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Yucatán

Verlag: Wolf Fang
 Autoren: Malgorzata Majkoska und Tomasz Z. Majkowski
 Spieleranzahl: 2-4
 Alter: ab 12 Jahren
 Spieldauer: 60 Minuten

Ich geb´s zu: Manchmal macht es Spaß einen ordentlichen Verriss zu schreiben. Besonders wenn ein Gurkenspiel bei einem Verlag erscheint, der gerade meinen Prototypen abgelehnt hat. Haha! Den zeig ich´s!
(Disclaimer: Natürlich war das nur Spaß. Die Spielbar ist eine ernsthafte Rezensionsseite. Ich bin ein professioneller Autor. Kann ich jetzt fortfahren?)

Manchmal möchte man aber eigentlich keinen Verriss schreiben. Dann nämlich, wenn das Spiel vielversprechende Ansätze gezeigt hat und bitte, bitte funktionieren soll! Und wenn das Spiel dann auch noch von einem ebenso vielversprechenden Kleinverlag stammt…

Yucatán ist so ein Fall.

Fangen wir mal mit der Hoffnung an: Optisch macht Yucatán viel her. Schöne Holzsteine, tolle Graphik, alles sehr atmosphärisch. Allerdings braucht man sowohl gute Augen wie auch ausreichend Licht um die Hexfelder auf den großen Spielplanteilen zu erkennen. Da ist der Dschungel etwas zu dunkel geraten!
Thematisch entführt uns Yucatán natürlich nach Mittelamerika, aber anders als vergleichbare Spiele, dient die Welt der Maya hier nicht nur als Kulisse eines Standardaufbauspieles sondern hier geht’s thematisch voll zu Sache: Die Spieler wollen eine Pyramide errichten und (ver-)brauchen dabei Sklaven. Die sie sich aus den umliegenden Dörfern besorgen. Also nichts für schwache Nerven! Oder?
Gut, rein spielerisch betrachtet könnte es auch darum gehen Äpfel in die heimatliche Äpfelfabrik zu bringen, aber dennoch: Umgesetzt ist das Thema durchaus stimmig.

Spielerisch bauen die Spieler Dörfer nur zu einem Zweck: Um Soldaten unterhalten zu können. Diese Soldaten durchforsten den Dschungel nach neutralen oder feindlichen Dörfern um dort einzufallen, die Bevölkerung zu versklaven und zur eigenen Pyramide zu bringen. Das klingt etwas aufregender als es letztlich ist, denn ein Dorf kämpft nicht, sondern wird lediglich verkleinert bzw. ganz ausgelöscht und der Kriegerstein bekommt einen Sklavenchip zum Abtransport. Kämpfen tun nur die Soldaten verschiedener Spieler und dies läuft nach dem Papier-Schere-Stein-Prinzip ab. Und hier liegt das Problem.

Theoretisch soll eine Partie Yucatán wohl so ablaufen: Die Spieler sind ständig bemüht den richtigen Kompromiss aus wenig Dörfern (und damit wenig Kriegern) und viel Dörfern (und vielen Kriegern aber auch vielen Zielen für den Gegner) zu suchen. Man muss die Balance halten aus „Krieger bewachen die eigenen Dörfer“, „Krieger greifen den Gegner an“ und „Krieger schleppen Sklaven zurück ins Basislager“. Mit Bluff (ob Papier-Krieger, Stein-Mann oder Captain Schere sieht man nicht) und Taktik entwickelt sich ein interessantes Stellungsspiel mit viel Auf und Ab auf allen Seiten.

Theoretisch funktioniert auch der Kommunismus.

Praktisch stellen die Spieler nämlich schnell fest: Die Chance, dass ein Angreifer den Kampf gegen einen unbekannten Gegner gewinnt ist 1:3 (Bei gleichem Symbol gewinnt der Verteidiger). Daher ist die beste Taktik abzuwarten, bis jemand anderes angreift und dann wie die Hyänen auf den Sieger herzufallen (Für einen gewonnen Kampf gegen einen Soldatentrupp gibt’s ebenfalls Sklaven. Auch als Verteidiger). Die Dörfer werden also bewacht und man belauert sich. Und belauert sich. Und belauert sich. Wagt dann endlich jemand seinen Angriff (damit mal was passiert), fallen tatsächlich alle Spieler über den einen Angreifer her, bzw. über den Angreifer des Angreifers, bzw. über den Angreifer des Angreifers des Angreifers. Das geht dann solange bis es jemand geschafft hat, seine Beute nach Hause zu retten und das Wartespiel beginnt von vorne. Und schlimmer noch: Selbst wenn es funktionieren würde (was es nicht wirklich tut), wäre das Spielvergnügen immer noch recht eindimensional. Was dem Spiel fehlt ist eine zweite Ebene, eine Alternative zum Plündern der Mitspieler, mehr Platz zum Taktieren, zum Überraschen. Die neutralen Dörfer bieten diese Alternative nicht wirklich, denn die sind bald weg. Umso mehr als dass sie recht frei platziert werden dürfen und daher in unmittelbarer Umgebung der Pyramide errichtet werden. Besonders zu viert räumt jeder die Dörfer ab, die er selbst gebaut hat und beginnt dann das eigentliche Spiel. Das hätte man sich auch sparen können! Nur zu zweit sind die Dörfer so weit über den Plan verteilt, dass tatsächlich überlegt werden muss, ob und wie man sich den Weg zu den abgelegeneren Vertretern wählt. Dafür ist hier das Tauziehen um einen Sklavenchip noch weniger interessant, da ja nur zwei Spieler beteiligt sind.

Mein Urteil fällt klar aus: Yucatán hat zweifellos eine gute Grundidee, die aber nicht vernünftig entwickelt wurde. Daher erinnert mich das ganze an einen Spiel im Prototypenstatus, das gerade die erste Testrunde hinter sich hat. Nur die Graphik kann sich sehen lassen. Aber das ist wohl kaum genug.

Schade!

Peer Sylvester
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