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Die Klinik (Deluxe Edition)

Verlag: Giant Roc
Autor: Alban Viard
Spielerzahl: 1-4
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: 120 Minuten in Vollbesetzung eher 180 Minuten

Die Klinik hat mich dazu gebracht etwas über die Parallelen zwischen Spieldesign und Unterrichtsvorbereitung nachzudenken. Wie ich schon während der Studienzeit im Schulpraktikum feststellte, reicht es nicht ein interessantes Thema zu haben: Die Unterrichtsstunde braucht auch einen Fokus, ein klares Ziel, auf welches die Stunde hinführt. Das hilft den Schülern zu verstehen, um was es geht, aber vor allem gibt es dem Unterricht Struktur.

Die Klinik hat zweifelsohne ein interessantes Thema. Ein Krankenhaus führt man ausgesprochen selten und wenn, dann meistens in sehr satirischer Form. Die Klinik ist da -trotz augenzwinkender Regel – deutlich ernsthafter. Was dem Spiel aber etwas fehlt ist der Fokus; Wir führen nicht einfach eine Klinik wir tun sehr viele Dinge:

  • Wir sind Architekten und bauen unsere Klinik. Dabei gibt es viele Dinge zu beachten und restriktive Bauregeln, aber auch Möglichkeiten der Schwerpunktbildung. Vor allem aber müssen wir unsere Klinik „effizient“ gestalten.
  • Wir sind die Klinikleitung und stellen Personal ein und weisen die Neueinstellungen ihren Abteilungen zu. Stellen wir qualifizierte (aber teure) Ärzte ein oder bilden wir selbst fort, auch wenn das Zeit kostet? Setzen wir auf Pflegekräfte, um die unerfahrene oder gestresste Ärzte zu ersetzen oder beschränken wir uns auf das, was wir können?
  • Wir sind Oberärzte und weisen Patienten ein und bestimmen wer wann behandelt wird und welcher Patient noch ein bisschen in der Klinik verweilen kann.

Diese drei Ebenen stehen relativ gleichberechtigt nebeneinander und alle drei Teile sind mechanisch originell und stimmig. In der Kombination sind sie aber auch unübersichtlich und verwässern den Fokus. Das liegt nicht daran, dass es viele Subsysteme gibt, sondern daran, dass die nicht auf ein gemeinsames Ziel hinauslaufen. Als Vergleich ein Spiel mit noch mehr Subsystemen: Twilight Imperium. Das ist nicht nur noch größer, die einzelnen Teile sind auch noch asymmetrisch verteilt – jeder Spieler kann sehr frei entscheiden, welche Strategie er wählt. Die Fokussierung gelingt über Teilziele, die sich der Spieler wählt und die ihm eine Richtung aufzeigen. So etwas fehlt bei der Klinik, die Richtung ist einfach nur „Möglichst effizient“, was erst einmal nicht hilft.

Das Problem wird dadurch noch verschärft, dass nach den Aktionen eine längere Buchhaltungsphase folgt. Und das wortwörtlich: Alles kostet Geld, Gewinn wird nur durch geheilte Patienten erwirtschaftet. Dabei ist die Buchhaltung so anspruchsvoll, dass es den klaren Weg, den Spieler gehen könnten, verschleiert. Eventuell ist das sogar gewollt, denn es verhindert effektiv, dass Spieler in der letzten Runde den besten Zug ausrechnen wollen (sie könnten es allerdings schon, es ist aber zu hoffen, dass niemand am Spieltisch sitzt, der das tatsächlich tut).

Die Klinik macht es Neulingen nicht leicht, den Einstieg zu finden. Durch den fehlenden Fokus wird aber der Eindruck erweckt, hier läge ein Sandboxspiel vor. Das ist nicht der Fall – Da in der Buchhaltungsphase einzig die Effizienz zählt, sind die tatsächlichen Möglichkeiten beschränkt und eher Variationen desselben Themas: Nämlich Patienten „reifen“ zu lassen, bis sie so krank sind, dass die Behandlung viel Geld abwirft. Um die laufenden Kosten decken zu können, funktioniert das nicht in letzter Konsequenz und ein Spieler wird sich einen Weg überlegen müssen, wie er die Patienten behandelt (was schwieriger ist, je kränker und damit gewinnbringender sie sind), aber das Versprechen, wirklich unterschiedliche Wege gehen zu können, wird nicht eingelöst – Dazu hätte es eleganterer Methoden bedurft, die Effizienz zu messen, als über Weglänge und Kosten für alles. Im Prinzip hätte der Fokus auf dieser „Effizienz“ liegen können, aber dann hätte genau diese „Effizienz“ besser messbar, schnell für die Spieler erfassbar sein müssen. So hilft nur ausprobieren oder extremes Durchrechnen. Dadurch ist Die Klinik weniger ein Sandkasten sondern mehr ein kapitalistisches Spiegellabyrinth, durch das man einen Weg hindurch sucht und dessen Spiegel die schwer zu durchschaubaren Verschränkungen sind. Die Spieler machen weniger was sie wollen, sie haben eher unterschiedliche Strategien, den Weg durch das Labyrinth zu suchen.

Was Die Klinik aber wirklich gut macht, ist der Bauteil – hier sind viele interessante Optionen möglich und tatsächlich ist die Klinik das einzige Spiel im aktuellen Jahrgang, dass ich auch solo gespielt habe und mir alleine fast besser gefällt als in der Konkurrenz mit Mitspielern – das liegt auch daran, dass die Interaktion gering ist und sich vor allem auf das Wegnehmen von Patienten beschränkt, was eher nervt als spannend ist (Ich habe sonst nichts gegen Wegnehm-Momente, wenn sie sich steuern lassen, aber die Patienten sind so unterschiedlich in ihrem Ertrag, dass es echt frustrierend  ist, wenn man nicht an die wenigen hochwertigen Patienten heran kann, sondern nur wenig ertragreiche Hypochonder abbekommt). Solo ist die Spieldauer zudem kürzer und man traut sich eher auch mal was auszuprobieren – hier fühlt sich die Klinik an, wie SimHospital, das vielleicht sogar Pate gestanden haben könnte. Merkt man alleine zudem, dass eine Idee schlecht war, hört man halt auf und startet neu.

Allerdings muss man sich schon ein stückweit selbst motivieren, andere Wege zu gehen, denn wenn man das „Patienten reifen“ als Grundstrategie erst einmal erkannt hat, dann kann man trotz leicht unterschiedlicher Ausgangslage im Prinzip doch immer dieselben Schwerpunkte setzen. Das ist aber kein Fokus des Spieles, das ist eine Standardstrategie und wenig interessant, in einem Spiel wie die Klinik (und alleine sowieso). Nun gibt es zumindest in der mir vorliegenden Deluxe-Ausgabe noch zahlreiche Erweiterungen, die neue Optionen geben (und den Fokus noch weiter verwässern): Von Feuerlöschern bis zu Zombies kann man sich neue Aufgaben stellen. Um bei obigem Vergleich zu bleiben: Mit jeder Erweiterung werden die Spiegel im Labyrinth mehr oder weniger stark umgestellt. Die Feuerlöscher ändern vielleicht eine Sackgasse zu einem Durchgang, mit den Zombies wird komplett neu gemischt. Das bedeutet freilich auch, dass die Erweiterungen nicht wirklich neue Möglichkeiten für die Spieler eröffnen, sondern nur, dass sie neue Rätsel bieten, die gelöst werden können.

 

Peer Sylvester
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