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SdJ-Gerate

Ich beginne mal mit zwei Links: Zum einen habe ich das Buch „Family Games: The 100 best“ gelesen und bei Amazon rezensiert. Zum anderen empfehle ich jedem Englischkundigen die Seite Vending Spree zu lesen – so müssen Rezensionen geschrieben werden! (Achtung: Es geht dort nicht um Spiele. Umso erstaunlicher der Unterhaltungswert der Texte.)

Doch nun zum eigentlichen Thema. Nächstes Wochenende verzieht sich die Jury wieder in ihr dunkles Kämmerlein und denkt sich möglichst obskure Spiele für ihre „Nominierungsliste“ aus. Zur gleichen Zeit versuchen 15.000 Vielspieler wahlweise so zu tun als ginge sie das nichts an oder geben genauso obskure Schätzungen ab. Dieses Jahr will ich das System mal überlisten und gebe meine Schätzungen bereits eine Woche früher ab – Ätsch das habt ihr nun davon! So kann ich mich später darauf herausreden, dass die Jury mit Absicht andere Spiele nominiert hat, nur um mich zu ärgern!

Und dass ich falsch liege ist gar nicht so unwahrscheinlich. Lag ich letztes Jahr noch recht gut mit meinen Tipps, fehlt es dieses Jahr an klaren Kandidaten. In einem mittelprächtigen Familienspieljahrgang kann aber so ziemlich jedes mittelprächtige Spiel nominiert werden und ddadurch werden alle Vorhersagen zur reinen Kaffesatzleserei. Naja mal sehen.

Also mein Tipp für die 5 Nominierten sind:

Dixit: Wie immer wird auch dieses Jahr ein Spiel mit minimaler Komplexität nominiert werden. Dieses Jahr ist das vermutlich Dixit – schon aus Mangel an Alternativen. Dixit hat schon allein durch die Graphik einen hohen Aufforderungscharakter und die Regeln sind bestechend einfach, sorgen aber (mag man diese Art von Spiel) gerade bei der Juryzielgruppe für Spielspass. Als Partyspiel wird es dann kaum Chancen auf den Hauptpreis haben, aber eine Nominierung halte ich für durchaus wahrscheinlich. Es kann natürlich sein, dass es einen Sonderpreis bekommt (wie letztes Jahr GiftTrap) und von daher auf der Nominierungsliste fehlt.

Jäger & Sammler: Diese Nominierung halte ich für ziemlich gesetzt. In einem Jahrgang wie diesen kommt die Jury an einem sauber designten Familienspiel wie diesem nicht herum. Sicherlich ist es nicht das innovativste Spiel des Jahres und es fehlt der gewisse Bumms, aber es ist gut zugänglich, macht Familien- wie Vielspielern Spaß und das zählt. Ich rechne ihm sogar rudimentäre Chancen auf den Hauptpreis aus.

Atlantis: Mein erster absoluter Schuß ins Blaue. Ich persönlich finde Atlantis jetzt nicht so prickelnd. Zudem werden die taktischen Möglichkeiten eines Cartagena zwar erweitert, das geht aber auf Kosten der Einfachheit. Aber es kommt bei Kritikern im allgemeinen gut an und daher entscheide ich mich wieder meines Bauchgefühls für eine Nominierung.

Tobago: Das scheint sowas wie der Favorit der Buchmacher zu sein und ich verstehe warum: Ein neues Spielprinzip in einem wunderschön gestalteten Familienspiel? Was sonst könnte die Jury wollen? Tatsächlich wird sie es wohl nominieren. Den Hauptpreis sollte Zoch aber besser noch nicht einplanen, denn zum einen reagiert die Zielgruppe nicht einheitlich gut auf „Gezocke“ (Schatzverteilung), vor allem aber wird bei allem Tobago-Lob eines vergessen: Das Bestimmen des genauen Ortes ist nicht immer ganz einfach. Gerade bei vielen „Nicht-Karten“ muss man ziemlich aufpassen. Gut, wenn ein Hinweisklotz zu viel oder zu wenig auf dem Plan liegt, wird das Spiel dadurch nicht gestört (wenns keiner merkt zumindest), aber ich kann mir doch vorstellen, dass das vielen Familien zu anstrengend sein kann!

Tore der Welt: Deckt Dixit das untere Ende des möglichen Komplexitätsspektrum ab, so haben wir hier das obere. Tore der Welt ist regetechnisch sicherlich das äußerste, was die Jury zu gehen bereit ist. Aber dank clever aufgebautem Regelwerk wäre diese Nominierung durchaus denkbar. Immerhin wäre damit auch ein athmosphärisch dichtes Spiel nominiert, dass ebenso wie Tobago relativ neue Mechanismen zu bieten hat und zudem als ein Bindeglied zwischen Familien- und Vielspielerspielen dienen kann. An den Hauptpreis mag ich nicht so recht glauben (trotz guter Kritiken einiger Jurymitglieder), aber eine Nominierung wäre ein guter Fingerzeit, dass auch etwas komplexere Spiele nominierungstauglich sind.

Überraschend, aber möglich wären

Fresko: Auch wenn ichs persönlich nicht so überragend finde: Dank des Stufensystems und relativ eingängigem Rundenverlauf wäre eine Nominierung durchaus drin. Vermutlich statt Atlantis. Letzterem habe ich wegen seiner Einfachheit den Vorzug gegeben, aber die Jury kann das auch genau anders herum sehen. Oder sie denkt sich, dass das Tauschen von Würfeln gegen andere Würfel gegen Siegpunkte für Familien zu trocken-abstrakt ist, berücksichtigt dieses Spiel gar nicht und wettert den Ansturm wütender Vielspieler einfach ab.

Die Speicherstadt: Das Spiel ist einfach genug für eine Nominierung, aber es ist in erster Linie ein Versteigerungsspiel und als solches in der Regel nicht unbedingt Familientauglich. Überhaupt Nominierungschancen bestehen nur, weil die Versteigerung nicht sofort als solche zu erkennen ist. Dennoch muss der Wert zukünftiger Karten eingeschätzt werden und das ist immer so ne Sache. Außerdem fehlt mir hier persönlich auch das ganz große Spielerlebnis – aber das ist wohl wieder Geschmackssache.

Im Wandel der Zeiten – das Würfelspiel: Das hatte ich lange anstelle von Dixit auf der Nominierungsliste stehen. Es gefällt mir von den drei hier genannten „Auswechselspielern“ auch am besten. Und tatsächlich ist der Spielverlauf einfach und ein reines Würfelspiel war auch schon länger nicht mehr nominiert und die Jury liebt gelegentliches nominieren von anderen Spielen, schon damit die Verlage sich nicht zu sehr auf ein Format einschießen. Letztlich muss ich aber zugeben, dass die vielen Wertungs- und vor allem Ausbaumöglichkeiten vielleicht etwas zu regelintensiv für ein einfaches Würfelspiel sind. Zudem hab ich das unbestimmte Gefühl, es steht gar nicht auf dem Radar der meisten Jurymitglieder. Insofern rutscht das Würfelspiel wohl bestenfalls auf die Empfehlungsliste.

Soweit meine Beschränkungen. Natürlich hätte ich noch zahlreiche andere nennen können (Havannah, Don Quixotte…) aber wenn man alles nennt, ists ja kein Tipp mehr! Und die Jury hat ja dasselbe Problem: Was immer sie nennt, irgendwas fehlt immer. Genau das ist aber ja der Reiz der Übung…

Ich melde mich wieder, wenn die Jury ihre Entscheidung getroffen hat! (Wobei ich am 31. eine Fachbereichskonferenz habe und noch nicht weiss, wann ich zum kommentieren komme)

ciao

peer

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Hi Peer!

    Ich glaube, dass es die Jury in diesem Jahr sehr schwer haben wird. Es gibt kaum Innovatives. Viel sauber designtes, aber das darf man 2010 eigentlich grundsätzlich erwarten. Meiner Meinung nach drängen sich nur Tobago und Fresko wirklich auf. Alles andere ist beliebig austauschbar.
    Im Wandel der Zeiten Würfelspiel halte ich für weniger geeignet. Zu viel baut aufeinander auf und machen das Spiel hintenraus vielleicht zu komplex. Dann schon eher das Ra – Dicegame, aber das kam ja auf Rio Grande Games.

    OK, so long
    viele Grüße
    Bernd, dem das SDJ natürlich auch absolut wurscht is :-)