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Die Abenteuer des Robin Hood

Verlag: Kosmos
Autor: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 (ersten beiden Szenarien) bis 90 (die späteren) Minuten pro Abenteuer, insgesamt etwa 9-12 Stunden.

Schreibt man in einer Rezension dreimal den Satz „Das Spiel erzählt eine Geschichte“ taucht ein Georgios auf und erklärt einem, dass nicht das Spiel, sondern die Spieler die Handlung mit Bedeutung füllen. Und das durchaus ja mit Recht. Bei den Abenteuern des Robin Hoods ist die Ausgangslage allerdings doch etwas anders, denke ich: Das Spiel erzählt die Geschichte, die Spieler sind eher die Schausteller, die den Anweisungen des Regisseurs folgen.

Robin Hoods Geschichte wird über das Buch der Geschichten erzählt, dass den Spielern vermittelt, was wo passiert und welche Ziele die Spieler haben. Die Spieler ziehen umher und versuchen zu tun, was das Buch ihnen sagt. Der narrative Rahmen ist eng gesteckt und lässt keinen großen Raum für individuelle Entscheidungen. Das erinnert ein bisschen an Videospiele wie Gone Home, bei dem es auch die Diskussion gab: Ist das eine neue Erzählform, die eine dichte Geschichte erzählt und sollte entsprechend wie ein Film oder Buch behandelt werden? Oder will es ein Computerspiel sein und sollte daher aufgrund der geringen Interaktion kritisiert werden?

Nun sind die Abenteuer von Robin Hood kein Gone Home, denn die Spieler werden nicht nur berieselt, sie müssen die einzelnen Erzählungen zumindest freischalten. Dazu müssen sie sich auf dem Spielplan bewegen und da bedarf es Regeln.

Menzel verfolgt zwei Ziele mit diesem Spiel: Zum einen das Erzählen der Robin Hood Geschichte, zum anderen wollte er einen Spielplan verwenden, auf denen es keine Spielfelder oder ähnliches gibt: Man sollte quasi in einem großen Bild spielen. Das ist ihm durchaus gelungen: Der Spielplan zeigt den Sherwood Forrest, Nottingham und die Burg und tatsächlich keine Spielfelder. Bewegen tun sich die Spielenden mit einem an X-Wing oder Zauberstauber angelehnten Mechanismus, bei dem Figuren als Kette aneinandergelegt werden und so die Reichweite bestimmt wird. Das hat dieselben Nachteile wie bei den eben genannten Spielen (verrutschen, „Millimetern“ etc.) aber da wir als „die Guten“ unterwegs sind und alles rein kooperativ verläuft, fällt das hier nicht so ins Gewicht. Die Ziele sind bestimmte Aussparungen des Plans, die wie bei einem Adventskalender geöffnet werden können und hinter denen sich dann Geschichten (im Buch) oder kleinere Graphikeffekte verbergen. Tatsächlich bestehen die Abenteuer zu einem nicht unermesslichen Anteil darin, über den Plan zu reisen und die Türchen zu öffnen, in der Hoffnung, dass die Geschichte an der Stelle weitergeht oder zumindest dort etwas brauchbares zu finden. Dabei ist die Spiellogik hoch: Wer beispielsweise etwas Eisen möchte, sollte beim Schmied vorbeigehen und wer geistigen Beistand braucht, zur Kirche. Das ist Fluch und Segen zugleich: Zum einen erlaubt es den Spielern sich einen Plan zu Recht zu legen: „Unsere größte Chance, das gesuchte zu finden ist dort oder dort, ich gehe da hin, du dort!“. Umgekehrt verstärkt sich der Eindruck, dass hier viel gescriptet und festgelegt ist. Große Überraschungen oder „Easter Eggs“ haben wir nicht gefunden – haben wir tatsächlich mal irgendwo gesucht, wo sich aus der Geschichte heraus nichts sinnvolles zu holen war, gab es tatsächlich nichts. Keine Bonbons für Schatzsucher! Bestimmte Felder entpuppen sich zudem als Dauerbrenner. Oder, wie Udo Bartsch es so schön formuliert hat: Die Burg hat eine Seilbruchstelle.

Nun wäre „Umherlaufen“ tatsächlich zu passiv, daher gibt es neben dem Zeitdruck (ein Abenteuer muss in einer bestimmten Rundenanzahl abgeschlossen sein) vor allem Druck durch Kämpfe. Die sind tatsächlich durchaus spannend gelöst: Der Spielplan ist nämlich doch in Felder unterteilt, nur sind diese geschickt versteckt: Helle Bereiche sind gefährlich, dunkle sind sicher. Steht eine Figur in einem hellen Bereich, so besteht eine gewisse Chance, dass sie entdeckt und gefangenen genommen wird. Das kostet in erster Linie Zeit, denn es muss gekämpft werden und zumindest zu Beginn des Abenteuers sind die Chancen der Spieler Kämpfe zu gewinnen eher mäßig. Da zudem (ähnlich Andor) die Zeit schneller abläuft, wenn man niemals kämpft, liegt hier die Kernentscheidung der Spieler: Wann soll man Wachen verkloppen, wann soll man sich auf das Abenteuer konzentrieren? Mir persönlich ist diese Entscheidung aber etwas zu wenig für den Aufwand, den das Spiel treibt – ich nehme da in erster Linie die Geschichte war, die erzählt wird.

Ein bisschen erinnern mich die Abenteuer von Robin Hood an ein Puppentheater, nur dass die Spielenden die Puppen steuern und nicht irgendwelche Marionettenspieler*innen. Das ist an sich völlig in Ordnung, man freut sich durchaus, wenn man auf anhieb den richtigen Ort gefunden hat, wenn man es noch rechtzeitig schafft von A zu B zu kommen und das Abenteuer zu beenden oder wenn man dem umherreitenden Ritter (eine Störfigur) ein Schnippchen schlagen konnte.

Allerdings kommt man auch nicht umhin auch die Geschichte zu bewerten, wenn sie denn schon so im Mittelpunkt steht. Nun hat Menzel Robin Hood laut Spielbox-Interview ausgewählt, weil jeder diese Geschichte kennt. Um so merkwürdiger ist es, dass die dargebotene Geschichte tatsächlich die klassische Sage nacherzählt, so wie man sie kennt. Eben ziemlich genau so wie man sie kennt. Sicher, die Details sind nicht jedem präsent, aber hier fehlt jeder Versuch einer Neuinterpretation. Selbst die Verfilmungen sind kreativer und haben zum Beispiel einen PoC-Charakter eingeführt. Dergleichen fehlt hier – so ist Maid Mariam auch die einzige Frau im Ensemble (nicht dass dies spielerisch eine große Rolle spielt, aber meine ältere Tochter hat kurzerhand Robin Hoods Sidekick in „Little Joanne“ umbenannt, weil sie eben doch gerne representiert werden will). Ein bisschen mehr Flexibilität mit der Urquelle hätte das Spiel aber nicht nur inklusiver sondern auch spannender machen können, da nicht so wirklich bekannt ist, was eigentlich passieren wird. Auf der anderen Seite bewahrheitet sich wieder, was ich immer sage: Spieleautoren sind nun einmal keine Buchautoren.

Betrachtet man Spiele als einziges Medium so schafft Robin Hood einiges, was es vorher nicht gab: Eine interaktive Geschichte wurde selten so episch und einsteigerfreundlich erzählt. Die Bewegung über das Spielbrett mit den Türchen und den graphischen Details ist wirklich gelungen und zieht Nichtspieler und gerade auch Kinder in den Bann – Die eben erwähnte Tochter liebt Abenteuerspiele aller Art und ist von Robin Hood durchaus sehr angetan.

Betrachtet man aber alle Medien, in denen Robin Hoods Geschichte erzählt wird, so fällt auf, dass andere Medien hier doch schon in vielen Belangen deutlich weiter sind. Ist das eine unfair hohe Hürde? Das hängt davon ab, was man denkt, was Spiele erreichen wollen.

Peer Sylvester
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