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Doodle Dungeon

Autor: Ulrich Blum

Verlag: Pegasus Spiele

Für 2-4 Spielende ab 10 Jahren

Spieldauer: 45-60 Minuten

Vielleicht mein größtes Problem mit Roll and Writes ist, dass sie oft so unambitioniert sind.

Es gibt eine ganze Reihe R&Ws, die ich mag, aber das sind im Wesentlichen Füllerspiele, nette Puzzle für Zwischendurch, Es gibt ein paar, die ich wirklich schätze, gerade weil bei diesen, die Puzzle so schön genau auf dem Punkt entwickelt wurden. Dabei muss das Puzzle aber schon mehr und etwas anderes bieten, als Sid Sacksons Choice, ein Design, dass aus den 80er Jahren stammt und mir immer noch solo Spaß bereitet. Überraschend viele neue Spiele nehmen diese Hürde nicht. Und zum Teil eben auch deswegen, weil wenig neues gewagt wird.

Was R&Ws theoretisch anderen Spielen vorweg haben, ist das die Spielenden konkret etwas zeichnen, also eine konstruktive Handlung durchführen. Eine Handlung, die etwas recht permanentes erschafft; was auf dem Papier gezeichnet steht, kann aufbewahrt und später bewundert werden. Das können andere Spiele nicht leisten. Zu schade, dass in den meisten Fällen nur ein paar Kreuze und ein paar Zahlen eingetragen werden. vielleicht auch ein paar Pentominos. Das weckt beim Betrachten keinerlei Erinnerungen. Hier wird viel zu wenig mit dem Medium gespielt! Burg Kritzelstein ist eine der wenigen Ausnahmen, eines der wenigen R&Ws, die ich in meiner Sammlung behalte, auch wenn es rein mechanisch vielleicht weniger interessante Puzzle bietet als andere R&Ws.

Bei Doodle Dungeon wird dagegen mehr erzeugt als ein paar Zahlen in aufsteigender Reihenfolge: Ein Dungeon entsteht. Eine ziemlich geniale Idee, denn jeder Fantasy-Spieler kennt Dungeons und das Thema erlaubt viele kleine Gags. Allein die Einleitung ist schon so gut, dass ich sie vor Partien gerne vorlese, die Graphik vom Munchkin-Zeichner John Kovalic tut ihr übriges. Spiele schaffen es selten so gelungen den ersten Ton zu setzen! Zudem basteln selbst graphisch unbegabte wie mich gerne am Dungeon herum: Hier die Mauer oder lieber doch erst einmal da drüben? Man weiß ja nicht was noch kommt, vielleicht besser den Spatz in die Hand nehmen…mmmh aber hier die Falle lockt mich doch… Dabei ist Doodle Dungeon eigentlich kein Roll&Write, sondern mehr ein Flip oder, noch besser, ein „Choose&Write“, denn die Spielenden wählen reihum eine Karte, die das zu zeichnende zeigt. Allerdings ist „Doodle“ ist auch falsch, denn man benutzt doch in erster Linie die genialen Schablonen, um irgendetwas einzutragen, man möchte ja wissen, was ein Ork und was ein „Drache“ (sieht eher aus wie Chaoskrieger) ist. Der Mechanismus ist wirklich einfach, intuitiv und fokussiert auf das Wesentliche: Das bauen eines Dungeons. Und es erlaubt große Freiheiten; die Pläne sehen bei allen oft total unterschiedlich aus: Eine Person hat ein tolles Labyrinth gezeichnet und setzt darauf, dass störende Helden nicht überall hin können. Die nächste lässt Hundertschaften von Hochgepumpten Orks in einem riesigen Ballsaal los, wieder jemand anderes setzt auf tödliche Fallen usw. Das ist Spaß, das ist total witzig und wenn das Spiel jetzt enden würde, wäre Doodle Dungeon eines der coolsten Spiele in der ganzen Straße.

Doch, man ahnt es schon, es ist an dieser Stelle nicht vorbei; Ein Spiel braucht ja eine Wertung, einen Gewinner; die Dungeons müssen in irgendeiner Form bewertet werden! Wie sollen wir sonst wissen, wer von uns den besten Dungeon hat???

In dem japanischen Spiel Madrino (Aiko und Toru Oyama) werden in R&W-Manier Grundrisse gezeichnet. Nach einer festen Rundenanzahl erklären alle, warum ihr Haus das Beste ist und dann wird einfach abgestimmt, wer den Sieg verdient hat. Was immer man von der Wertung hält: Sie versucht gar nicht erst die zahlreichen ästhetischen und praktischen Dinge, die ein „gutes“ Haus ausmachen, in eine abschließende Wertung zu gießen.

Leider versucht Doodle Dungeon genau das. Und das nicht gerade auf subtile Art und Weise.

Die Wertung ist eine neue Phase, in der alle Dungeonbesitzer sich gegen einen eintretenden Helden wehren müssen. Erinnerungen an Dungeon Keeper (oder die inoffizielle Brettspielvariante Dungeon Lords) werden wach! Dieser Held bewegt sich weitestgehend automatisch auf einer von einem Mitspielenden festgelegten Bahn und kann durch Aktionskartenspiel (also Take-That-Elemente) beeinflusst werden.

Das dauert unnötig lange, weil immer abgewartet werden muss, ob Zugspieler Karten gespielt werden und wenn ja wo und welche und warum und gegen wen.

Es ist unnötig frustrierend, weil es hier nur negatives Feedback gibt: Karten die nicht passen, aber auch Karten die passen und die clever vom Dungeon Master gesetzte Elemente, einfach überspringen oder ausgekontern, Würfelwürfe die nicht klappen, Würfelwürfe die mit Karten defacto rückgängig gemacht werden. Das beste was passiert, ist dass der Held ein Monster mal verschont, bevor er das nächste angreift.

Und selbst das „gemeine“ am Aktionskartenspiel verpufft, da man nur Karten spielt, weil man es kann, nicht weil man taktisch einen Vorteil davon hätte. Die Dungeons der anderen sind egal, Hauptsache die neutrale (!) Figur des Helden zieht den anderen möglichst viele Punkte ab. Eine emotionale Bindung an das eigene Tun, findet nicht statt, weil man sich nicht mit den anderen Helden identifiziert – man hat ja eine gänzlich andere Rolle in diesem Spiel! Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Aktionskarten erstb mit Verzögerung wirken: Ich spiele eine Karte und die wird ausgelöst wenn mein Ziel an der Reihe ist. Dadurch geht noch der Rest von Emotionalität flöten. Ein Nimm-Das!-Element wird ja nicht besser, wenn es erst drei Minuten später wirkt! Irgendwann ist es dann vorbei und es kommt endlich eine Punktwertung, die viel früher hätte kommen sollen.

Mir ist es ehrlich gesagt leider absolut unverständlich was mit dieser Phase erreicht werden sollte. Die Idee einer Held:innengruppe, die den Dungeon „testet“ ist ja nicht schlecht und auch irgendwie intuitiv – aber wieso findet die nicht vollständig automatisiert statt? Die erste Spielphase, also das Zeichnen, kann fast simultan stattfinden, da das Aussuchen der Karte sehr viel schneller geht, als die Entscheidung, was man mit der Karte macht. Diese Simultane fehlt hier, denn die Person, die ihren Helden ziehen muss, könnte noch Karten spielen und hier kommt es auf die Reihenfolge an. Also ist man passiv. Zu planen gibt es nichts, denn der Held bewegt sich automatisch. Würfeln kann man aber auch noch nicht, denn vielleicht kommt ja noch ne Karte… Mit anderen Worten: Man ist fast so passiv wie bei einer herkömmlichen Wertung, allerdings über einen deutlich längeren Zeitraum. Zum Mitfiebern lädt das auch nicht gerade ein, da niemand weiß, wer eigentlich wo im Ranking steht und warum. Und alles was der Held verliert (oder nicht verliert) kann er durch Karten wieder zurück bekommen (oder doch verlieren). Kein Triumph ist von Dauer, kein Moment emotional aufgeladen, weil nichts investiert wurde. Das einzige positive, der erstellte Dungeon, wird langsam kaputtgemacht, leergeräumt, geplättet. Das ist frustrierend. Da es zudem höchst asymmetrisch passiert und man gar nicht so recht mitbekommt, was woanders passiert, stellt sich nicht einmal eine Galaxy-Trucker-mässige Comedy ein, sondern nur das Gefühl etwas „abarbeiten“ zu müssen.

Die neutrale Heldentruppe aus Dungeon Lords war schwierig in der Handhabung, sorgte für zahlreiche Regelfragen. Aber es sorgte für Spannung und für Triumphe und Niederlagen, die auch so empfunden wurden. Sie war nicht elegant, aber eben emotional und in letzter Konsequenz eben damit auch ambitioniert.

 

Peer Sylvester
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