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Metagaming

Ich lese geraden einen Essay von Robert Foster Wallace über das Fernsehen, in dem er auch darüber spricht, dass selbstreferenzielle Folgen oder gar ganze Serien oft großen Erfolg haben. Damit sind Serien gemeint, bei dem es um das Fernsehen selbst (wie bei Mad TV) oder um deren Hauptcharaktere (wie in Seinfeld) geht. Ich erinnere mich auch an eine Scrubs-Folge, bei der es um Dr. House (als Fernsehcharackter wohlgemerkt) geht.  Solche Selbstbezüge sind bei Spielen noch sehr selten – sieht man von einigen graphischen Gags ab. Mir fallen nur vier Beispiele ein: Ein Tom Jolly Spiel bei der es um das Veröffentlichen von Prototypen geht (Name gerade entfallen), das seit Jahren angekündigte, aber nie erschienene Cleopatras Caboose, bei der die Spieler in die Rollen von Spieleautoren-Götter schlüpfen und deren Spezialfähigkeiten nutzen können (Details sind noch unbekannt, aber ich nehme an Knizia wird für eine Wertung zuständig sein), das Spielertatspiel Ludoviel und natürlich das just erschienene Boardgamegeek Gane, bei dem die Spieler Spiele kaufen und verkaufen.

Nicht das mich die geringe Anzahl an entsprechenden Spielen überraschen würde; die Zielgruppe ist nun einmal sehr eingeschränkt. Ich denke aber, dass die Anzahl der Selbstbezüge einen guten Maßstab für die Verbreitung eines Mediums darstellt: Es gibt tausende von Büchern, die andere Bücher zitieren oder gar darauf aufbauen, es gibt zahlreiche Serien und Filme, die andere Filme und Serien zitieren. Und es gibt eine Handvoll Spiele – werden es bald mehr sein?

Und noch ein Phänomen ist mir so richtig bewusst geworfen: Ich verbringe mehr Zeit mit dem Lesen über Spiele als mit Spielen selbst. Das ist auch etwas, was es vor dem Internet noch nicht gab und was die Spieleszene aktiv verändert – alleine BGG dürfte die Szene ganz massiv verändert haben. Das „Wie“ wäre mal ein interessantes Betätigunsgfeld für einen Spiele-Soziologen.

Bis es soweit ist, trage ich meinen Teil zu diesem Phänomen bei und liefere hier meine Ersteindrücke der Spiele, die ich seit der Messe gespielt habe (minus die Quizspiele, die demnächst im großen Quizspielvergleichstest kommen).

Fzzzt: „Blind Bidding goes Dominion“ könnte man dieses kleine Kartenspiel überschreiben. Die zu ersteigernden Karten unterscheiden sich im Versteigerungs-Wert und Einsatzmöglichkeiten. Dann sind noch ein paar Auftragskarten dabei, die ebenfalls ersteigert werden wollen und die bestimmte normale Karten erfordern, bei Spielende aber satt Punkte bringen. Der Spielverlauf ist simpel: Beliebig viele Karten bieten, gleichzeitig aufdecken, Höchstgebot gewinnt eine neue Karte für den eigenen Stapel. Schöne Dynamik, schnelles Spiel. Ich bin aber kein allzu großer Blind-Bidding-Freund. Außerdem ist es schwer einen Fehlstart aufzuholen: Schlechtere Karten bedeuten geringere Chancen sein Blatt zu verbessern. Oder: Wer gute Karten hat, bekommt gute Karten. Somit ist es nicht mehr als ein nettes Zwischendurchspiel. Aber auch nicht weniger.

The Island of Dr. Necreaux: Hier möchte ich demnächst eine Rezi verfassen (wenn ich die Zeit finde). Die Idee ist nett: Ein Kooperationsspiel in der Welt der schlechten 70er-Jahre-Filme. Sehr würfellastig, aber mit einem guten Mechanismus. Würde eine Partie 30 Minuten dauern, würde mir das Spiel echt gut gefallen. Leider dauert es (wenn man erfolgreich ist zumindest) gut doppelt so lange und das ist weit mehr als die Idee zu tragen vermag. Schade!

Beer & Pretzels: Oder:  „Bierdeckelzielwerfen“ . Damit ist schon fast alles gesagt: Erklärt und Gespielt in 5 Minuten. Macht  durchaus Spaß, aber ein Spiel bedarf es dafür eigentlich nicht. Schon gar keins für diesen Preis.

Die Werft: Sehr viele Mechanismen, die erst einmal verstanden werden müssen. Im eigentlichen Spiel ist dann aber alles sehr logisch und schlüssig. So wäre die Einstigeshürde gar nicht so hoch, wenn es nicht neben den zahlreichen Spezialaufträgen noch zahlreiche Sonderplättchen gäbe, die gelernt werden müssen. Vielspieler lassen sich von sowas nicht abschrecken und werden Spaß an der Werft haben. Mir hats auch sehr gefallen, denn es gehört zu den Spielen, wo man ständig das Gefühl hat, das falsche zu tun oder nicht genug oder nicht schnell genug oder… Die Entscheidungen fallen alle schwer und man agiert mit 10 Daumen an jeder Hand. Aber das geht allen so :-) Sehr schönes, vielschichtiges Spiel mit ein paar neuen Ideen (Insbesondere die Jungerfenfahrt als Wertungsmechanismus). Thematisch hätte es auch ein anderes Thema sein können, aber ungewöhnliche Themen mag ich ja. Daumen geht klar nach oben!

Alice in Wonderland – Parade: Ein sehr trickreiches Kartenspiel in der Tradition von 6 nimmt! oder Mow, aber taktischer als die eben genannten. Der Mechanismus ist schnell verstanden (wenn die Regel das nicht etwas verhindern würde), das Spiel hält aber ein paar gute Feinheiten bereit. Das Thema hat allerdings nix mit dem Spiel zu tun – dennoch würde ich es z.B. Kosmos für deren Kartenspielreihe wärmstens ans Herz legen. Für mich eines der besten Kartenspiele der letzten Jahre (so auf einem Level mit R-Eco).

Birds on a Wire: Ein Legespiel mit ein paar ungewöhnlichen Regeln. Gespielt habe ich entgegen meiner Gewohnheit nur die Fortgeschrittenen Version (die Familienversion soll recht langweilig sein, wurde mir mehrheitlich berichtet) und die leider nur einmal, weil dann der Besuch gehen musste. Das ist insofern schade, als dass Birds on a Wire definitiv zu den Spielen gehört, die man 2x hintereinander spielen muss. Bei der ersten Partie denkt man nämlich erst „Das ist alles?“ und bemerkt erst nach und nach die Möglichkeiten und Gemeinheiten. So muss man einen passenden Vogel anlegen, wenn man kann. Man kann dem Gegner Vögel zuschustern, wenn man auf dem neutralen Brett eine Reihe vervollständigt oder (mit einem Sonderplättchen) eine Reihe auf einem Spielerbrett leert. Der Gegner muss nehmen, was er kann. Das ist insofern schlecht, als dass nur die kleinsten Gruppen von passenden Vögeln am Ende zählt. Und wenn man eine der kleinsten Gruppen größer macht, fällt sie aus der Wertung raus – Gemein! Macht auf jeden Fall einen interessanten Eindruck!

Alcazar: Bislang habe ich nur die Alcazar-Variante probiert. Ein merkwürdiges Ding: Es sieht toll aus und macht mir auch Spaß, hinterlässt aber ein komisches Gefühl im Magen. Alcazar ist im Kern ein Knobelspiel: Wie bringe ich meine Leute möglichst effizient nach oben, möglichst ohne Karteneinsatz? Der Aspekt macht Spaß (zumindest wenn man solche Knobelaufgaben mag). Aber es sind eine Menge Regeln, die wohl noch von der Big-Boss-Zeit übrig geblieben sind und die kaum einen Einfluss auf den Spielverlauf haben – Viele Regeln mit wenig Effekt also. Das verwirrt, denn man denkt, man bekommt einen Aspekt gar nicht mit. Und es stört mein ästhetisches Empfinden, denn es wirkt inneffizient. Aber andererseits gefielen mir den letzten Partien immer besser. Ich denke es kein absolutes Toppspiel, halte es aber für interessant genug, um sich weiter und näher damit zu beschäftigen.

Triumvirat: Ich habs bekommen, weil der Autor den Wertungsmechanismus aus König von Siam für dieses Spiel übernommen hat und mir so für die Inspiration danken wollte. Darüber bin ich sehr froh, denn dieses 2-Personenspiel ist echt klasse! Es ist eine Art Stichspiel, nur dass die Stiche nicht dem Punkte bringen, der sie macht, sondern der Farbe (derer gibt es drei), in der sie gemacht wurden. Die Farbe, die als erstes drei Stiche macht, gewinnt die Runde. Gewinnt eine Farbe drei Runden, gewinnt sie den „Satz“ und bringt dem Spieler den Sieg, der zuvor die meisten Punkte in der Farbe beiseite gelegt hat. Beiseite legen darf man pro Satz drei Karten und zwar Handkarten, die verdeckt bleiben (Das ist der Teil aus König von Siam, der aber eigentlich kaum noch was mit KvS gemein hat). Der andere weiß also nicht, welche Karten der andere gesetzt hat und die fehlenden Karten schwächen die entsprechende Karte. Das ist interessant und sorgt für subtiles Spiel. Aber da ist noch mehr innovatives: So behält man ungespielte Karten auf der Hand – da eine Entscheidung theoretisch nach drei Karten gefällt sein kann (wenn die ersten drei Stiche in derselben Farbe gemacht werden) können das recht viele sein – und füllt diese nur mit neuen Karten auf. So kann man Karten einerseits bewusst zurückgalten (damit der Gegner die nicht bekommen kann) und muss andererseits aufpassen, dass man nicht auf Karten in einer Farbe sitzen bleibt, die man gar nicht spielen will… Das Spiel ist nicht nur ein hervorragendes 2-Personen-Stichspiel (was ja sowieso schon selten genug ist) sondern auch sehr innovativ mit vielen Aha!-Erlebnissen. Für mich eines der Highlights in diesem Jahr!

Eine gegen Eine: Das berühmte Spiel ohne Regeln! Das wichtigste: Ja, es funktioniert! Und es ist durchaus witzig mal so eine spielerische „Wundertüte“ zu spielen, bei der man vorher noch gar nicht weiß, um was es sich handelt (man erarveitet sich die Regeln während des Spieles, und öffnet das Spiel auch erst vor der ersten Partie,daher wiß man wirklich nicht, was einen erwartet). Spielerisch liegt Eine gegen Eine allerdings so auf mittlerem „Edition Spielbox“-Niveau: Nicht schlecht, aber spielen muss ichs nicht unbedingt nochmal. Die erste Partie ist was zählt und die Leistung der Autoren neue Ansätze für einsteigerfreundliche Regeln gefunden zu haben!

Ach ja, der Quizspielvergleichstest verzögert sich wohl um 1-2 Wochen, da ich kurz nach der Deadline noch 2 Rezi-Quizspiele bekommen habe, die ich noch einbauen möchte. Und letzten Donnerstag erschien kein Interview, da ich die Ankündigung der Spieleumfrage nicht nach hinten schieben wollte – am kommenden Donnerstag erscheint dafür eines. Der Beriucht über Taiwan verschiebt sich aufgrund meiner momentanen Klausurbelastung.. Ja, „Pünktlich wie die Bahn“ ist unser Motto (und wer die Berliner S-Bahn kennt, weiß, dass wir es auch mit der Umsetzung sehr genau nehmen!)

ciao

peer

Peer Sylvester
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