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Cabanga!

Autor: Michael Modler
Verlag: Amigo
Für 3-6 Spieler*innen
Ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten

In einem Podcast habe ich kürzlich gehört, dass das Rollenspiel als sicherer Ort aufgesucht wird, um dort Emotionen zu spielen und zu erleben. Das ist ein reizvoller Gedanke, da ja gerade das Emotionale des Spiels Erinnerungen schafft und uns immer wieder an den Tisch zurückholt. Cabanga ein besonders emotionales Spiel zu nennen, geht vielleicht etwas zu weit. Es ist ein kleines Kartenspiel, welches in seinen Regeln nicht zu fordernd ist. Bestenfalls Grundschüler und Menschen, die heute Abend nicht mehr Auto fahren sollten, werden gelegentlich damit ringen Zahlenwerte richtig einzuordnen.

Aufbau und Ablauf des Spiels ist dabei weder besonders wichtig, noch besonders komplex. Man muss Karten aus der Hand abspielen. Aus den Zahlenwerten darauf, entstehen Zahlenspannen auf dem Spieltisch. Sobald jemand eine Zahl auf der Hand hat, die in diese Zahlenspanne fällt, wird CABANGA! gerufen und es wird sich gefreut und geärgert. Je nachdem ob man Karten ablegen darf oder Karten nachziehen muss.

Nervenkitzel kommt dann auf, wenn die Zahlenspanne größer 1 ist

Mechanisch ist Cabanga keine Offenbarung. So schnell und einfach es sich erklären lässt, so viel Tiefe bringt es spielerisch auch mit sich. Wobei die Umschreibung „spielerisch“ hier eine doppelte Bedeutung hat. Cabanga ist ein Spiel welches von etwas wie einem Metagame lebt. Normalerweise bezeichnet man damit die taktisch-strategisch Überlegungen, die eine Stufe über dem eigentlichen Spiel stattfinden. Man spricht von Metagame, wenn es darum geht welche Annahmen die Spieler*innen am Tisch mitbringen und wie man die eigene Strategie darauf aufbauen kann.

Das Metagame bei Cabanga ist nicht so zu verstehen. Stattdessen geht es eher um eine wortwörtliche Übersetzung des Begriffs. Cabanga lebt davon wie man es spielt, nicht wie man es gewinnt. Cabangas besondere (aber nicht zwingend einzigartige) Qualität besteht darin, dass es im weitesten Sinne den Spieler*innen erlaubt Theater zu spielen. Die unterhaltsamsten Momente des Spiels entstanden dann, wenn am Tisch Emotionen bewusst überzeichnet vorgeführt wurden. Sei es ein Schütteln der erhobenen Faust aus gespielter Wut, oder das ausladende Wehklagen über die furchtbar schlechten Karten, die man auf der Hand hat. Oder auch die lautstarke Empörung, wenn jemand ausgerechnet dann Cabanga ruft, wenn man seine letzte Karte ablegt und man so auf das Ende der Runde gehofft hat. Mit jeder Runde wächst das Repertoire an komödiantisch überhöhten Reaktionen. Mal gibt man den Unglücksraben, ein anderes Mal das Glücksschwein.

Cabanga ist ein Spiel, welches erlaubt sich einen Schauwettkampf zu liefern, um sich so zu amüsieren. Der einfache Spielablauf und die geringe taktische Tiefe führen dazu, dass dieser Schaukampf zu keinem Zeitpunkt Gefahr läuft ein ernsthafter spielerischer Wettkampf zu werden. Die Emotionen, die man hier fühlt, bleiben in einem sicheren Rahmen bei dem man sich nie die Blöße geben muss. Es ist nicht allein „nur ein Spiel“, es ist auch vor allem ein Theater der Emotionen.

Zugegeben, dafür braucht es nicht zwingend ein Cabanga auf dem Tisch. Es gibt durchaus auch andere Spiele, die mehr und öfter Anlass geben seine Emotionen vorzuführen und so für Heiterkeit zu sorgen. Cabanga ist lediglich eines dieser Spiele. Nicht mehr und nicht weniger.

Georgios Panagiotidis
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