zusteuert. Dorfromantik – Das Brettspiel verlangt von uns – wie auch das erste Pandemic-Spiel – den gemeinsamen Nenner mit anderen Menschen zu suchen, die zwar das gleiche wollen, aber eine andere Perspektive haben. Das gelingt mit einer Aufgabe die wenig Konfliktfläche bietet und in ihrer Größe durchaus überschaubar ist. Es ist eine Aufgaben zu der vernünftige Menschen unterschiedlicher Meinung sein können, aber das Gespräch darüber kaum eskalieren werden, nur um ihren Willen durchzusetzen. Es ist Spielen mit der Intensität, die sonst der Entscheidung vorbehalten ist, was es zum Abendessen geben wird.
Bedenkt man dabei, dass Dorfromantik – Das Brettspiel die Spiel des Jahres Auszeichnung 2023 erhalten hat, gibt das einen interessanten Impuls was das gängige Verständnis von Brettspielen ausmacht. Auch wenn Dorfromantik – Das Brettspiel die Spieler*innen vor eine Aufgabe stellt, endet eine Partie nicht damit, dass man zwischen Sieg und Niederlage unterscheidet. Selbst wenn man jede Partie mit wenigen Punkten abschließt, wird man mit der Zeit neue Aufgaben und neue Punktemarker freischalten. Dorfromantik – Das Brettspiel ist nicht vom Gedanken besessen seine Spieler*innen in Richtung Exzellenz zu drängen, oder jene zu „bestrafen“, die unter eine willkürliche Grenze der Kompetenz fallen. Es geht allein darum eine schöne Zeit mit Freunden oder Familie zu verbringen. Es bietet einem eine interessante und gewissermaßen angenehme Beschäftigung, bei der man die Köpfe zusammenstecken kann.
Von manchen wurde Dorfromantik – Das Brettspiel als „gute Laune“-Spiel umschrieben und das liegt vor allem daran, dass man nicht „gut genug“ spielen muss, um Spaß daran zu haben. Man ringt nicht um einen Punkterekord, es sei denn man entscheidet sich dafür es zu tun. Man muss nicht so schnell wie möglich alle Optionen freischalten, es sei denn man möchte das gerne so. Dorfromantik – Das Brettspiel übt überhaupt sehr wenig Druck aus, außer dem, den wir uns selbst machen. Das beunruhigt manche und wird von anderen beinahe als Affront verstanden, die Dorfromantik – Das Brettspiel als eintönig, sinnlos und „eigentlich ein Solospiel“ bezeichnen.
In Wirklichkeit jedoch, ist die Erfahrung Dorfromantik – Das Brettspiel zu spielen eine direkte Antwort darauf wie wir individuell konditioniert wurden Spiele zu sehen. Wenn wir sie als Grund verstehen um Spannung und Leistungsdruck zu erleben; eine Chance sich Wissen anzueignen und im Anschluss praktisch anzuwenden, liefert uns Dorfromantik – Das Brettspiel bestenfalls Lippenbekenntnisse. Sicher, man lernt besser zu werden – es gibt sogar hilfreiche Strategietipps in den Schachteln, die wir mit der Zeit öffnen dürfen. Aber der Kern des Spiels ist so einfach, dass die Gewissheit ein Experte geworden zu sein, sich nicht wie eine so beeindruckende Errungenschaft anfühlt, wie etwa in Brass Birmingham. Falls solche Momente des Kompetenzbeweises doch auftreten, dann bleiben sie nicht lange in Erinnerung. Was jedoch bleibt, ist das Gefühl eine Aufgabe beendet zu haben. Eben weil man zusammen gearbeitet hat, Meinungsunterschiede überwunden und schrittweise die neuen Aufgaben gelöst hat, die Dorfromantik – Das Brettspiel uns im Laufe der Partien bietet.
Auch wenn das Spiel von einer simplen Feedback-Schlaufe angetrieben ist, in der wir Plättchen legen, um (mehr) Punkte zu machen; so gewinnt das Spielerlebnis an Tiefe, weil man immer wieder Möglichkeiten miteinander bespricht und eine gemeinsame Einigung sucht, bevor man das nächste Plättchen zieht.
Wir erfreuen uns an den Herausforderungen, die uns Spiele bieten, weil sie – vorausgesetzt, dass wir halbwegs erfolgreich sind – eine Art der Selbstbestätigung bieten: Ich kann etwas gut. Ich löse Probleme. Ich kann mich verbessern. Darum fühlt sich ein Sieg gut an, selbst wenn es uns eigentlich egal ist gegen wen wir gewonnen haben. Mit Dorfromantik – Das Brettspiel wird aus dem einsamen „ich“ ganz leicht ein „wir“. Das ist vielleicht die reizvollste und ansprechendste Erfahrung, die man aus Dorfromantik – Das Brettspiel ziehen kann:
Wir können das schaffen.
Gemeinsam.
- Ein paar Worte auf dem Weg - 29. September 2024
- „Wie spielt man das eigentlich?“ - 1. September 2024
- Das Wichtigste an Spielen - 1. Juli 2024