Autoren: John Cooper, Kory Heath
Verlag: Kosmos
für 3 – 6 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 20 Minuten
#Spiel24
Gerüchten zufolge ist The Gang als Reaktion auf den Erfolg von Die Crew entstanden. Eine kooperative Variante eines landläufig bekannten Kartenspiels zu entwickeln, soll für die Autoren die Ausgangslage gewesen sein. The Gang baut jedoch statt auf Skat, auf Poker auf. Insbesondere seiner zur Zeit bekanntesten Variante: Texas Hold’em. Ziel ist es am Ende einer Runde die stärkste Kartenhand zu besitzen. Der genaue Spielablauf wird (mit Ausnahme des Bieteinsatzes der Spieler*innen) im Regelheft zu The Gang ausreichend erklärt, entsprechend braucht es hier keine Wiederholung. Damit man aber auch ohne Vorwissen starke Kartenhände von schwachen unterscheiden kann, gibt es für jede*n Spieler*in eine Übersichtskarte in der diese aufgeführt sind. So weit, so Standard.
An Stelle der Einsätze bietet The Gang bedruckte Chips, mit denen man die relative Stärke des eigenen Blattes den Mitstreiter*innen kommunizieren kann. Denn der kooperative Charakter in The Gang drückt sich darin aus, dass man die Stärke des eigenen Blatts im direkten Vergleich zu denen der Mitspielenden richtig einschätzt. Hat man zum Beispiel mit seinen zwei 4er Karten das schwächste Blatt, das stärkste Blatt oder (und das ist oft die schwierigste Entscheidung) liegt man irgendwo dazwischen? Nur wenn alle am Rundenende ihr Blatt richtig eingeschätzt haben, ist die Gruppe erfolgreich. Gelingt dieser Erfolg insgesamt drei Mal, geht man siegreich aus der Partie. Hat man jedoch vorher drei Mal daneben gelegen, muss man sich geschlagen geben.
Die Spannungsmomente in einem regulären Pokerspiel ergeben sich zu großen Teilen aus den realen Geldbeträgen um die man spielt. Sind diese zu niedrig, so ist das Spiel eher flach. Sind sie jedoch zu hoch, können die Emotionen schon mal mit einem durchgehen. Entsprechend ist das Zuschauen bei Pokerturnieren nicht zuletzt auch ein Beobachten der Anspannung, die niemand der Spieler*innen preisgeben will. Anstrengend ausdruckslose Gesichter (gelegentlich mit Sonnenbrille und/oder Kopfbedeckung verhüllt) nehmen beinahe lustlos Karten entgegen, schieben ihre Chip-Einsätze in die Tischmitte oder werfen ihre beiden Karten in die Mitte. In Zusammenschnitten solcher Turniere werden darum die aufgesetzt lockeren Unterhaltungen und vereinzelten Gefühlausbrüche gezeigt. So sehr Stille oder belangloses Geschwätz solche Tische zu prägen scheint, so sehr brodelt es doch unter der Oberfläche. Diese Ausdruckslosigkeit – der Ursprung des Begriffs „Pokerface“ – soll exakt nichts über die Stärke des eigenen Blattes verraten. Genau das macht den Nervenkitzel in diesen Partien aus. Die große Kluft zwischen nichtssagendem Smalltalk und einem hohen Jackpot, der zum Greifen nahe scheint.

Je nachdem wie willens oder fähig die Spielgruppe ist ein solches Pokerface am Spieltisch zu bewahren, spielt sich The Gang wie eine anspruchsvolle Deduktionsaufgabe mit sehr viel Nervenkitzel oder eben wie ein fröhlich-witziges Einschätz-Spiel im Stile von The Mind. Je ausdrucksstärker wir spielen, d.h. je deutlicher Gesichtszüge oder Körpersprache unsere Überlegungen offenbaren, umso mehr hat The Gang die Ausgelassenheit eines Partyspiels. Wenn ein Chip immer wieder zwischen zwei Spieler*innen hin- und hergezogen wird, erheitert das den gesamten Tisch. The Gang ist in diesen Momenten sehr humorvoll, aber nicht unbedingt spannend.
Zieht man sich jedoch auf die Tugenden des Pokerspiels zurück, d.h. ein ausdrucksloses Gesicht und eine neutrale Körpersprache, wird die spielerische Herausforderung deutlich interessanter. Das gegenseitige Einschätzen ist dann eng damit verflochten wie wahrscheinlich es noch ist, dass jemand eine stärkere Kartenhand als die eigene hat. Jede neu aufgedeckte Karten verschiebt unsere Abwägungen. Manche Kartenkombinationen lassen sich ausschließen, andere werden in ihrer relativen Stärke aufgewertet. Hier bewegt sich The Gang von Vergleichen mit The Mind weg und kehrt zu seinen Wurzeln als Poker-Variante zurück.
The Gang ist ein Spiel, bei dem Spieler*innen sehr viel mehr Einfluss auf das Spielgefühl haben, als ihnen vielleicht bewusst ist. Ihre Spielweise entscheidet ob The Gang ein Spiel mit spannenden Momenten der Taktik und verschachtelten Überlegungen ist; oder ein fröhliches Überzeichnen der eigenen Emotionen, während man darum ringt den „richtigen“ Chip vor sich zu ziehen. The Gang ermöglicht beides, wenn auch nicht gleichzeitig.
Neben einem handelsüblichen Poker-Kartendeck liegen dem Spiel auch einige Herausforderungskarten bzw. Unterstützungskarten bei. Diese führen kurzfristige Sonderregeln ein, welche das Spiel wahlweise herausfordernder oder eben einfacher machen. Damit sollte sowohl für erfahrene Pokerspieler*innen als auch für ahnungslose Greenhorns der Spielverlauf genügend Erfolgserlebnisse bieten.
The Gang wird vermutlich nie aus dem Schatten seiner Inspiration entfliehen können. Dafür fehlt dem Spiel die plumpe Wertsteigerung mit Hilfe von 50 Spielvariationen, die als Storyline verkauft werden. Aber dafür fühlt sich eine erfolgreiche Spielpartie in The Gang weniger nach einem korrekt gelösten Puzzle an, sondern wie ein gewieftes Zusammenspiel einer Bande schneidiger Poker-Haie. Das ist schon ziemlich cool.
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