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Expedition

Autor: Jason Lee
Verlag: Korea Boardgames
Für 1-4 Spielende
ab 8 Jahren
Spieldauer: etwa 45 Minuten

Es mag nicht unbedingt selbstverständlich sein, aber als Kritiker freue ich mich ungemein, wenn ich mich mal irre. So geschehen bei Expedition von Jason Lee. Auf den ersten Blick hatte ich mit einem Kinderspiel gerechnet. Die Ähnlichkeiten zum Namensvetter Adventurer’s Kit Expedition vom taiwanesischen Verlag Shepherd Kit. Inc. waren einfach sehr auffällig. Auch dort geht es um Entdeckungen und auch dort reist man mit niedlichen, vermenschlichten Tieren in der Welt herum. Aber während man dort eher seine Hand immer wieder aufzieht und ablegt, ist Expedition von Jason Lee ein Deckbuilder.

Wir beginnen das Spiel mit annähernd identischen Karten und entdecken im Laufe des Spiels den Dschungel (d.h. die Spielplättchen) um uns herum. Die darauf abgebildeten Hilfen und Hindernisse können wir nutzen, um uns weitere Begleiter (Karten) zuzulegen. Manche von ihnen helfen uns weiter zu reisen, andere helfen uns dabei neue Begleiter für unsere Expedition zu gewinnen.

Ziel des ganzen ist es zwei der in den Tiefen des Dschungels versteckten Relikte zu entdecken und erfolgreich zu bergen. Alternativ kann man aber auch, sobald sämtliche Relikte geborgen wurden einen schlichten Punktevergleich anstreben um zu schauen, ob nicht das eine Relikt etwas mehr wert ist als das andere.

Auch die Aufmachung ist farbenfroh und leicht zugänglich

Wer sich hier an Knizias „Wettlauf nach El Dorado“ erinnert fühlt, ist dabei sehr viel näher als man denken würde. Die Ähnlichkeiten sind sehr deutlich. Ob es sich bei Expedition um eine zufällige Parallelentwicklung handelt oder nicht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Je nach persönlicher Weltanschauung kann man hier das eine oder andere darin sehen.

Unabhängig etwaiger Fragen des Urheberrechts finde ich jedoch die Punkte an denen Expedition sich von „Wettlauf um El Dorado“ unterscheidet reizvoll. Sie geben dem Spiel ein anderes Tempo und auch eine andere Dynamik. Sobald man seinen Kartenstapel erschöpft hat, wird dieser nicht neu gemischt. Dafür muss man mit seiner Spielfigur zurück an den Anfang des Spielplans. Damit muss man bei Expedition das Spielbrett erst erkunden und im Anschluss den Pfad wählen, der mit den im Kartenstapel befindlichen Karten am effektivsten beschritten werden kann. Der Fokus liegt hier weniger darin, die nächste Etappe schnell zu meistern, sondern den eigenen Forschungstrupp genau auf das Erreichen und Bergen der Relikte auszurichten.

Es ist ein Unterschied dessen sachliche Umschreibung seinem deutlich eigenständigen Spielgefühl nicht ganz gerecht wird. Auch wenn Expedition sich in seinen Äußerlichkeiten wie Knizias Spiel liest, spielt es sich doch frisch und anders. Ehrlich gesagt, finde ich es sogar ein wenig besser.

Ist das Relikt erstmal entdeckt, muss es noch geborgen werden

Thema und Spielerlebnis fühlen sich deutlich wie aus einem Guss an. Zu Beginn muss man die Umgebung entdecken und sich mit ihr vertraut machen, im Anschluss sucht man sich die richtigen Mitstreiter und bricht auf Schätze zu finden. Es gibt Rückschläge, wenn die Karten zur falschen Zeit gezogen werden; aber besonders kluge Planung (d.h. Einsatz unterschiedlicher Karteneffekte) erlaubt es einem auch diese zu meistern. Auch wenn man formal von einem Wettlauf reden kann, spielt es sich viel mehr wie eine rivalisierende Gruppe an Forschern und Entdeckern. In diesem Zusammenhang spielen die tierischen Figuren auf den Karten etwaige Untertöne europäischer Grabräuber angenehm hinunter.
Es gibt viele kleine Gründe, weshalb ich lieber mit Papageien, Nilpferden und Affen Schätze im Dschungel suche statt in Windeseile zur Stadt aus Gold zu hetzen, um reicher zu werden als ich es mir je hätte vorstellen können. Aber es gibt keinen offensichtlichen und unangreifbaren Grund, außer der Tatsache, dass ich Expedition in meinem Schrank zu stehen habe und „Wettlauf nach El Dorado“ nicht.

Wer sich in der gegenteiligen Situation befindet, wird vermutlich eher Knizias Design den Vorzug geben und auch dafür mag es viele kleine Gründe geben. Expedition ist ein Spiel, welches mich positiv überrascht hat. Sein Design ist gelungen und entwickelt ganz organisch eine Spannungskurve und Dramaturgie, während man sich den finalen Zügen nähert. Derzeit ist die Sprachbarriere noch präsent. Die Anleitung liegt vorerst nur auf Englisch vor. Die Symbole auf Karten und Tableau werden noch mit koreanischer Sprache weiter erläutert, so dass man sich ihre Funktion merken muss. Falls man diese Punkte nicht als störend empfindet, bietet Expedition einen runden, familientauglichen und kurzweiligen Deckbuilder.

Georgios Panagiotidis
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