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Wer ist Hugo?

Ich bin ein großer Freund der Demokratie. Als jemand der in einer nicht ganz so funktionable Demokratie gelebt hat (Thailand) und der dort Leute kennengelernt hat, die in Regiemen gelebt haben oder mittlerweile (wieder) leben (Iran, Myan Mar, China) weiß ich eine funktionierende Demokratie wie Deutschland mit allem was dazu gehört sehr zu schätzen.

Außer bei Preisverleihungen.

Zugegeben, der obere Absatz ist sehr hoch gehängt, für das folgende Sommerloch-Geschwafel, aber ich möchte mich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, ich wäre generell gegen Demokratie oder so. Anyway, Preisverleihungen…

Ich bin durchaus ein Fan der SF-Literatur und habe da durchaus ein Auge auf die entsprechenden Preise, vor allem auf den Nebula (wird durch eine Jury vergeben) und den Hugo (wird durch Punlikumsvoting entschieden, wobei sich das „Publikum“ hier ein Stimmrecht quasi erkauft). Dieses Jahr besteht die Gefahr, dass der Rad der Zeit-Zyklus den Titel bekommt, einfach weil die Fanbasis so enorm groß ist. Dabei ist es nicht so, dass ich es dem Zyklus nicht gönnen würde, aber die Gefahr ist, dass die Fanbasis die anderen Bücher nicht gelesen hat. Eine Gefahr, die der Autor selbst anspricht. Und nicht von ungefähr: Die letzten beiden Gewinner, Red Shirts und Among Others, haben beide in erster Linie gewonnen, weil sie SF-Bücher persflieren bzw. zitieren, sich also direkt an die Fans wenden. Auch tendieren die bekannteren Autoren zu gewinnen, schlicht weil sie mehr Leser -und damit Stimmen – haben (Und ja, ich bin immer noch sauer, dass Anathem gegen das Nicht-SF-Buch The Graveyard Book verloren hat…).

Genau dieselben Probleme kennen wir vom Deutschen Spielepreis: Spiele kleinerer Verlage oder auch nur unbekanntere Spiele, die es aus irgendwelchen Gründen (z.B. Essen verpasst) nicht in die Aufmerksamkeitsschiene der Vielspielerszene geschafft haben, haben keine Chance beim DSP. In den meisten Fällen der letzten Jahre konnte man die ersten drei Plätze ziemlich genau vorhersagen. Eine schöne Ehrung für die Geehrten, keine Frage. Aber eben auch ein klein wenig antiklimatisch und vor allem kaum Kaufempfehlung – denn die Zielgruppe kennt die Spiele per Definition ja.

Eine Jury auf der anderen Seite macht natürlich zwangsläufig Fehler, gerade weil sie sich -wieder per Definition – ja von einer kleinen Anzahl subjektiver Eindrücke leiten lässt. Und so bekommt man ein Chicago als Oscargewinner oder ein Torres als Spiel des Jahres (Ich liebe Torres, aber gewinnen müssen hätte Ohne Furcht und Adel ).

Was in der (Deutschen) Spieleszene fehlt ist m.E. eine sinnvolle Kombiation aus beiden. Eine Jury, die eine „Short-List“ festlegt und ein Publikum, dass darüber abstimmt. Wozu das gut sein soll? Mir schwebt ein Independend-Preis vor, ein Preis für Spiele von Kleinverlagen (wobei da die Frage ist, was ein „Kleinverlag“ ist) bzw. ein Spiel mit einer Auflage von max. 1000 Exemplaren (oder weniger). Eine Jury ist da notwendig, um das Angebot zu sichten. Die zweite Phase könnte eine Abstimmung sein. Auch da gäbe es drei Möglichkeiten: 1.) Alle dürfen abstimmen. Gefahr: Viele kennen nur 1 oder 2 Spiele. Möglichkeit 2) Es gibt -wie beim a la Carte  oder dem Oscar – keine komplette Publikumsabstimmung, sondern nur eine Abstimmung ausgewählter Spieler, allerdings einer hohen Zahl (z.B. 100). Nachteil: Es ist eben kein echter Abstimmungspreis. Außerdem muss jemand die Leute aussuchen und auch sicherstellen, dass genügend der „Auserwählten“ auch tatsächlich abstimmen. 3) Auch wenn ich vorher gelästert habe: Der „Hugo“ macht schon einiges richtig. Man bekommt mit dem Geld, dass man bezahlt nämlich auch Gegenleistungen, u.a. die Nominierten als ebooks (meist komplett, sonst als Auszüge). Das erhöht die Chance, dass die Bücher auch gelesen werden (zumindest die kurzen – das sprach dann z.B. gegen Anathem). Etwas ähnliches wäre vielleicht auch möglich: Man bezahlt einen Beitrag. Der erlaubt die Stimmabgabe (und erschwert Manipulationen) und gibt Rabatte auf die Spiele und schaltet Dinge wie z.B. Print-Versionen der Spiele (sofern vorhanden) oder ähnliches frei. Auch verschiedene Level á la Kickstarter wären denkbar: z.B. x€ für die „nackte“ Stimmabgabe, inkl. allen digitalen Inhalten, dann einen Level für Stimmabgabe und 1 der nominierten Spiele, dann für Stimmabgabe +2 Spiele etc.

Vorteil: Jeder Interessierte könnte mitmachen, die Zielgruppe wäre eingebunden und zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Abstimmenden die entsprechenden Spiele tatsächlich gespielt haben. Herauskommen würde ein Preis, der nicht nur ehrt, sondern (aufgrund der ursprünglichen Einschränkungen) Vielspieler tatsächlich auf gut, leicht zu übersehende Spiele aufmerksam macht.

Aber ich habe keine Ahnung, ob Interesse an so einem Preis überhaupt besteht und ob sich überhaupt genügend Leute finden würden, die einen solchen Preis unterstützen würden, wenn es ihn denn überhaupt gebe.

ciao

peer

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Ich bin auch seit Jahren eher skeptisch gegenüber diverse Preise. In meine Augen ist ein Spiel der seine Zielgruppe trifft ein gutes Spiel, egal wie groß die Zielgruppe. Das lässt sich aber nur schwer in Preise darstellen außer man erstellt für jede Zielgruppe ein Preis was wiederum die Preise verwässert. Man mag denken was man will über den Spiel des Jahres preis aber zumindest hat er ein sehr klare Aufgabe was die Entscheidung durchschaubarer macht.

    Johnny

  • Demokratie braucht Transparenz!

    Leider gibt es auf der Seite des Deutschen Spielepreises inzwischen keine Infos mehr zum Abstimmungsverfahren: http://www.deutscherspielepreis.de/abstimmung.html wie es sie noch 2012 gegeben hat: http://web.archive.org/web/20130322035048/http://www.deutscherspielepreis.de/p020.php4

    Gerade die Sache mit den Stimmbögen, die Spielekreise und Händler erhalten, war mir immer suspekt. Ein paar klärende Worte hierzu vermisse ich nach wie vor: https://www.spielbar.com/wordpress/2013/09/22/14507

    Was den ‚Kleinverlagspreis‘ betrifft, so frage ich mich, welchen Zweck er haben soll. Soll er kleine Auflagen in große verwandeln?

    Ein bekannter Preis ist ein – inhaltlich kleines – Signal an große Schichten: Das ist was Tolles! Was daran toll ist, warum dieses statt jenem Spiel ausgezeichnet wird, braucht eine ausführliche Erklärung. Dem ist für Spiel mit einer zahlenmäßigen kleinen Zielgruppe am besten mit guten Rezensionen gedient, die inhaltlich etwas rüber bringen. Die „Preiswürdigkeit“ lässt sich dann auch mehr mit der Zielgruppe begründen: Gut für jene Spieler, gut für diese Spieler, … oder eben persönlich: der Sylvester, der Portner, der Bruno, …

    Ich finde, allenfalls besondere Innovationen sollten besonders gewürdigt werden, aber eine Innovation ist noch kein Spiel.

  • Zumindest könnte er auf Spiele aufmerksam machen, die sonst durchs Raster fallen – und eventuell ja, eine höhere Auflage bekommen oder von einem größeren Verlag gemacht werden. Rezensionen gibt es schon sehr viele und auch da liest sich kaum einer mehr durch. Aber wie gesagt: Ob so ein Preis überhaupt Sinn macht, weiß ich nicht ;-)