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Tragende Erwägungen

Zur Zeit bastel ich gerade an einer Rezi zu Metropolys (An dieser Stellen: Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!) und dabei fiel mir eine vage Gemeinsamkeit zwischen Spielspass und Unterrichtserfolg auf. Gewissermaßen könnte man die Frage formulieren: Was hat guter Unterricht mit den Spielen von Sebastien Pauchon gemein?

Ich hol ein wenig aus: Im Chemieunterricht ist eine klassische Unterrichtstunde wie folgt aufgebaut: Am Anfang wird ein Problem vorgestellt (das kann z.B. durch ein Experiment geschehen, wobei das Problem erst dann zu Tage tritt, wenn es etwas überraschendes beinhaltet. Z.B. eine Flamme, die in einer Flüssigkeit weiterbrennt). Daraus ergibt sich eine Problemfrage, die im weiteren Unterricht (z.B. durch ein weiteres Experiment oder durch gemeinsame Erarbeitung) gelöst wird. Dann kann sich daraus noch eine Vertiefung/Anwendung ergeben, welche von den Schülern dann durch das Neugelernte beantwortet wird. Ohne jetzt in alle Details und Möglichkeiten eingehen zu wollen (Das ist ja kein Erziehungswissenschaftsblog hier): Die Stunde gelingt dann gut und ist rund, wenn die Problemfrage stark genug ist, um die Stunde zu tragen. Ist das Problem zu trivial, ist es gelöst, bevor die Stunde rum ist und man muss was neues machen. (Analog gibt es Probleme wenn das Problem zu „künstlich“ -Stichwort „typische Schulaufgabe“ oder zu komplex ist).
Ähnlich ist es bei Spielen: Einfach/Elegante Spiele (wie Metropolys) basieren meistens auf einem einzigen Mechanismus – und der muss dann das ganze Spiel tragen. Das kann birgt natürlich Gefahren. Eine davon wird gleich in Kauf genommen: Die Gefahr, dass ein Spieler gerade diesen Mechanismus nicht mag und damit auch mit dem Spiel nicht warm wird.
Eine ganz andere Gefahr -und Problemfrage, wenn man so will – ist diese: Trägt der Mechanismus das ganze Spiel? Oder wird das Spiel bald langweilig, weil immer dasselbe passiert? Reicht ein origineller Mechanismus für das Spiel aus?
Ich bin der Meinung, dass ein gutes Spiel eigentlich mindestens zwei originelle oder zumindest gute Ideen beinhalten sollte – bei komplexeren Spielen entsprechend mehr. Allerdings gibts dann wieder irgendwann ne Obergrenze, denn zu viele Mechanismen vernünftig unter einen Hut zu bringen ist schwierig – und viele Spiele (besonders auch der komplexeren Sorte) sind ganz einfach etwas zu überladen (Aber: Das mit ner Obergrenze ist so ne Sache. Civilization von Treshham ist nicht zuletzt deswegen ein Meisterwerk, weil das recht viele tolle und grundverschiedene Mechanismen eine tolle Gesamtkomposition ergeben. Aber es IST eben auch ein Jahrhundertwerk und sollte nicht unbedingt als Beispiel dienen, will man sich selbst am Spiele erfinden versuchen…)
Aber zurück zur Untergrenze: Irgendetwas neues sollte jedes Spiel bieten. Zwar können auch Spiele durch Mischen von bekanntem entstehen, doch i.a. werden diese Spiele bestenfalls Dutzendware, die recht schnell in der Masse der Neuerscheinungen untergehen. Das gilt umso mehr, als wenn der einzige Mechanismus auch noch ein Allerweltsmechanismus ist. Da muss man sich fragen: Warum sollte man ausgerechnet das spielen? Aber reicht ein origineller Mechanismus? Die Faustregel lautet: Nur bei relativ kurzen Spielen. Je länger die Partie desto schwieriger wird es für den Hauptmechanismus das ganze Spiel zu tragen. Meine Überzeugung ist es, dass das Urteil „Spiel zu lang für das was es bietet“ in 4 von 5 Fällen dadurch begründet ist, dass der Kernmechanismus nicht alleine über die volle Distanz trägt und Hilfe von einigen originellen Hilfsmechanismen bedurft hätte. Ich will das am Beispiel von Yspahan demonstrieren (Das genau die richtige Länge hat): Der Kernmechanismus ist der originelle Würfelmechanismus. Das ist ein eher „kleiner“ Mechanismus, der alleine kein vollwertiges Brettspiel tragen kann. Also wird der unterstützt durch ein paar klassische Spielmechanismen: Der Aufseher, die Kamele mit ihren Wertungen usw. Diese Hilfsmechanismen sind eher Standardwerkzeuge und das merkt man. Würde Yspahan eine höhere Spieldauer haben, würde sich rasch eine Ermüdung einstellen, weil der Hauptmechanismus nicht mehr über die volle Spieldauer tragen kann. So wie es ist, ist es aber natürlich (noch) gut.
Animalia dagegen hat keinen originellen Grundmechanismus. Hier sollen in erster Linie die Kartengraphiken das Spiel tragen. Doch das tun sie nur insoweit, bis man sie kennt – was recht schnell passiert. Daher ist eine Partie Animalia eine bald schon wieder vergessene Geschichte.
Reicht der Versteigerungsmechanismus von Metropolys denn aus, um das Spiel zu tragen? Eine schwierige Frage! Metropolys bewegt sich imho genau auf der Grenze zwischen „Elegant wenig“ und „zu wenig“. Ein zweiter Mechanismus (wie auch immer der hätte aussehen können – vielleicht ein originelleres Wertungssystem) hätte das Spiel zum Klassiker werden lassen können. Der eine Mechanismus wird aber für viele Spieler wohl ausreichen. Aber längst nicht für alle. Mehr davon in Bälde…
ciao
peer
Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • nachdem ich gestern meine erste Partie Metropolys gespielt habe, würde ich sagen, daß die „Versteigerungen“ alleine ja nicht spieltragend sind. Ein wesentliches Element ist ja die Konzeption des Spielplans mit den Möglichkeiten für den Ersteigerer den nächsten Startplatz zu bestimmen. Für mich hat das Spiel einen hohen „Will noch mal“-Faktor!
    Viele Grüße
    Jürgen

  • Hi Peer,
    danke mal wieder an dieser Stelle für deine veröffentlichten Gedanken und Überlegungen zu Spielen/Spielmechanismen.
    Bei Metropolys finde ich wie Jürgen, dass neben dem gelungenen und originellen Versteigerungsmechanismus vor allem auch die Topographie der Stadt und die darauf zufällig verteilten Plättchen für immer neue abwechslungsreiche Spannung sorgen. Das einzige Problem, das ich bei diesem Spiel sehe, ist dass Grübler es schrecklich in die Länge ziehen können.
    Ansonsten ein Spitzentitel für mich.
    Lieben Gruß
    Klaus