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Wir spielen zusammen, nicht allein

Letztes Jahr war das Jahr in dem die Spieleautoren die Würfel wiederentdeckten und auf neue und interessante Weise in ihren Spielen einsetzten. Es ist gut möglich, dass dieses Jahr die Renaissance des kooperativen Spieles beginnt.
Was war:
Anfang der 80er Jahre gab es die Kinderspielfirma „Herder“, die durch ihr „gemeinsam gewinnen“-Konzept berühmt wurde. All ihre Kinderspiele waren kooperative Spiele. Die Qualität der Spiele war gut und eine ganze Reihe (Feuerwehr, Sauerbaum, Bärenspiel, Corsaro, Tabihjana z.B.) schafften es auf die Auswahlliste des Spiel des Jahres. Die Idee war damals natürlich: Wenn die Kinder zusammenspielen, lernen sie Kooperation und keiner weint am Ende, weil er verloren hat. Allerdings schwang dann doch bei den meisten Spielen etwas der pädagogische Zeigefinger mit und sicherlich trugen sie ihr Scherflein bei, dass Kooperative Spiele lange Zeit als Kinderspiel verschrien waren. (Nebenbei: Die Spiele waren immerhin so bekannt, dass einer meiner Mitspieler immer meinte „Das ist doch nicht die Herder-Variante“, wenn die Mitspieler zu viele Tipps gaben). In die neue Zeit schaffte Herder es allerdings nicht – vor 12 Jahren erschien das letzte Herder-Spiel.

Während der Herder-Zeit erschien 1984 ein anderes bekanntes kooperatives Spiel und das war durchaus für ältere Spieler gedacht: Ökolopoly. Der pädagogische Zeigefinger war hier besonders deutlich, aber nicht so deutlich wie die Erkenntnis, dass kooperative Spiele ein Zufallsmoment benötigen – Ökolopoly hatte das Problem, dass es gelöst werden konnte und dann spielerisch nichts mehr bot.

Alles änderte sich dann 2000 als Reiner Knizias Herr der Ringe erschien. Das war zum ersten Mal ein kooperatives Spiel dass eben ohne diesen pädagogischen Zeigefinger auskam und sich nicht primär an Kinder richtete, sondern an Spieler. Das Spielsystem war gut, da es trotz Zufalls- und Glücksfaktoren „gutes“ und „schlechtes“ Spiel gab, man das Spielen also erlernen konnte – und da der Schwierigkeitsgrad einstellbar war auch langfristig Herausforderungen bot (Zumal dann später noch Erweiterungen dazu kamen, von denen zumindest die erste – Die Feinde – sehr empfehlenswert ist). Als geschichtliche Randnotiz sei noch bemerkt, dass es damals eine ganze Menge Stimmen gab, die der Ansicht waren, man könnte Herr der Ringe nicht als Spiel bezeichnen, so ungewohnt war das Spielprinzip (sicherlich ein Meilenstein der Spieleentwicklungsgeschichte, unabhängig davon, was man von dem Spiel jetzt konkret hält).

Nach Knizia gab es aber eine weitere Pause – sieht man von Exoten wie Vanished Planet (nur in den USA erschienen und auch dort nicht leicht zu bekommen), den Hybriden wie Terra (alle können verlieren aber nur einer kann gewinnen) und den Erweiterungen von Herr der Ringe ab.

Was ist:

Dann erschien Schatten über Camelot (übrigens erhielt das wie auch Herr der Ringe einen Sonderpreis der Jury) und mit ihm wurde ein neues Konzept in das kooperative Genre eingeführt: Der Verräter. Nun spielen zwar alle miteiaander, aber einer eben doch nur scheinbar. Das ist nicht nur innovativ sondern wird in der Zukunft sicherlich noch für interessante Spiele sorgen.

Und dann kam Pandemic. Pandemic erschien in den USA, wurde hochgelobt, war ausverkauft und und nicht zuletzt dadurch entwickelte sich ein Hype. Weiter unten werde ich meinen Eindruck von dem Spiel kundtun. Jedenfals zeigte Pandemic das ein Markt für kooperative Vielspieler-Spiele existiert.

Was sein wird:

Pandemic ist aber wohl nur die Vorhut: Mindestens zwei kooperative Spiele erscheinen bereits zu Essen: Red November von Bruno Faidutti und Jef Gontier  (Fantasy Flight Games) und Ghost Stories von Antoine Bauza (Repos Productions). In Red November befinden sich die Spieler in einem sinkenden U-Boot und müssen überleben bis Hilfe eintrifft. Das ganze ist natürlich von der Kursk inspiriert aber graphisch eher Fantasy-mässig angehaucht. Faidutti-typisch wird es wohl chaotischer und zufälliger als bei Pandemic zugehen – eine Art „Spaß-kooperatives Spiel“ also.

Bei den Ghost Stories geht es um das Austreiben von Geistern (mit tollen Graphiken übrigens – ich durfte mir einige angucken). Das geschicht durchaus anspruchsvoll (Eric Martin bezeichnete es als das Vielspieler-Pandemic). Insgesamt 8 Spielefähigkeiten (von denen maximal 4 im Spiel sind), 10 „Inkarnationen“ und 3 Schwierigkeitsgrade sollen für Variabilität sorgen ohne das Glücksmoment zu groß werden zu lassen. (*)

Doch jetzt wo die kooperativen Spiele losgelassen worden sind, erwarte ich noch weitere Vertreter dieses Genres. Viele Themen bieten sich geradezu an, kooperativ behandelt zu werden (Ich denke z.B. an Oderbruchszenarien). Die Herausforderung an den Spieleautoren ist hier nicht nur die Balance des Schwierigkeitsgrades sondern vor allem für einen angemessenen Zufallsfaktor zu sorgen (so dass das Spiel nicht lösbar wird – Ökolopoly lässt grüßen), ohne dass das Spiel zum Glücksspiel mutiert.

Aber neben den rein kooperativen Spielen sind noch eine Menge Hybride denkbar: Der Camelot-Verräter wurde bereits angesprochen und auch hier sind viele schöne Szenarien denkbar. Was es fast noch gar nicht gibt (mir fallen nur Die Abtei der wandernen Bücher und Estimated Time of Invasion ein) ist ein Szenario wo zwar alle gegen einen spielen, es aber einen eindeutigen Gewinner gibt (so dass die Spieler untereinander Konkurrenten sind). Diese Möglichkeit wird über kurz oder lang die „Alle verlieren oder einer gewinnt“-Spiele á la Terra ablösen, die immer das Problem haben, dass ein Spieler alle verlieren lässt, wenn er keine Gewinnchancen mehr sieht. Dabei bietet E.T.I. noch den zusätzlichen Kniff, dass der einzelne Gewinner auch noch geheim ist – also eine Verknüpfung zwischen Camelot und Einer gegen alle. Hier ist noch ne Menge Platz für Innovation und ich wäre überrascht, wenn die Spieleautoren den nicht nutzen würden.

Pandemic: Und wie versprochen mein Eindruck von Pandemic, dem ersten von vielen (?) kooperativen Spielen in diesem Jahr…

Pandemic ist für 2-4 Personen (nicht für fünf!) gedacht, die versuchen eine Pandemie auf der Welt zu verhindern. Vier Krankheiten grassieren auf der Erde und die Spieler gewinnen nur, wenn sie rechtzeitig eine Heilungsmethode für alle vier Krankheiten finden. Regelmäßig (nach jedem Spielerzug) werden mehr Menschen infiziert, wird eine bestimmte Menge in einer Stadt krank, kommt es zu einem Ausbruch, bei dem die Krankheit in weitere Städte getragen wird (und das Spielende beschleunigt wird). Die Spieler können jetzt kranke heilen (und tun das auch hauptsächlich), müssen sich aber vor allem so koordinieren, dass sie genügend Karten einer Farbe sammeln, um damit die entsprechende Krankheit zu heilen.

Der Schwierigkeitsgrad ist recht hoch, zumindest in Vollbesetzung. Weniger Spieler bedeuten zwar weniger Sonderoptionen (jeder Spieler hat seine eigene Fähigkeit), aber eben auch weniger Hände unter denen sich die Karten aufteilen können und weniger Schwierigkeiten bei der Koordination. Wer also zu viert immer verliert, sollte mal zu dritt spielen. Knapp wird es aber immer ausgehen. Ich bin mir aber noch nicht sicher, wie stark die Spieler das Spielgeschehen jetzt tatsächlich beeinflussen können – sie können sicherlich schlecht spielen, aber können sie auch gut spielen? Um die Frage zu beantworten bedarf es noch einiger Partien.

Mein Fazit: Im Spielboxforum schrieb einer „Mir gefällt das Spiel gut, aber der Hype ist übertrieben“ und trifft damit genau meine Meinung. Pandemic ist ein schönes und vor allem „frisches“ Spiel mit viel Athmosphäre. Der Übehammer ist es aber nicht und zumindest ein größeres Stück seiner Popularität dürfte sich darauf gründen, dass es lange nicht zu bekommen war…

ciao

peer

(*) Als kleiner Vorgeschmack der Pressetext zu dem Spiel:

„Ghost Stories

Ein Spiel von Antoine Bauza für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren. (60. Min.)
Zahlreiche Kämpfer sind gefallen, um der Schreckensherrschaft von Wu-Feng, dem Herrn der
Neun Höllen, einst Einhalt zu gebieten.
Die Bestattungsurne mit seiner Asche wurde auf dem Friedhof eines kleinen Dorfes im Reich
der Mitte verborgen. Jahre gingen ins Land, Generation folgte auf Generation und das
Wissen um dieses verfluchte Erbe wurde von den Lebenden vergessen. Der in der Unterwelt
gefangene Wu-Feng hat hingegen nichts vergessen. Seine ruhelosen Nachforschungen haben
ihm den Aufbewahrungsort der Urne enthüllt, mit deren Hilfe er wieder ins Leben
zurückkehren kann. Der Schatten seiner Inkarnation greift bereits nach den Dorfbewohnern,
die nicht ahnen, dass sie in höchster Gefahr schweben.
Glücklicherweise halten die Fat-Si, die taoistischen Mönche, Wache. Sie sichern die
Grenze zwischen den Reichen der Toten und der Lebenden. Bewaffnet mit ihrem Mut, ihrem
Glauben und ihrer Kraft versuchen sie, die Inkarnation von Wu-Feng zurück in die
Verdammnis zu schicken, aus der sie kommt.

Ghost Stories ist ein kooperatives Spiel. Ihr spielt gemeinsam gegen das Spiel. Entweder
Ihr tragt gemeinsam den Sieg davon oder Ihr erleidet alle zusammen eine Niederlage.

Spielmaterial

•        4 Spieltafeln
•        9 Dorffelder
•        3 Tao-Würfel
•        1 spezieller Tao-Würfel
•        1 Fluch-Würfel
•        55 Geister-Karten
•        10 Karten mit Inkarnationen von Wu-Feng
•        20 Tao-Marker
•        20 Qi-Marker
•        4 Taoisten-Figuren
•        4 Yin-Yang-Marker
•        8 Spuk-Figuren
•        2 Buddha-Figuren
•        1 Marker „Tao inaktiv“
•        1 Marker „Mantra der Schwächung“
•        4 Marker „Kraft inaktiv“
•        3 Kraft-Marker
•        1 Spielregel
•        2 Spielhilfen
•        1 Blatt zum Vermerken Eurer Spielergebnisse

Die Regeln werden ca. 1 Monat vor der Essener Messe bei Repos online gestellt.

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Moin Peer,
    also mir fallen da auf Anhieb noch ein paar Koop- und Teilkoopspiele mehr ein, die du, wie ich denke, durchaus hättest nennen können:

    Hero Quest und „Derivate“ wie Descent und Doom; Scotland Yard (einer gegen den Rest)
    Arkham Horror (alle gegen das Spiel)
    Inkognito (je 2 zunächst geheime Partner)
    Saboteur (je nach Spieleranzahl 1-5(?) geheime Saboteure gegen den Rest)
    World of Warcraft – Das Brettspiel (2 Teams gegeneinander)

    Ich gehe natürlich davon aus, dass du die Spiele kennst :-) Bei vielen weiß ich es auch. Die Klammern sind nur zur Klassifizierung der Spiele nach Koopmodus gedacht. Aber ich finde, man sieht sehr schön, dass es immer wieder Koopspiele mit verschiedenen Modi gab und gibt. Einen neuen Trend kann ich da also nicht entdecken. Höchstens vielleicht eine Verstärkung im „normaleren“ Spielebereich. WoW, HQ und Konsorten und Arkham Horror sind natürlich schon sehr spezielle Spiele. Aber gerade mit Scotland Yard und Saboteur sehe ich auch Spiele im Normalspielerbereich, in denen Kooperation vorkommt.

    Andreas

  • Ja natürlich, die Teilkooperativen Spiele habe ich im geschichtlichen Abriss weggelassen – mir ging es um die „echten“ kooperativen Spiele. „Einer gegen Alle“ ist natürlich ein etabliertes Gebre, gerade im Fantasybereich. Daher habe ich die entsprechenden Vertreter bewusst weggelassen. Ebensolches gilt für Partnerspiele, bei denen es ja ne Menge gibt. Einen Trend sehe ich tatsächlich nur bei den echten Koop-Dingern, die ja quasi von 0 auf 3 gesteigert sind :-)

    An Arkham Horror hab ich aber tatsächlich nicht gedacht.