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Der Streit um Worte

Auf Boardgamegeek geht gerade wieder eine Diskussion darüber um, ob Eurogames, wirklich noch Eurogames sind. Und das hat lustigerweise nichts damit zu tun, dass viele Euros mittlerweile aus Asien oder Amerika kommen.

Vielmehr geht es darum, dass die Euros – als sie noch German Games hießen – sich deshalb durchgesetzt haben, weil sie aus einfachen Regeln viel gemacht haben und sowohl einsteigerfreundlich als auch interaktiv waren. Heutzutage sind die Eurogames viel komplizierter, weniger interaktiv und nicht mehr einsteigerfreundlich. Oh, und „langweilig“, was schon eine Menge darüber aussagt, worum es in der Sache wirklich geht. Mittlerweile ist die Diskussion soweit, dass ein neuer Name für die alten Eurogames vorgeschlagen wurde („People First Games“) und jetzt abgesteckt wird, welche Spiele Euros und welche People First Games sind oder waren oder so und man darüber diskutiert, ob El Grande eigentlich ein Euro ist und ob Die Prinzen von Florenz wirklich das erste Spiel der neuen nicht-einsteigerfreundlichen Eurogames war und ob es jetzt dafür verdammt werden sollte oder als Pionier gelobt oder wasauchimmer.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch ein Fan der „einfache Regeln – große Wirkung“ – Schule wäre und zudem nur einen Bruchteil der echten Worker Placement – Spiele richtig toll fände. Aber darum geht es ja nicht. Ganz fundamental ist die Diskussion natürlich nur ein Aufhänger für etwas ganz anderes – zu offensichtlich der zu Grunde liegende Denkfehler, der da lautet: Der Begriff „Eurogames“ war niemals als Genrebezeichnung gedacht. Es ging schlicht um Spiele, wie sie damals in Europa vorherrschten, insbesondere im Vergleich zu den Spielen amerikanischer Machart (mit viel Thema, vielen „thematischen“ Regelverflechtungen, viel Gewürfel). Niemals schloß das „Genre“ Eurogames  irgendwelche Attribute wie „interaktiv“ oder „thematisch“ ein (Immerhin gelten auch Modern Art oder Take it easy als Euros). Jetzt nachträglich zu versuchen den Begriff zu definieren – und zwar möglichst so, dass er alle damaligen Spiele, die man mochte, mit einschließt und alle heutigen Spiele, die man nicht mag, nicht – ist sowohl unsinnig als auch unmöglich. Und einfach einen neuen Begriff zu prägen, der sich dann durchsetzen soll, ist nichts, was von Erfolg gekrönt sein dürfte (Wie viele Leute benutzen denn das Kunstwort „Sitt“? ).

Tatsächlich geht es schlicht darum, dass „früher alles besser war“, bzw. die Spiele mehr dem eigenen Spielegeschmack entsprachen. Das mag so sein. Aber die große Masse an anspruchsvollen Vielspielereuros (um mal meinen eigenen Begriff zu nutzen) zeigt, dass die meisten Vielspieler mit der Entwicklung zufrieden sind. Sonst gäbe es den Markt schlicht nicht. Von Argumenten der Art, dass deren Lieblingsspiele irgendwie objektiv schlechter sind, als die eigenen Lieblingsspiele halte ich nichts (und das ist z.B. die Argumentationskette des Lostreters dieser Diskussion, Michael Barnes) Zweitens erscheinen nach wie vor Spiele mit einfachen Regeln und großer Wirkung, nur eben prozentual weniger. Das liegt an Autoren, Verlagen, Markt, was weiß ich? Auf jeden Fall ist das keine unumkehrbare Entwicklung. Ein Streit um Worte hilft hier nicht weiter – was vermutlich auch der Grund ist, warum man sich hierzulande an der Diskussion nicht wirklich beteiligt.

ciao

peer

Peer Sylvester
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