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Verlagsvorstellung Fractal Juegos

Ich gebe zu, dass Südamerika im Moment noch ein ziemlich blinder Fleck auf meiner Brettspiellandkarte ist – Abgesehen von Hilko Drudes regelmäßigen Artikeln über die Spiele aus der Region, weiß ich sehr wenig über die Region. Der Chilenische Verlag Fractal Juegos hat nun ein paar sehr schicke Bilder bei Boardgamegeek eingestellt, insofern habe ich die Chance genutzt, mal wieder ein Interview zu führen!
Bitte stelle Dich und Deinen Verlag kurz vor!
Ich bin Simón Weinstein, Chilene und habe 4 Jahre lang Sozologie studiert. Ich arbeite für den Chilenischen Brettspielverlag Fractal Juegos. Fractal als Verlag versucht die Einstiegshürde für das Brettspielhobby in Chile und Südamerika zu senken. Dazu konzentrieren wir uns auf den Vertrieb von ausländischen Spielen, die normalerweise hier nicht verfügbar sind, zu niedrigen Preisen. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf Familien- und Partyspielen. Unsere Spiele vertreiben wir in Chile, Argentinien und Peru. Letztes Jahr haben wir unsere ersten beiden Eigenentwicklungen produziert ((Corruptia und Tough Calls). Dieses Jahr planen wir 5 weitere eigene Spiele zu veröffentlichen und wir hoffen unser Sortiment in Zukunft immer weiter zu erweitern.
Bitte erzähle mehr über Euer Spiel, Tough Calls!
Tough Calls ist ein narratives Debattenspiel von Margarita Pino unf Diego Burgos. Die Idee ist, dass wir in einer dystopischen Zukunft leben, in der nur eine Handvoll Menschen überlebt haben und die Spieler sind die potentiellen Anführer dieser Gruppe. Das Spiel bietet dabei verschiedene Szenarios an, von einer Alieninvasion bis hin zu einem Bunker, in dem die Menschen abwarten, dass die Radioaktivität außerhalb nachlässt. Jede Runde müssen die Spieler Fragen beantworten, die ihre Führungsqualitäten herausfordern, etwa „Was passiert wenn jemand ein Verbrechen in unserer Kolonie begeht?“ oder „Wie organisieren wir uns im Angesicht einer konkreten Bedrohung?“ Am Ende jeder Runde stimmen alle für ihre Lieblingsantwort ab (niemand darf für sich selbst stimmen), um den neuen Anführer zu bestimmen. Wir beschreiben das Spielgefühl gerne als eine Mischung aus Brettspiel, politische Debatte und Rollenspiel. Ein wichtiger Punkt ist, dass die gegebenen Antworten direkt das Szenario beeinflussen und zu „Wahrheiten“ werden. Beschreibe ich die Aliens zum Beispiel als „Drei Meter groß mit panischer Angst vor „, so sind die Aliens in diesem Szenario tatsächlich 3 Meter groß und leiden unter einer Schafsphobie. Es ist  nicht sehr kompetetiv und die Fans dieses Spieles lieben das Rollenspiel und geben gerne bizarre Antworten, die nicht unbedingt mit ihrer wirklichen Meinung übereinstimmen.
Was habt ihr für die Zukunft geplant?
Für Tough Calls suchen wir nach ausländischen Partnern, die das Spiel für ihr Land lokalisieren wollen. Wir überlegen auch, ob wir eine erweiterte zweite Auflage und Erweiterungen für Tough Calls produzieren wollen. Außerdem arbeiten wir an einigen Eigenentwicklungen – In ein paar Monaten sollen Tori-tori und Dogs Alone erscheinen, zwei Spiele von Chilenischen Autoren, von denen wir hoffen, dass sie gut ankommen
[Anm.d.Ü.: Gerade Tori-Tori sieht ja mal super aus – Mag den Graphikstil total :-) ]
Kann man Eure Spiele auch in Deutschland beziehen?

Wir würden unsere Spiele gerne in Europa vertreiben und hoffen deshalb auf lokale Vetriebe. Tatsächlich drucken wir unsere Spiele immer in einer kleinen Auflage auch in englisch, um sie potentiellen Verlagen und den Medien anbieten zu können. Da es so wenig sind, können wir die aber nur schwerlich verkaufen. Außerdem ist das Porto zwischen den Kontinenten so teuer, dass wir die Spiele Freunden und Verwandten mitgeben, die Europa besuchen.

Kannst Du uns ein bisschen über die Brettspielszene in Chile erzählen?

In den letzten zehn Jahren ist die Szene stark gewachsen. In Chile haben wir zwei große Vetriebe (Devir und Asmodee), welche die meisten in Europa bekannten Spiele hier vetreiben (allerdings mit zeitlicher Verzögerung und höherem Preis). Außerdem haben wir eine stetig wachsende Szene aus Brettspielautoren. Es kam in den letzten Jahren immer häufiger vor, dass enthustiastische Autoren entscheiden, ihre eigenen Spiele zu veräffentlichen und so Autor, Entwickler und Vetrieb in einem sind. Es gibt Ludichile, eine Verinigung von Verlagen mit sehr kleinen und mittleren Verlagen [ähnlich wie Spiel direkt in Deutschland, Anm. d. Ü] Auch neue Läden und Brettspielmedien schießen aus den Boden. Vor der Pandemie konnte man jede Woche an irgendwelchen Aktivitäten teilnehmen, wie Turnieren, Demospuelen, Testrunden usw. Was die Spiele betrifft, die hier beliebt sind: Es gibt die Hardcorespieler, die seit mehr als fünf Jahren dabei sind und nur die härtesten Euros mögen. Aber die Mehrheit bevorzugt leichtere Kost und Partsyspiele. Dixit und Catan (natürlcih hehe) sind die bekanntesten Vertreter, aber dicht gefolgt von The Mind, LLAMA, 6 Nimmt, Dobble usw.
Sollte die Corona-Situation es zulassen, würdet ihr nach Essen kommen?
Tatsächlich waren wir bereits dreimal in Essen – Fractal hat nach interessanten Spielen gesucht, die wir nach Chile holen wollen. Außerdem haben 3 Mitarbeiter von Fractal unsere letzten Spiele internationalen Verlagen gezeigt. Ich selbst war leider nicht dabei, aber diejenigen, die dabei waren, fanden es sehr lehrreich. Wir müssen noch viel lernen!
Vielen Dank für das Interview!
Leider konnte ich die Spiele bislang nicht selbst ausprobieren, aber bei Hilko gibt es eine kurze Beschreibung.
Peer Sylvester
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