Verlag: Jeux Opla / Huch
Autor: Julien Prothière
für 2 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
#Spiel23
Es ist eines der wohl best gehüteten Geheimnisse der Spieleszene, dass kompetitive Logikspiele (abseits von Stichspielen) eigentlich ziemlicher Mumpitz sind. Der kompetitive Modus von Turing Machine ist der mit Abstand schwächste des Spiels. Selbst Klassiker wie Robo Rally leben nicht davon, dass man aus einer schlechten Kartenhand einen besseren Kurs programmiert als alle anderen, sondern vom völlig abstrusen Chaos, das entsteht, wenn jemand unerwartet nach links statt nach rechts dreht.
Logikspiele erstrahlen erst als kooperative Beschäftigung in ihrem vollen Glanz. Von dieser einfachen wie eindrucksvollen Erkenntnis beflügelt, hat sich Designer Julien Prothière (bekannt durch Kreus, Romeo & Julia oder Precognition) daran gemacht, ein kleines, familienfreundliches Logikspiel zu ersinnen. In Marsch der Krabben müssen zwei Spieler*innen zusammenarbeiten, um ihren Spielstein (ein Krabbenpaar) über ein Spielfeld aus Karten (der Strand) zu bewegen. Dabei gilt es an bestimmten Orten halt zu machen (Freunde befreien), andere zu meiden (Fallen umgehen) und die zunehmenden Blockaden (gegnerische Krebse und Hummer) zu umgehen.
In Fachkreisen gelten solche Spiele nicht selten als abstrakt. Das bedeutet aber nur wenig mehr als dass die Regeln nicht versuchen die thematischen Begriffe abzubilden. Stattdessen dienen die Begriffe dazu die Regeln zu beschreiben. Darum ist es auch nicht notwendig die Comics näher zu kennen, die bei Marsch der Krabben Pate standen und wiederum selbst auf einem Kurzfilm beruhen. Das begeisterte Spielerpaar mag sich nach einigen Partien vielleicht für die Graphic Novels interessieren, um sich die in einer kleinen Kampagne ausgebreiteten Aufgaben erzählerisch stärker aufzuladen. Aber im Herzen des Spiels steht nicht der Verweis auf die zeichnerische Grundlage, sondern das Spielerlebnis selbst. Dieses wiederum ist sehr unterhaltsam. Nicht trotz, sondern eben wegen der Vertrautheit der Spielregeln.
Es gilt vier Fallen zu umgehen und acht Freunde zu befreien. Den Spielenden sind je zwei Fallen bekannt, aber sie dürfen sich über ihr Wissen nicht austauschen. Zusätzlich sind sie in der Entscheidung wie sich das Krabbenpaar bewegen soll, eingeschränkt. Eine Seite darf die Figur nur vertikal, die andere nur horizontal bewegen. Das ist schnell erklärt und ebenso schnell verinnerlicht. Aber was aus dem Bewegungsrätsel des aufmüpfigen Krabbenpaars ein Spiel macht, liegt daran wie man mit der Kommunikationssperre umgeht. Man muss die Absichten und Pläne des Gegenübers antizipieren und das gelingt am besten, wenn man es schafft sich in die andere Person hineinzuversetzen.
Je nach Veranlagung ist das daraus entstehende Spielerlebnis ein besonders aufregendes oder frustrierendes. Im weitesten Sinne habe ich mich an The Mind erinnert gefühlt, welches ebenfalls Wert darauf legt sich in andere hineinzuversetzen. Allerdings weicht man dort viel öfter auf das Deuten und Auslegen der Körpersprache aus und verleiht dem Spiel – trotz minimalem Regelaufwand – so mehr Struktur. Marsch der Krabben hingegen wirkt in seinem Kern freier und auch aufregender, gerade weil Körpersprache hier nicht zum Tragen kommt. Man muss sich weit mehr damit beschäftigen was und vor allem wie die andere Person denken könnte. Ihre Absichten und durch ihre Züge womöglich geäußerten Hinweise, müssen gelesen, gedeutet und dann – hoffentlich im Sinne des Gegenübers – umgesetzt werden. Das führt mit souveräner Sicherheit immer wieder zu kleinen Spannungsspitzen, die oft intensiver werden je näher man dem Ende der Partie kommt.
Das ist sehr reizvoll, wenn man Spiele spielt, um Zeit mit anderen zu verbringen und sich mit ihnen auszutauschen. Wer sich jedoch eher von der Herausforderung durch das Logikrätsel angesprochen fühlt, kann sich zumindest vorläufig mit den 12 kleinen Varianten in Form einer Kampagne zufrieden geben. Diese führen schrittweise kleine Hürden in den etablierten Spielverlauf und erhöht so die Deutungsvielfalt eines jeden Spielzugs. Das erweist sich auch bei eingespielten Spielpaaren als zunehmend knifflig, ohne dabei unüberwindbar zu wirken.
Unabhängig davon, erlaubt Marsch der Krabben die eigentlich eher einsame Knobelerfahrung mit anderen zu teilen. Trotz des geringen Regelaufwands bietet das Spiel genug Struktur, um einen Erfolg auf die eigene spielerische Leistung zurückzuführen. Auch wenn – ähnlich wie bei The Mind – die aufregendsten Momente dann entstehen, wenn man sich allein auf sein Bauchgefühl verlassen muss. Das ist eigentlich Grund genug, dass Marsch der Krabben kein wohl gehütetes Geheimnis bleiben sollte. Es ist eben kein Mumpitz.
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