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Art Robbery und 5211

Art Robbery
Verlag: Helvetiq
Autor: Reiner Knizia
Spielerzahl: 2-5 Spielende
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten

 

5211 (Azul Special Edition)
Verlag: Next Move / Asmodee
Autor: Tsuyoshi Hashiguchi
Spielerzahl: 2-5 Spielende
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten

Es ist ein Gemeinplatz, dass „Spaß“ ein subjektives Empfinden ist: Unterschiedliche Spiele machen unterschiedlichen Leuten unterschiedlich viel Spaß. Selbst dieselbe Person empfindet beim selben Spiel nicht auch automatisch denselben Spaß.

Dennoch gehen Autor:innen und Verlage nicht komplett blind bei der Spieleentwicklung vor, sie schießen nicht ins Dunkel, in der Hoffnung, irgendwer wird schon Spaß haben, weil alles ja so subjektiv ist.

Im Prinzip ist Spieldesign daher nicht zuletzt auch ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten, mit denen die verantwortlichen Personen versuchen so zu spielen, dass die Chance auf ein positives Spielerlebnis ‑ inkl. Spaß ‑ erhöht ist. Hier will ich zwei kleine Kartenspiele vorstellen, die dabei unterschiedlich vorgehen, mit -bei meinen Runden – sehr unterschiedlichen Erfolg.

Der Grund für den Vergleich kann man schon an den identischen Daten oben ablesen: Beides sind Kartenspiele für 2-5 Spielende ab 8 mit einer Spieldauer um die 20 Minuten, die von Regel und Anspruch her eindeutig im Familienbereich anzusiedeln sind, genau gesagt in dem Segment, den ich gerne als „Uno-Killer“ bezeichne, auch aber nicht nur gekennzeichnet durch einen hohen Glücksfaktor.

Ein hoher Glücksfaktor ist nicht per se etwas schlechtes, insbesondere nicht in diesem Genre. So ein Glücksfaktor erzeugt potentiell Spannung, hilft dass auch Kinder gegen ihre Eltern gewinnen können und signalisiert gleichzeitig auch, dass das Spiel keine „schwere Kost“ ist und durchaus auch zur Entspannung am Feierabend gespielt werden kann. Ein Glücksfaktor kann aber dafür sorgen, dass Entscheidungen so stark an Bedeutung verlieren, dass sie aufhören interessant zu sein – das Spiel wird beliebig oder gar frustrierend.

Das bringt uns zu 5211.

Es dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben, dass ich japanischen Minimalismus sehr schätze. Viele japanische Spiele erzeugen Spielspaß gerade dadurch, dass den Spielenden Spielkontrolle weggenommen wird; Risiko- statt Mikromanagement. Bei 5211 äußert sich das darin, dass die Spielenden gleichzeitig Karten ausspielen und sich so in 3 Schritten eine Auslage aus 4 Karten aufbauen. So  bekommen alle Beteiligten schrittweise mehr Informationen darüber, was die anderen vorhaben könnten, freilich ohne zu wissen, was die anderen tatsächlich tun können. Das ist deswegen wichtig, weil die Wertung davon abhängt was von allen zusammen  ausgespielt wurde: Liegt eine bestimmte Anzahl von Einsen aus, bekommt jeder diese (und nur diese) in seinen Wertungsstapel. Wenn nicht, wertet ausschließlich die Farbe, die am häufigsten gespielt wurde, ohne dabei eine bestimmte Grenze zu überschreiten.

Die Unsicherheit, der Glücksfaktor, liegt genau in dieser Unsicherheit, wie die Auslage aller Karten zusammengesetzt wurde. Das Problem dabei ist das Gefühl, dass jeder nur ein Rädchen im Uhrwerk des Spieles ist, ohne allzu großen Einfluss auf das Ergebnis. Es stellt sich das Gefühl einer gewissen Beliebigkeit ein. 5211 mag einfacher und zugänglicher sein als das strukturell ähnliche Day&Night, hat aber dasselbe Problem, dass wenig Bindung zum eigenen Tun aufgebaut wird. Große Würfe sind aufgrund der Wertung kaum möglich, so dass auch entsprechende Freudenssprünge ausbleiben. Daher ist es auch kein Beinbruch, wenn jemand mal gar nicht punktet ‑ die anderen ziehen ja nicht wirklich davon! Und es hat dann auch niemand „schuld“, außer dem System. Einem System kann man aber nur schwer böse sein. Emotionen bleiben eher gedämpft.

Art Robbery dagegen erzeugt Emotionen und das mit Mitteln, die einfacher nicht sein können: Man nimmt sich gegenseitig etwas weg.

Etwas zu nehmen, was jemand anderem gehört ist der klassische, der ursprüngliche Ärgerfaktor. Diese Emotion muss nur kanalisiert und fokussiert werden. „Kanalisiert“ damit sie nicht in Frustration umschlägt, „Fokussiert“, damit das Spiel nicht in ein ewiges Tauziehen zerfällt. Einem Reiner Knizia gelingt beides natürlich meisterhaft!

Es geht hier um Zahlenchips. Genommen werden diese mit passenden Karten. Nur wenn keine zur Karte passenden Chips in der Mitte liegen, darf man sich beim Mitspieler bedienen, beliebiges Stehlen ist also nicht möglich. Außerdem bietet das Spiel eine Schutzmöglichkeit in Form eines Hundes, der ebenfalls per Karte genommen werden kann, der aber keine Siegpunkte bringt. Dafür kann sein Besitzer verhindern, dass ihm ein Chip geklaut wird – der Dieb bekommt dann nur den Hund. Bei dieser Schutzfunktion geht also niemanden ein Zug verloren, niemand wird frustriert. Fokussiert wird das Stehlen dadurch, dass ein Durchgang endet, wenn alle Chips aus der Mitte verschwunden sind. Alle Chips der Runde sind dann vor Diebstählen sicher. Die Runde steuert als zwangsläufig immer auf ein Ende zu und gelegentlich kann es sinnvoller sein, den Durchgang zu beenden, statt zu stehlen, weil man dann seine Schäfchen ins Trockene bringt.

Beliebigkeit, wie sie 5211 versprüht, gibt es hierbei nicht – alles hat Konsequenzen, selbst wenn ein Chip hin- und hergestohlen wird, haben die anderen am Spieltisch die Ausgangslage verändert, es gab also einen Tempoverlust, den man besser vermieden hätte. Zudem haben die niedrigen Chips neben der Zahl einen wichtigen Trostpreis: „Alibis“ (Schweitzerdeutsch für „weiße Punkte“). Wer davon bei Spielende am wenigsten hat, fliegt raus. Eine elegante Möglichkeit, alle Chips unterschiedlich und doch ähnlich wertvoll zu gestalten.

Der Glücksfaktor von Art Robbery sorgt für Spannung und Unsicherheit -man weiß nicht, ob jemand anderes am Tisch einen erbeuteten Chip zurückstehlen kann – aber nicht für Beliebigkeit.

Bei 5211 ist es umgekehrt; Spannung kommt allenfalls beim Umdrehen der jeweils vierten Karte auf, das ist ein zu kurzer Spannungsbogen um emotional zu sein. Außer wenn man (oft gegen eigenes Interesse) eine Kartenfarbe über das Limit hievt, wirkt das Kartenspiel zudem beliebig und kaum beeinflussbar.

Es dürfte klar sein, mit welchem Spiel ich mehr Spaß hatte.

Peer Sylvester
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