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Pacifica

Autoren: Martin Kallenborn, Matthias Prinz

Verlag: Kosmos

Für 2 Spielende ab 10 Jahren

Spieldauer: 15-30 Minuten

Die Kosmos-Zweipersonenreihe ist legendär. Kosmos hatte in den neunziger Jahren, als so ziemlich erster Verlag, Spiele für zwei Personen herausgebracht, die keinen abstrakten Strategiespiele waren. Stattdessen boten sie neben einem Thema auch moderne Mechanismen, waren Kartenbasiert. Das Qualitätsniveau war gerade in der Anfangszeit extrem hoch und zudem wurde eine enorme spielerische Bandbreite abgedeckt (ich habe die sogar mal gesammelt, allerdings wurde der Output irgendwann zu hoch für mich, zumal dann auch nicht mehr alle Spiele Brüller waren). Seit einiger Zeit erscheinen nun nur noch sporadisch Spiele in dieser Reihe. Die Ahnengalerie der Reihe -mit Spielen wie dem Siedler Kartenspiel, Kahuna, Targi, Lost Cities oder Blue Moon – sorgt für eine enorme Erwartungshaltung auf die wenigen Titel, die schon handverlesen sein müssen, um dieser Haltung gerecht zu werden.

Bei Pacifica kommt nun hinzu, dass es auf dem ersten Blick aussieht wie ein Kartentauziehen – jenem Genre, bei dem beide Seiten Karten auf ihre Seite spielen, in der Hoffnung, ein Übergewicht zu generieren. Dieser Designspace ist geradezu aufgefüllt mit Spielen, die als Vorbilder in Sachen „elegantem Design“ gelten und in der jedes neue Spiel sich mit den absolut besten messen lassen muss. Gleichzeitig sind hier große Innvationen Fehlanzeige, der Designspace gilt als weitestgehend ausgereizt.

Bei so viel Gepäck kommt Pacifica beim informierten Spielendem nicht ohne Vorbehalte auf den Tisch; Wie soll dieses Spiel mit der etwas mischmaschigen Graphik und nichtssagendem Thema (Atlantis aber im Pazifik oder so. Wäre aber ne Gelegenheit gewesedn, das Carcassonne Südsee zu nennen) gegen die Geschichte bestehen?

Zum Glück für Pacifica versucht es gar nicht den Weg anderer Tauziehen zu gehen, sondern setzt auf sehr viel weniger Konfrontation. Zwar gibt es auch hier sehr viele Schauplätze (Genauer Gesagt ganze Sieben.  Plus den „Überall-Vertreten-Sein“-Bonusschauplatz macht summasumarum Acht) und wer fünf davon gewinnt, gewinnt. Aber dies geschieht mehr im Stile eines klassischen Euros, als im Stile eines Kampspieles á la Riftforce: Karten werden ausgespielt und aktiviert und wer eine bestimmte Anzahl davon bei einem Schauplatz liegen hat, erhält den Punkt, der aber verloren gehen kann, wenn die andere Person die nächste Zielzahl erreicht. Das Interessante ist jetzt, wie unterschiedlich die Kartenstapel sind: Einige Stapel enthalten überwiegend bereits vor-aktivierte Karten, die einfach ausgelegt werden können. Andere enthalten Karten, die, wenn sie erfüllt sind, Bedingungen anderer Karten erfüllen (und auch erst dann für die Zielzahl zählen. Und die starken Karten haben zwar viele Bedingungen, bringen aber nette Effekte mit sich, die das Spiel entscheiden können. Je nachdem wo sich die Spielenden bekriegen, aber auch je nach dem wo welche Karten gezogen werden (in einer Partie spielt nur ein Bruchsteil der Karten eine Rolle), gibt es sehr unterschiedliche Partien. Dabei ist Pacifica eher taktisch als strategisch: Werden viele vorausgefüllten Karten gezogen, gibt es ggf einen Überbietungswettkampf auf wenigen Positionen. Wer  hier kein Land sieht, wird aber schnell zu den Kombokarten wechseln, die mehr Geduld beim Aufbauen erfordern, dann aber das Potential haben, geballt zuschlagen zu können – wenn man sie rechtzeitig fertig bekommt. Oder es ergibt sich, dass überall ein bisschen gebaut wird, so dass der Bonus-Schauplatz getriggert wird.

Dabei ist das Aufbauen konstruktiv: Es gehen keine Karten verloren (außer gelegentliches Abwerfen von Rohstoffen) und so steuert Pacifica zielsicher auf ein Spielende hin – manchmal klarer und vorhersehbarer, manchmal hängt es an einer glücklich gezogenen Karte. Dadurch spielt sich Pacifica sehr locker weg. Die Ketteneffekte können richtig verzwickt sein und einen herrlich treiben: Ich möchte Karte A spielen, muss aber dafür eine Karte vom roten Stapel aktivieren, die wiederrum eine aktivierte Karte vom Lila Stapel benötigt, wo ich aber nur Karten habe, die ihrerseits Karten vom braunen bedingen… Ist es Wert der Karte so hinterherzulaufen, kann ich die benötigten Karten auch sonst irgendwie gebrauchen oder wäre der dafür benötigte Tempoverlust gegenüber meiner Nemesis auf der anderen Tischseite zu groß?

Den Geldsack gibt es für lau (grüner Haken). Die Kiste braucht eine Bevölkerung zum Heben, wenn ich die rote Karte aktivieren will, brauche ich Geld, das ich aber ja dank des Sackes schon habe. Es gibt zudem einen Soforteffekt (Blitz)

Allerdings wirken die 7 Stapel auf mich als wäre mindestens einer zu viel, so als wäre eine Erweiterung schon mit im Spiel drin. Einige Stapel haben eine klar unterschiedliche Ausrichtung und erlauben entsprechende Spielweisen. Andere Stapel sind aber eher leichte Abwandlungen anderer und scheinen nur im Spiel zu sein, damit man sich länger aus dem Weg gehen kann und so bleiben einige Stapel regelmäßig fast ungenutzt.Ich unterstelle den Autoren schon, dass sie wissen, was sie tun und die Stapel haben bestimmt ihren sinn – vermutlich wäre es mit weniger zu ratzfatz entschieden. Aber so ganz ästhetisch befriedigend ist das für mich nicht; habe ich so doch immer das Gefühl ich würde einen kleineren Teil des Spieles nutzen, als eigentlich vorgesehen (selbst wenn ich gewinne) und nur die Stapel nutzen, weil mich die Karten gelegentlich dazu treiben, nicht weil ich es will. Das ist ein merkwürdiger Kritikpunkt, ich weiß, aber spielerische Hürden sollten sich in einem Spiel wie Herausforderungen anfühlen und nicht wie Holzbarrikaden oder Verwaltungsvorschriften. Pacifica sagt gelegentlich: Tut mir Leid, aber da muss ein Zaunpfahl hin, auch wenn sie gar keinen Zaun bauen wollen, ist das Vorschrift! Und dann muss man sich einen Zaunpfahl besorgen. Das macht den Hausbau nicht spannender oder herausfordernder, es ist nur eine weitere Bedingung die erfüllt werden muss. Zwar schöpft Pacifica seinen Spielspaß durchaus aus dem Spannungsfeld zwischen „schnell Karten legen“ und „Karten erfüllen, um andere Karten zu erfüllen“ und ganz ohne dieses Element würde das Spiel auch nicht funktionieren, aber ganz abgeschmeckt wirkt das auf mich noch nicht.

Im globalen ganzen Pacifica kann damit sicherlich nicht bei den ganz großen Titeln der Kosmos Zweier-Reihe mitspielen. Selbst die positiven Aspekte des Spieles, also die niedrige Einstiegshürde, das fluffige Spielgefühl und die angenehme Spieldauer wurden bereits bei anderen Titeln der Reihe abgedeckt und das zum Teil  mit clevereren Spielen (aber auch mit deutlich dämlicheren) . Aber natürlich haben nicht alle Leute, die zu zweit spielen, alle anderen Spiele der Reihe. Als Startpunkt ist Pacifica durchaus adäquat.

 

 

Peer Sylvester
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