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Die Spiel ruft!

Ich sitze im ICE 640 in Richtung Bochum. Die Spiel ruft. Trotz des Chaos um mich herum, macht sich seit einigen Tagen eine Vorfreude in mir breit. Die Hallen öffnen sich in weniger als 24 Stunden für die spielende Öffentlichkeit und es werden wieder abertausende Begeisterte aus allen Ländern vor Ort sein.

Aber nicht nur Spieler kommen nach Essen, sondern auch Spielemacher. Vom langjährigen Profi bis zum ambitionierten Neuling. Kreative Designer, talentierte Zeichner, schwer arbeitende Redakteure und leidenschaftliche Verleger. Sie kommen nach Essen um ihre Arbeit zu präsentieren, sie zu machen und, ja, sie auch zu verkaufen. Sie sind nach Essen gekommen um neue Deals zu schmieden, alte Deals zu würdigen und sich umzuschauen was die Welt der Spiele dieses und die nächsten Jahre auffahren wird. Aber das ist nicht die Community.

Dieses Jahr kommen auch noch viel mehr Medienvertreter als zuvor nach Essen. Blogger, Vlogger, Podcaster und Social-Media Persönlichkeiten. Die großen bekannten Namen aus den USA, Deutschland, Asien, Australien und viel mehr sind natürlich vor Ort. (Spielbar hat mit Beeple in Halle 3 C-104 einen Stand. Lob bitte an mich, Kritik gleich weiter an Jürgen, Peer und Matthias.) Es wird atemlos berichtet und es werden professionelle Kontakte gepflegt. Rezensionspläne für die nächsten Wochen und Monate werden mal mehr oder weniger unverbindlich ausgemacht. Es werden Zusammenarbeiten geplant und gemeinsame Projekte in Angriff genommen. Auf exklusiven Presseveranstaltungen wird Begeisterung und Laune auf die Zukunft gemacht. Es wird beim Kaffee geschwatzt, gelacht und freundliche Worte gewechselt. Unentgeltliche Werbung braucht halt schon ein Mindestmaß an gegenseitiger Höflichkeit und netter Worte. Aber auch das ist nicht die Community.

Dieses Mal kehren viele Besucher zum wiederholten Mal nach Essen zurück. Es treffen sich Leute, die sich sonst nur selten oder gar nicht zu sehen oder zu hören bekommen. Es wird in den Gängen erfreute Wiedersehen geben, vielleicht sogar Umarmungen (je nach persönlichem Hygiene-Index). Es werden Erfahrungen ausgetauscht. Man erzählt sich vom letzten Jahr und von den tollen Erlebnissen, die man seit dem letzten Treffen hatte. Man lächelt und freut sich und fühlt sich wieder Teil einer großen und lebendigen Gemeinschaft in der Freundschaften über Jahre hinweg und Tausende Kilometer entfernt, unzertrennlich bleiben. Aber selbst das ist nicht die Community.

Aber Spielen ist doch so sozial? Es ist eine geselliges Hobby und bringt Menschen zusammen! Wenn unsere Kontakte mit der Spielindustrie uns nicht zum Teil des Hobbies machen, oder die Freundschaften, die sich aus unserer gemeinsamen Leidenschaft geschlossen haben… wann geht es denn dann los mit dieser Community? Warum machen wir denn das ganze? Was soll dieses ganze Gatekeeping?

Im Herzen der Internationalen Spieletage in Essen steht, wie Hashtag und Spitzname vermuten lässt, das Spiel. Es ist das Spiel, dass uns bannt und diese unwiderstehliche Sehnsucht in uns auslöst wieder mit Freunden zusammenzukommen und zu spielen. Es ist der einfache, schlichte Akt, dass sich 3-5 Leute (manchmal mehr und manchmal weniger) dazu entscheiden ihre oberflächlichen Unterschiede bei Seite zu legen und sich an einen Tisch zu setzen. Sie entscheiden sich gemeinsam und miteinander Zeit zu verbringen. Das ist das Pulsschlag der Community. Jede Spielrunde, die in den nächsten Tagen zusammenkommt und ein neues Spiel ausprobiert; jede Gruppe von Menschen, die gemeinsam lacht, intensiv grübelt oder auch gebannt dem Regelerklärer mit kreativer Aussprache lauscht… alles das ist ein weiterer Impuls, den dieses Hobby in die Welt schickt: wir sind gemeinsam hier. Wir ziehen alle an einem Strang. Die Trennungen, die man uns aufzwängen möchte, ob an Hautfarbe, Geschlecht, Selbstidentifikation oder Herkunft sind ein übler Trick. Sie sind Salz, das man uns in die Augen streuen will. Die Unterschiede verpuffen in dem Moment, in wir uns auf das Gemeinsame einlassen, das jedem Spiel zu Grunde liegt. Sie sind nur eine ferne, unangenehme Erinnerung an ein Umfeld, das sich lieber darüber streitet wer wo leben darf, arbeiten darf, Mensch sein darf. Das Spiel ist in diesen Jahren kein dekandeter Luxus, den man sich als Besserverdiener und mit zu viel Zeit gesegneter Hipster gönnt. Spiele sind eine Erinnerung daran, dass wir zusammen besser sind als alleine. Sie bestätigen uns darin, dass wir mit anderen Menschen zusammen mehr sind, mehr haben können und mehr erleben können.  

Der Community tritt man in dem Moment bei, in dem man das erste Mal spielt und mit jedem weiteren Mal in dem man das Spielmaterial auf dem Tisch ausbreitet, die Würfel in die Hand nimmt und sorgfältig die Karten betrachtet, die man vor sich hat. Spiel ist Community.

In diesem Sinne, willkommen am Spieltisch! Ich freu mich, dass du dabei bist!

Georgios Panagiotidis
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