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Herr Agent, es brennt!

Ich habe gerade ein ziemlich gutes Buch gelesen: „The Game makers“ von Phil Orbanes. Darin beschreibt der heutige Kopf von Winning Moves USA und langjähriger Parker-Mitarbeiter (und zwischendruch Vizepräsident) die Geschichte des Parker-Konzern – komplett vom ersten Spiel Banking bis hin zur Übernahme von Hasbro. Es ist gut recherechiert und wenn mir auch zwischendurch etwas die Emotionen gefehlt haben, ein sehr interessantes und gut lesbares Buch über ein wichtiges Stück Spielegeschichte. Immerhin zeichnete sich Parker für soche Hits wie Boggle, Risiko, Pit und natürlich Monopoly verantwortlich.
Besonders hervorheben möchte ich zwei Dinge: Zum einen kostete die Originalausgabe von Risiko 7,50$. Glaubt man Friedmans „Inflation Calculator“ (http://www.westegg.com) so entspricht das einem heutigen Kaufpreis von umgerechnet 40€ So viel zu der These, dass Spiele früher billiger waren… (Nun muss allerdings auch angemerkt werden, dass Risiko damals zu den teuersten Spielen auf dem Markt gehörte).
Die andere Sache ist ein Absatz im Epilog, den ich hier grob übersetzt wiedergeben möchte:

„Als Zeichen der Zeit akzteptieren Hasbro, Winning Moves und andere Spielverlage keine unverlangt eingesandten Spielevorschläge von Amateuren mehr, so wie es noch George Parker und Robert Barton (die beiden ersten Präsidenten von Parker – Anmerk. von mir) taten. Der Grund sind vergangene Gerichtsverfahren über gesitigen Besitz und andere rechtliche Bedenken. Die Toy Industry Association hat sich mit diesem Problem befasst und hat hilfreiche Hinweise auf ihrer Webseite veröffentlicht.“

Interessant ist daran imho zweierlei:
Zum einen wird es als „Zeichen der Zeit“ bezeichnet, dass die großen Spieleverlage in den USA keine Spielevorschläge von „Amateuren“ mehr akzeptieren. De facto bedeutet dass, das Spieleautoren sich in den USA an eine Agentur wenden müssen, um Chancen zu haben, dass ihr Spiel bei einem „großen“ veröffentlicht wird. Allerdings scheint es eine Reihe von Auftragsarbeiten zu geben (wenn man sich das aktuelle Verlagsprogramm von Hasbro ansieht).
In Deutschland ist man -zum Glück, wie ich meine – noch nicht so weit. Allerdings verwendet Ravensburger natürlich jetzt eine Agentur, nämlich „Projekt Spiel“.

Das zweite ist die Begründung, die sich komplett von der abhebt, die eben z.B. Ravensburger verwendet (und übrigens auch die Spieleautorenzunft, die damals den „Ravensburger Vorstoß“ lobte). Es geht (glaubt man dem Statement) nämlich nicht darum, die Flut unverlangt eingesandter Spiele zu dämmen oder die Spreu von Weizen zu trennen. Das wäre auch komisch, bedenkt man, dass ein Großteil der größten Erfolge Parkers (u.a. Monopoly) unverlangt eingesendet wurde. Nein, es geht darum Rechtsstreits zu vermeiden. Ob da die amerikanische Rechtstreitleidenschaft im allgemeinen oder das Verfahren um Anti-Monopoly im speziellen eine Rolle gespielt hat, vermag ich nicht zu sagen. Positiv formuliert könnte man sagen, dass der Massenmarkt in den USA einfach so viel größer als in Deutschland ist, dass man dort mehr Angst vor Rechtlichen Schlachten hat, als hierzulande. Hier gehts doch bei fast allen Verlagen sehr auf Vertrauensbasis ab. Und das zu Recht – Rechtstreitereien sind mir jedenfalls hierzulande keine bekannt.

Projekt Spiel wurde damals jedenfalls offiziell gegründet, um die Flut an Ravensburger Neuerscheinungen einzudämmen und somit eine genauere Beurteilung der Spiele zu ermöglichen. Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Interview mit Christian Beiersdorf -dem Kopf von projekt Spiel- stehen, aber er lehnte ab. Er meinte, dass so etwas im Moment nicht nötig sei und die Webseite von Projekt Spiel genügend Informationen bieten würde. Schade, ich hätte gerne gefragt, ob denn nun schon ein Spiel bei Ravensburger erschienen wäre, das den Weg über die Agentur genommen hätte. Ich hab da angesichts des Verlagsprogramms nämlich so meine Zweifel (entweder lizensierte Ausgaben von bereits anderswo erschienenen Spielen oder namhafte Autoren wie Rüdiger Dorn, die sicherlich nicht über eine Agentur gehen müssen, sondern direkt den Weg nach Ravensburg finden). Und wenn sowieso keine Spiele zu Ravensburger durchdringen, warum dann 65€ bezahlen? Nein, früher oder später muss mal ein Agentur-Spiel bei Ravensburger erscheinen, sonst ist die Agentur überflüssig.

Aber Projekt Spiel ist nicht die einzige Agentur – Jürgen Valentiner-Brandt hat sich z.B. von Schmidt gelöst, um Agent für Spieleautoren zu werden. Und der Pelikan, der Fangfisch erdacht hat, kam über eine Agentur zu Queen (dieselbe Agentur hat wohl auch ein zweites Spiel von Österreich nach Trosidorf gebracht).

Was bringen Agenturen denn dem Spieleautoren? Nun, auf der Vorteilsseite sehe ich eine kritische Auseinandersetzung mit einem Prototypen. Das kann nicht schaden, aber das hängt durchaus vom Typen ab. Einige Produzenten sind nunmal besser als andere. Zum anderen nehmen die Agenten einem die Arbeit ab, Verlage anzuschreiben und zu nerven und den richtigen Verlag zu finden.
Dafür kostet so ein Agent natürlich Geld. Und wenn man erst selbst ein paar Leute kennt, braucht man ihn genaugenommen gar nicht. Gerade die deutsche Spieleszene ist überschaubar und vieles läuft mit persönlichen Kontakten. Wozu da einen Mittelsmann haben? Zumal dieser die Verlage womöglich genauso nervt, wie ein Autor es tun würde, aber nicht so dicht am eigenen Prototypen steht. Wenn mir ein Verlag sagt: Guck dir XY noch mal an, dann mache ich das. Der Agent kann das an mich weitergeben aber im Grunde hab ich meine Zweifel, dass ein Agent meinen Prototypen besser vermarkten könnte, als ich das könnte. Widersprecht mir ruhig, wenn ihr das anders sieht.
Ein Agent wäre nur von Vorteil, wenn er auch die Regeln auf englisch übersetzt und sich auch bei den internationalen Verlagen auskennt. Aber wer macht das denn?
Und selbst dann: Durch Agenten würde die Spalte zwischen bekannten und unbekannten Autoren imho weiter aufreißen, als sich schließen. Wer ist denn bereit richtig viel Geld zu investieren, um vielleicht ein Spiel zu veröffentlichen? Aber wenn man entweder vom Verlag angesprochen werden muß oder viel Geld vorstrecken muss, kommt es zu einer Zweiklassengesellschaft der Spieleautoren. Das schadet allen: Den Autoren sowieso, aber auch den Spielern, die keine neuen „Gesichter“ mehr sehen.
Zum Glück lebt die Szene von kleinen Verlagen, die auch mal was riskieren – hier wie in den USA. Eggertspiele ist ein schönes Beispiel für einen solchen Verlag. Und die Kleinen brauchen keine Agenten.

ciao
peer

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Hi Peer, die Gründe für die Ablehnung des Interviews sind ja interessant: Ein Interview sei momentan nicht nötig, es gebe genug Infos auf der Webseite.Die letzte Erfolgsmeldung auf http://projekt-spiel.de ist fast zwei Jahre alt: „Freiburg / 06.07.2005 … Schon eine der ersten Ideen konnte überzeugen und ist jetzt in der engsten Auswahl für das Programm 2006.“ Und das auf einer recht frisch aktualisierten Webseite („Stand: 12/04/07“). Das also sind genug Infos über den aktuellen Stand. Vielleicht sollte Projekt Spiel eine Agentur beauftragen, um Spielevorschläge bei Verlagen einzureichen. Sowas soll ja die Professionalisierung der eigenen Arbeit ungeheuer fördern…

    Gruß, Günter

    PS:- die Agentur heisst Projekt Spiel- die Schrift auf dem orangen Streifen ist fast nicht zu lesen

  • Danke für den Hinweis, ich habs verbessert und einen Link zur Webseite von projekt Spiel eingefügt.

  • Moin Peer,
    Ich denke, Agenten können im Allgemeinen durchaus ihre Daseinsberechtigung haben, wenn sie ihre Sache gut machen. Das heißt dann aber, dass ich diesen Agenten beauftrage, damit er mir die bestmöglichen Konditionen herausholt, mein Spiel zu veröffentlichen. Dafür bekommt er Provision von mir bei erfolgreicher Vermittlung. Das schließt natürlich auch die Wahl des Verlags mit ein. Hier in Deutschland ist aber der Nutzen wirklich fraglich, weil wir ja, wie du selber schon sagtest ein ziemlich überschaubarer Haufen sind und die Kontaktaufnhame mit Verlagen gestaltet sich auch nicht gerade unverhältnismäßig schwer.

    Ganz anders sieht das für mich bei Pro Spiel aus. Der Auftraggeber ist in meinen Augen Ravensburger. Bezahlen lässt sich Pro Spiel aber vno den angehenden Autoren. Und dabei ist es irrelevant, ob das Spiel veröffentlicht wird, oder nicht. Und die Anzahl der Verlage, an die Pro Spiel mich vermitteln könnte bewegt sich ob des genannten Auftraggebers auch in starken Grenzen.

    An sich alles nichts Neues. Ich wollts nur nochmal gesagt haben :-)

    Andreas

  • Ok, ich hätts vorher nochmal durchlesen sollen. Liest sich jetzt etwas konfus :-) Also im Allgemeinen könnte ein Agent tatsächlich was bringen, wenn ich mich selber nicht mit dieser Art Arbeit beschäftigen will. Ganz anders sieht das für mich bei Projekt Spiel aus…