Verlag: Awaken Realms Lite und Mirakulus
Autor: Paweł Stobiecki, Jan Truchanowicz, Łukasz Włodarczyk
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15-40 Minuten
Fangen wir mit den einfachen Dingen an. Flick of Faith macht Spaß. Es ist ein Schnipsspiel, in dem man seine Spielsteine möglichst so positionieren will, dass sie am Ende der Runde viele Punkte holen. Seit es in meinem Schrank steht, kam es so gut wie jeden zweiten Abend auf den Tisch und wurde zu zweit, zu dritt und zu viert gespielt.
Wem das als Rezension ausreicht und eine Kaufempfehlung darin sieht, kann den Rest hier getrost überspringen und sich lediglich die Bilder anschauen.
Flick of Faith ist ein gut produziertes Spiel. Die Aufmachung ist freundlich, farbenfroh und einladend. Die Neoprenmatte, die als Spielfeld dient, hat genug Struktur, damit die geschnipsten Holzscheiben nicht reibungslos vom Tisch fliegen. Aber dennoch muss man seine Fingerstärke behutsam dosieren, um nicht weit über sein Ziel hinauszuschießen. Die Spielsteine haben die richtige Größe, um sowohl als Waffe gegen gegnerische Spielsteine wie auch als Verteidigung vor gegnerischen Angriffen zu dienen. Sie hätten vielleicht einen Tick schwerer sein können, um die Haptik des Spiels noch zu betonen. Wenn man seine Finger bei einem Geschicklichkeitsspiel oft so bedacht und sorgsam einsetzt, hätten nur wenige Gramm schon viel ausgemacht.
Das alles ist mehr als nur eitle Oberflächlichkeit. Das taktile Erlebnis stellt einen wichtigen Bestandteil des Spielgefühls bei einem Geschicklichkeitsspiel dar. Die Qualität des Spielmaterials bei einer Runde Boule macht den feinen Unterschied zwischen billigem Kugeln schleudern am Urlaubsstrand und gediegener Freundschaftspflege unter Trinkgesellen aus. Flick of Faiths Holzteile, Plättchen und Karten sind schön anzusehen und in der Hand zu halten, ohne dabei extravagant oder überproduziert zu wirken. Diese Produktentscheidungen sind alle der Grundidee des Spiels untergeordnet, statt von ihr abzulenken. Das ist eine sehr kluge Vorgehensweise, denn es ist vor allem die Spielidee selbst, die hier für Spaß sorgt.
Damit das Schnipsen und Punkte holen zu einem Spiel wird, braucht es einen Rahmen, der dem Geschehen Gewicht verleiht. Der kurzweiligen Aktivität des Schnipsens muss Struktur verliehen werden, damit die anfängliche Freude sich nicht bald abnutzt und im Sand verläuft. Ein Problem, welches Flick of Faith durch seine kurze Rundendauer aber eher umgeht, statt es tatsächlich zu lösen. Es ist einfach vorbei, bevor man sich daran satt gespielt hat.
Jede der drei (bzw. vier) Spielrunden beginnt mit einer neuen Gesetzkarte, die eine einfache zusätzliche Regel ins Spiel bringt. Mal wird die Punktevergabe erschwert oder vereinfacht. Mal muss man seine Spielsteine etwas umständlicher über das Spielfeld befördern. Manche dieser Regeln gelten nur eine Runde lang, andere für die restliche Spieldauer. Das Spiel fühlt sich so jedes Mal etwas dynamischer an und verschleiert die Monotonie einer jeden Runde recht geschickt. Der eine oder andere mag sich entfernt an Fluxx erinnert fühlen, in dem neue Regelkarten den Spielrahmen immer wieder veränderten und das Spiel so nie zur Ruhe kam, um strategisch gespielt zu werden. Dabei ist das hier gar nicht die Absicht. Die Regeländerungen wirken wie die schnellen Schnitte und schiefen Kameraeinstellungen mit denen ein Regisseur einer Filmszene nachträglich Energie verleihen will.
Für die meisten Spieler ist die Herausforderung seine Spielsteine (Propheten) auf eine der vier Inseln der Matte zu schnipsen knifflig genug. An besonders kluge Positionierung oder Behinderung der Gegenspieler – im Stile eines Snooker – ist eigentlich selten zu denken. Über glückliche Züge wird gelacht und über misslungene ärgert man sich. Oft auch schon mal umgekehrt, da Scheitern hier um Welten lustiger ist als erfolgreich zu sein.
Um mich nochmal zu wiederholen: Flick of Faith macht Spaß. Man schnipst, man lacht und bevor man sich langweilen kann, ist es auch wieder vorbei. Zumindest die Leute, die nicht mehr von einem Spiel haben wollen, werden hier nicht enttäuscht sein. Man kann sicherlich einwerfen, dass Flick of Faith auch gar nicht mehr sein will. Vielleicht soll es nichts anderes tun als 2-4 Leute etwa 20 Minuten lang zu unterhalten.
Aber ein Spiel muss sich halt nicht nur an sich selbst messen lassen, sondern auch daran was es den Spielern liefert. Kann eine Partie Flick of Faith mehr bieten als eine halbe Stunde Small Talk mit den Leuten, die man am Tisch hat? Liefert das Spiel einen Grund es überhaupt aus dem Schrank zu holen, statt sich einfach nur so zu unterhalten? Mit meinen Kindern ist Flick of Faith oft die gehaltvolle Alternative zum Reden über ihren Schul- und Kitatag. Würde ich das Spiel in meiner regulären Spielrunde zur Wahl stellen, wäre die Neugier anfangs sicher groß. Allerdings weiß ich nicht, ob es nach den ersten paar Runden unwesentlich gehaltvoller als ein Plausch über die Belanglosigkeiten unseres Alltags wäre. Bis dahin jedoch, macht es ohne Zweifel Spaß.
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