Bevor ich selbst Quizspiele auf dem Markt hatte, habe ich hier regelmäßig einen Quizspielvergleich gepostet. Als Reminiszenz jetzt ein kleiner Überblick mit zwei Wissensspielen und Tiere toppen, das auch irgendwie passt.
Titel: Null bis 100
Autor: Antonin Boccara
Verlag: Le Scorpion Masque / Asmodee
Für drei Teams (oder zwei Spielende, was aber nicht empfehlenswert ist) ab 12 Jahren
Spieldauer: 15-20 Minuten (Eher 10-15)
Kaum einer wird sich an das Spiel Voll ins Schwarze erinnern – ich tue das nur, weil ich es damals besprochen hatte. Es war ein ziemlich mäßiges Schätzspiel, bei dem die Spielenden versuchten eine Zahlenkarte zu spielen, deren Ziffern möglichst dicht an der gefragten Lösung lagen. Nicht nur musste man raten, was man kaum wissen konnte, man musste auch eine passende Zahlenkarte haben.
Null bis 100 dreht dieses Prinzip um und verbessert es dadurch: Nun liegt eine Zahlenkarte aus und die drei Teams spielen eine Karte mit einem kaum zu wissenden Fakt („Prozentsatz der Sahara, der mit Sand bedeckt ist“ z.B.) dazu. Das ist besser, weil man zumindest mehr Fakten zur Auswahl hat. Vor allem aber ist es besser, weil es weiter verbessert wurde (Haha): Zum einen kann man mit Aktionskarten die Zahl noch manipulieren – wessen Karten erwartbar deutlich unter der Zahlenvorgabe bleiben, kann so seinen Aktionsrahmen erhöhen und doch noch in geforderte Regionen vorstoßen. Zum anderen geht es nicht mehr darum. erste:r zu werden, sondern nur noch darum nicht letzter zu werden, denn die letzte Person wird keine Karte los, alle anderen schon (Karten loszuwerden ist das Spielziel) – dadurch fühlt man sich nicht ganz so gespielt, wenn man tatsächlich mal was weiß und jemand zufällig einen Punkt mehr auslegt.
Was liegt am dichtesten an der 69?
Null bis 100 ist eine klare Verbesserung von Voll ins Schwarze – das liegt aber auch an der dramatisch verkürzten Spieldauer. Für zehn Minuten ist das Spiel durchaus noch unterhaltsam, wo sich Voll ins Schwarze eine Dreiviertelstunde hinzog. Wenn jedoch eine kurze Spieldauer als positives Element herhalten muss, kann man erahnen: So richtig Begeisterung weckt auch Null bis 100 nicht. Zu oft schießt man ins Blaue, ohne Chance irgendwie etwas reißen zu können. Hier gibt es kein Bluff-Element wie bei Anno Domini, kein Zock wie bei Schätzen Sie Mal, nicht mal eine Form der Interaktion wie bei Fauna. Hier gibt es nur grobes Raten. Eine emotionale Bindung zu seinem Tun baut man so kaum auf.
Ich hatte einmal einen Prototypen, der nicht allzu gut funktionierte. Ich lernte dann ein (veröffentlichtes) Spiel kennen, dass dieselbe Idee benutzt, diese aber bereits ziemlich optimiert hatte. Es machte dennoch nur wenig Spaß. Mein Fazit: Die Idee trägt einfach nicht, egal wie viele Schleifchen man drum rum bindet.
So geht es mir mit Null bis 100.
Titel: HITSTER
Ohne Autorenangabe
Verlag: Jumbo
Für 2-10 Spielende ab 16 Jahren (aber eigentlich nur wegen des verlangten Musikwissens, mit weniger Ehrgeiz geht es auch früher)
Spieldauer: 30.50 Minuten (je nachdem wie gut die Spielenden Bescheid wissen und wie viele es sind)
Das größte Problem mit Hitster gleich zu Beginn: Man braucht zum Spielen einen Spotify Premium Account. Zwar geht es auch ohne aber dann nur mit a) Werbung (zu verkraften) und b) jemanden der nicht mitspielen kann, sondern nur die App bedienen darf (Ziemlicher Mist). Diese Kröte muss man schlucken, wenn man Hitster spielen will.
Nun bleibt die Kröte eine Kröte, auch wenn sie berechtigt ist, aber dennoch: Die Spotify-Lösung ist nicht schön, aber es ist die einzige wirklich funktionierende Lösung für ein Problem, das bislang fast alle Musikquizs verhindert hat: Irgendwo muss die Musik herkommen und die Urheberrechte wollen beachtet werden. Spotify bietet beides, auch wenn man sich nichts vormachen sollte, was die Bezahlung von Künstler:innen via Spotify betrifft (Tipp: Viel ist es nicht).
Irgendwann in den 90ern kaufte ich bei „World of Music“ (einem großen CD-Laden, der dann pleite ging, weil nebenan ein noch viel größerer Virgin Store aufmachte, der dann pleite ging, weil alle Leute lieber beim kleineren aber deutlich günstigeren Musikladen Michelle einkauften, der dann pleite ging, weil die Miete in den Innenstädten höher ist, als man legal in Deutschlands InnenstädtenGewinn zu erwirtschaften vermag) ein „CD Musik Quiz“ auf einer CD, auf der 99 Titel angespielt wurden – und zwar ältere Titel, deren Rechte wohl schon etwas verfügbarer waren, zumal nur 20 Sekunden der Stücke auf der CD waren. Die CD konnte dann mit „Shuffle“ abgespielt werden und dann sollte man Titel und/oder Band erraten. Eine einfache Idee, deren umständliche Umsetzung zeigt, warum sich diese Titel nie so recht durchsetzen konnten. All diese Probleme werden durch Spotify umgangen. Eine Kröte bleibt es dennoch.
Doch wenn man die Kröte bei sich einziehen lassen kann, bekommt man ein bemerkenswert cleveres Quizspiel. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Anno Domini-Variante: Alle bauen aber an ihrer eigenen Zeitleiste und versuchen die neu gezogenen Titel (vorgespielt via Spotify mit einem Handy, was einfacher ist als einen CD-Player neben das Spielbrett zu stellen) dort einzuordnen. Der Unterschied zwischen eigener und gemeinsamer Zeitleeiste mag klein erscheinen, aber er ist doch subtil: Einmal erlaubt er Interaktionen, wie „Stehlen“ von falsch einsortierten Karten, wenn man es besser weiß und Bonuskarten, wenn man Titel und Künstler:in nennen kann. Vor allem aber ist die eigene Leiste ein eingebauter Aufholmechanismus: Wer schon viele Stücke korrekt einordnen konnte, hat mehr Probleme weitere Stücke sauber unterzubringen, da die Abstände zwischen den Jahren immer kleiner werden: Es ist halt leicht, Nirvanas Smells like Teen spirit einzuordnen, wenn sonst nur Sido und die Rolling Stones ausliegen, aber sehr viel schwerer, wenn die 90er Jahre fast vollständig vertreten sind. Wer bei Anno Domini vor dem Sieg steht hat vielleicht keine Auswahl mehr, aber ob die Einordnung in die Zeitleiste gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, wann zuletzt angezweifelt wurde – was nichts mit der individuellen Leistung der betreffenden Person zu tun hat. Hitster bleibt durch diesen Effekt immer spannend. Für mich eines der besten Quizspiele der letzten Jahre – auch dank des Themas und trotz der Kröte.
Titel: Tiere Toppen!
Autor:innen: Hannes Bonzheim, Stephanie Heyl, Matthias Jünemann
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne
Für 2-5 Spielende ab 8 Jahren
Spieldauer: 30-40 Minuten (eher 30 als 40)
Tiere Toppen ist der Nachfolger von Länder toppen und Insel toppen, die ich nicht gespielt habe. Evolutionär ist es der nächste Schritt nach Auto-Quartett und Top Trumps.
Man könnte auf den ersten Blick denken, bei Tiere toppen müsste man etwas über Tiere wissen. Das ist jedoch nicht der Fall: Wie bei den Irgendwas-Quartett-Duellen unserer Jugend sind auch hier alle relevanten Daten auf den Karten gelistet. Bei einer Kartenhand aus sieben Karten sieht man dann schnell welche Werte hoch und welche niedrig sind. Der entscheidende Unterschied zu den Top-Trump-Duellen ist jetzt, dass immer acht Duelle gleichzeitig stattfinden: Alle legen ihre Tierkarten sowie eine „Passe-Karte“ verdeckt in die Auslage: In jeder der vier Kategorien (Größe, Gewicht, Lebenserwartung und Geschwindigkeit) werden zwei Tiere ins Rennen geschickt, jeweils eines kämpft um den ersten und eines um den letzten Platz. Wer gewinnt, darf alles abräumen. Wie bei den Autos unserer Jugend gibt es auch hier Platzhirsche mit Gewinnwahrscheinlichkeit. Überraschungen sind aber möglich, wenn niemand etwas hohes hat, alle ihren hohen Karten in anderen Kategorien untergebracht oder viele Leute gepasst haben (Dann gibt es aber auch wenig Ertrag, da man nur die Karten der anderen gewinnt, aber niemals die Passekarten).
Der Elch: recht groß, sehr schwer, einigermaßen schnell und wird von Tigern und Bären gefressen. Außerdem gerade wieder in Brandenburg gesichtet worden (Keine Relevanz für das Spiel oder diese Rezension, aber dennoch auch mal erwähnenswert).
Das ist flott runtergespielt, aber natürlich enorm zufällig. Doch es gibt noch eine unscheinbare Regel, die ich fast weggelassen hätte: Die Natur ist brutal. Und wer ein Tier spielt, das ein anderes Tier im gleichen Wettbewerb frisst (was auf den Karten markiert ist), bekommt dieses unabhängig davon, wer die Kategorie gewinnt! Was auf den ersten Blick den Zufall nur erhöht, sorgt für Ansätze cleveren Spieles: Vielleicht setze ich den Bienenfresser gar nicht in seiner besten Kategorie ein, sondern hoffe, dass er bei „Geringstes Gewicht“ ein paar Bienen frisst! So lässt sich zumindest zocken, wenn sonst nichts hilft und so ist auch die Schadensfreude groß, wenn jemand zwar eine Kategorie gewinnt, aber keine Karten erbeutet, weil alles weggefressen wurde. Dennoch bleibt die Natur ungerecht: Ein Pottwal ist einfach ein besseres Tier als ein Oktopus, das ist nun einmal objektiver Fakt.
Tiere Toppen verbessert ohne Frage die Quartett/TopTrump-Vorlage, vom relativ belanglosem Kartenaufdecken zu einem Mehrpersonenspiel mit etwas Zock. Aber es versteckt seine Wurzeln auch nicht – Tiefgründiges darf man nicht erwarten, große Überraschungen in Partie Nummer Fünf auch nicht. Das ist natürlich völlig OK – genauso wie das Spiel.
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