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Über den Tellerrand: Die Spiele der Zukunft

Im Moment läuft gerade Picard, die neue Star Trek-Serie. Als Trekkie Ausrede genug, mal ein paar Worte über Spiele im Star Trek Universum zu verlieren.

Generell gab es gerade bei Twitter die (nicht ganz ernst gemeinte) Frage, warum im Zeiten des Holodecks überhaupt Brett- oder Kartenspiele gespielt werden sollten. Immerhin bieten die wortwörtlich ja jedes Abenteuer mit hohem Realismusgrad an. Und sicherlich: Das Holodeck ist eine tolle Möglichkeit der Freizeitgestaltung. Aber genauso wie Computerspiele Brettspiele nicht überflüssig gemacht haben, werden auch Holodecks Brettspiele nicht überflüssig machen – Zum einen hat nicht jeder einen Zugang zum Holodeck, zum anderen will man nicht immer gleich physisch unterwegs sein. Die soziale Komponente oder auch der reine Wettstreit wird auch in Zukunft bei Brett- oder Kartenspielen stattfinden. Das ist keine haltlose These, sondern basiert auf der Entwicklung des Computer- und Brettspielmarktes in den letzten 40 Jahren.

Jetzt wo das grundsätzliche geklärt wurde, hier ein paar Gedanken über eine Auswahl an konkreten Spielen aus Star Trek:

Dreidimensionales Schach: Wenn es so etwas wie ein „ikonisches Strartrek-Spiel“ gibt, dann ist es natürlich das dreidimensionale Schach. Das ist nicht weiter verwunderlich, wurde es doch entwickelt, um möglichst futuristisch auszusehen. Das gelingt dadurch, dass es natürlich an etwas bekanntem anlehnt, aber durch das dreidimensionale besonders intelligent wirken sollte. Regeln sind innerhalb der Serie nicht konsistent, die mittlerweile kommerziell verfügbaren Faksimilies kamen mit Regeln daher, die irgendwie plausibel sind. Es ist nicht weder besser noch tiefer (nur unübersichtlicher) als Schach und wohl auch nicht ausgeglichen. Wie gesagt ist das Spiel ein Prop, aber es basiert auf der Fehleinschätzung, dass kompliziert auch gleich Spieltiefe ist. Die Macher hätten gut daran getan andere, existierende Schachvarianten zu nehmen, die z.T. tatsächlich mehr Spieltiefe bieten – Denn prinzipiell ist die Idee, dass man auch in Hunderten von Jahren noch Schach spielt, ja nicht falsch. Da aber jetzt schon Schach immer häufiger auf ein Unentschieden hinausläuft – insbesondere ohne Zeitlimit – und die Gefahr durch Superdenker wie Vulkanier sicherlich eher größer werden dürfen, ist es wahrscheinlich, dass Schach einen Wandel durchmachen wird. Es wäre auch nicht das erste Mal – das Indische Original hat sich in verschiedene Richtungen entwickelt neben dem modernen Schach entstammt auch das japanische Shogi oder das Chinesische Schach demselben Vorfahren. Im 15. Jahrhundert erst nahm das Schach die heutige Form an. Es folgten aber weitere Regelanpassungen, wie z.B. die Rochade. Es ist denkbar dass an einem fernen Punkt in der Zukunft das Schach erneut einen Sprung machen könnte – auch ins Dreidimensionale. Oder es fällt in Vergessenheit wie z.B. Rithmomachy. 

Kotra ist nur in einer einzigen Folge zu sehen: In der ausgezeichneten DS9-Folge Empok Nor. Es handelt sich um ein abstraktes Zweipersonenspiel und dient in der Folge vor allem als Allegorie des Zweikampfes zwischen O´Brian und Garak. Nog hat gegen Garak keine Chance, da Nog zu defensiv spielt. Trotz des Plastik-looks des Spieles wirkt Kotra als klassisches traditionelles Spiel absolut plausibel. Abstrakte Stellungsspiele gehören zu den ältesten Spielen überhaupt und es gibt keinen Grund, warum das auf Cadassia anders gewesen sein sollte. Auch dass die Spielweise offensiv sein muss ist nicht weiter bemerkenswert – viele unserer Spiele haben ähnliche Eigenschaften, etwa Fanorama oder Varianten des Soldatenspieles wie Alquerque, also Spiele bei denen man durch Überspringen des Gegners schlägt, sind oft offensiv geprägt. In unserer Kultur hat sich aus dieser Spielegruppe nur Dame einigermaßen behaupten können, aber die Spieleevolution kann auf Cardassia ja durchaus einen anderen Weg gegangen sein- und vielleicht etwas wie Dvonn entwickelt haben, dass dieselbe DNS hat, aber ein modernes, zeitloses Spiel ist.

Dabo: Spielegeschichte ist ein gutes Stichwort, denn Dabo ist ganz klar aus der Kultur der Ferengi entsprungen: Irgendwo zwischen Glücksspiel und Monopoly angesiedelt geht es hier um Geld. Die Spielegeschichte unserer Kultur hatte ebenfalls immer Überschneidungen mit Wett- und Glücksspielen: Da ist der Würfel der für sich alleine schon als Glücksspiel dienen kann; Die moderne Wahrscheinlichkeitsrechnung entstand aus der Frage heraus ob eine 6 mit einem Würfel wahrscheinlicher ist als ein Pasch in 24 Würfen – ein beliebtes Wettspiel in der Rennaissance. Kombiniert mit einem Spielbrett hat man ein simuliertes Rennen, auf das man Wetten kann, wenn gerade keine Pferde oder Hunde oder sowas verfügbar sind. Bei Dabo geht es ums Kaufen und Verkaufen, bedenkt man die Kultur der Ferengi keine Überraschung! Im Star Trek Universum ist Dabo vermutlich entstanden, um die Fluktation von Handelswaren zu simulieren. Wo wir Erdlinge Pferderennen oder Schlachten auf dem Spielbrett nachgestellt haben, haben die Ferengi Wirtschaftsprozesse im Blick gehabt – und auf die gewettet. Da Dabo sehr computerisiert daherkommt hat es vermutlich zahlreiche Umwandlungen mitgemacht (nicht zuletzt um Manipulationen zu erschweren). Auch das ist normal – Spiele wie Blackjack oder Roulette werden auch immer noch regelmäßig aktualisiert und mit modernerer Technik kamen neue Glücksspiele hinzu – etwa einarmige Banditen. Opportunisten wie die Ferengi werden das sichlich nicht groß anders gemacht haben. Oder anders machen werden. Oder so.

Pixmit: Das Spiel, dass diesen Artikel inspirierte ist das jüngste der hier vorgestellten Spiele, in dem Sinne, als dass es erst in der neuen Serie Picard auftrat. Dies ist ein romulanisches Legespiel mit dreieckigen Karten. In Picard wird es sowohl zum Wahrsagen benutzt, aber auch als Gesellschaftsspiel in der Kneipe gespielt. Auch das ist natürlich plausibel – Wahrsagen ist neben dem Glücksspiel die zweite Quelle vieler Spiele. Ja, es ist m.W. tatsächlich noch nicht sicher ob die ersten Würfel (bzw. deren Vorgänger aus Tierknochen) zuerst zum Orakeln oder zuerst zum Wetten verwendet worden sind (eventuell auch verschiedene Reihenfolgen in verschiedenen Teilen der Erde). Bei Pixmit stand bei den Serienschreibern offensichtlich unser Tarot Pate: Ursprünglich wurden die Karten zum Wahrsagen ausgelegt, aber sie wurden recht schnell dann auch zum Spielen genutzt. Eine parallele Entwicklung ist auch auf Romolus denkbar gewesen. Dass Pixmit ein Legespiel ist, ist ein netter Touch – auf der Erde war Domino (das älteste mir bekannte Legespiel) zwar deutlich später als andere Brettspiele (es kam etwa im 11. Jahrhundert auf), aber es gibt keinen Grund, warum eine andere Kultur auf einen anderen Planeten nicht Legespiele viel früher (oder nachhaltiger) entwickelt haben sollen. Legespiele sind recht natürlich; man ordnet etwas und durch die gemeinsame Auslage erschafft man auch ein gemeinsames Bild. Nicht ganz passend ist, dass Pixmit mit dreieckigen Karten gespielt wird. Es gab in den letzten 30 Jahren immer mal Versuche Spiele mit anderen Kartenformen auf den Markt zu bringen – vor allem Spiele mit runden Karten haben es den Spieleautoren anscheinend angetan – aber durchgesetzt hat es sich nie. Rechteckige Karten einer bestimmten Größe sind einfach die Form, die sich am besten halten lässt, wenn die Informationen auf den Karten noch gut erfassbar sein soll. Die Karten aus Pixmit sind dagegen ein Usability-Alptraum: Informationen auf allen drei Seiten kann man schon kaum erfassen, wenn man nur eine davon in der Hand hält, geschweige denn mehrere. Die Schauspieler in der Szene hatten schon sichtbare Schwierigkeiten, dass einigermaßen plausibel aussehen zu lassen. Es ist m.E. nach ziemlich ausgeschlossen, dass sich ein Spiel in dieser Form lange hält, ohne dass irgendwer auf die Idee kommt, die Karten dick genug zu machen, als dass sie auf dem Tisch stehen können – wie dreiecke Dominosteine eben (wie Triominos) . Ob das Spiel zu den Romulanern passt, sei dahingestellt. Romulaner werden immer als Super-Agenten dargestellt, das Spiel kommt aber anscheinend ohne große Deduktions- oder Verräterelemente aus. Von der Warte aus würde man eher Social Deduction Games erwarten. Aber vielleicht ist die gemeine Bevölkerung ja gar nicht so geheimnisvoll, wenn sie es nicht müssen. Pixmit als Einblick auf die wahre Seele des Romulaners? Das würde gut zu den Themen aus Star Trek passen.

Poker: Das aus meiner Sicht unrealistischste Spiel im Star Trek Universum ist Poker. Ich verstehe, warum es immer wieder eingesetzt wird – es erlaubt den Schauspielern miteinander zu reden, ohne dass alle nur so dasitzen. Es kann pointierte Enden erlauben (einer gewinnt einen Bluff oder verliert alles). Das Bluffen kann man als Metapher verwenden und es gibt den Szenen eine gewisse Spannung. Aus Sicht der SF sind die Pokerrunden aber unwahrscheinlich. Der offensichtliche Elefant ist, dass die Variante, die in Star Trek – The next Generation gespielt wird, schon heutzutage als veraltet gilt. 5-Draw-Poker ist schlicht uninteressant – zum einen weil die Chance auf ein interessantes Blatt viel zu niedrig ist, zum anderen weil man praktisch gar keine Hinweise auf die anderen Blätter hat. Das heutzutage präferierte Texas Hold em ist in beiden Belangen besser und hat deswegen einen Pokerboom ausgelöst…. der schon fast wieder vorbei ist, da die KIs mittlerweile gerade im Onlinebereich ein echtes Problem darstellen. Poker ist aber auch kulturhistorisch kaum das Spiel, dass ich wählen würde, wenn ich ein Spiel aussuchen müsste, das man noch in 300 Jahren spielt. Poker wird in erster Linie online gespielt. Außerdem spielt Poker eine gewisse Rolle für Turniere – aber in dem Bereich gibt es deutlich verbreitere Vertreter (Bingo oder Craps z.B.). Wenn es um traditionelle Spiele geht, die man „überall“ spielt, ist Poker außerhalb der USA nicht sehr weit vorne dabei. Welches Spiel wäre eine bessere Wahl gewesen? Nun, es muss ein traditionelles Spiel sein, mit klaren Regeln, das mit mehr als zwei Spielern funktioniert (also kein Backgammon) und bei dem es klar identifizierbares Spielmaterial gibt (also keine Werwölfe). Topkandidat wäre wohl Mah Jongg, dass im Asiatischen Raum eine enorme Verbreitung hat. Nachteil: Es müssen genau vier Spieler sein. Eine Alternative wäre Domino, dass vor allem im Lateinamerikanischen Raum eine hohe Beliebtheit hat. Hier gäbe es genügend Varianten, die sich auch szenisch gut umsetzen lassen würden. Muss es unbedingt ein Kartenspiel sei, dann würde ich zu Big Two raten – ein in Asien in zahlreichen Varianten gespieltes enorm populäres Spiel, bei dem es in erster Linie darum geht, seine Hand loszuwerden. Das in Spielerkreisen beliebte Tichu basiert auf diesem traditionellem Spiel. Auch hier sind sehr dramatische Spielverläufe möglich und auch wenn die Regeln vom Zuschauer nicht verstanden werden, erfasst man doch schnell, dass man seine Karten irgendwie loswerden muss und dass dabei Poker(sic)kombinationen eine Rolle spielen. Das Überleben von Big Two in den nächsten 300 Jahren ist angesichts der großen Popularität zumindest etwas wahrscheinlicher als bei Poker. Stichspiele, die Gruppe, an die man hierzulande am ehesten denkt, wenn man an Kartenspiele denkt, sind lokal zu unterschiedlich und von den Regeln zu schwer nachzuvollziehen, zumal die Dramatik ja in den gewonnenen Stichen liegt. Sehr ungeeignet für Star Trek, denke ich.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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