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Andor Junior

Verlag: Kosmos
Autoren: Inka und Markus Brand
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer 20-45 Minuten

Talisman: Legendäre Abenteuer, Herr der Träume und, wenn man so will, auch Zombie Kidz Evolution: Kooperative Abenteuerspiele für Kinder sind gerade voll im Trend. Vielleicht keine ganz große Überraschung, schließlich tauchen die Kinder ja auch ohne Brettspiele in ihre eigenen Abenteuerwelten ab. Gemeinsam – vielleicht sogar gemeinsam mit Papi und/oder Mami – dann erst recht. Und wenn das Spiel dann noch Überraschungen bietet…

Meine jedenfalls haben Talisman LA schon zum dritten Mal durchgespielt und die ältere steht sogar auf mein altes HeroQuest. Da muss Andor Junior doch gut passen, oder?

Optisch macht das Spiel auf jeden Fall Lust! Auch wenn Andor wohl gerade eine längere Trockenzeit hinter sich hat (der Spielplan ist im wesentlichen braun) sind die Charaktere doch kindgerecht gestaltet – und bieten alle Charaktere in beiden Geschlechtern an, was meinen Töchtern tatsächlich gar nicht so unwichtig ist. Auch sieht man sofort, was die vier Personen so können: Waldläufer*in kann lange aufbleiben, Krieger*in kriegt natürlich die Monster vorgesetzt, Zauber*in hat einen Spezialwürfel und Zwerg*in ist vor allem gut in der Unterwelt unterwegs (gut das sieht man tatsächlich nicht auf Anhieb, das merkt man erst bei der Erklärung).

Spielerisch ist Andor Jr. in zwei Teile unterteilt: Erst müssen zwei Aufgaben erfüllt werden, die in jeder Partie variieren. Dann müssen zwei Wolfsjungen gefunden werden, die sich in den Minen verlaufen haben. Jedes Mal wieder. Die dümmsten Wolfsjungen der Welt?

Um diese Ziele zu erreichen, bewegen sich die Helden über das Brett, lange Wege macht die Helden müde, denn jeder Schritt kostet einen Aktionspunkt und wenn die alle sind, legt sich der Held schlafen. Neben ein paar besonderen Sehenswürdigkeiten wie Brunnen, die neue Aktionspunkte bringen und Gegner, die bekämpft werden dürfen, herrscht vor allem Nebel und wer auf einem Nebelfeld landet, dreht ein Plättchen um und irgendwas passiert oder man findet etwas. Ja das ist Zufall.

Überhaupt ist her viel Zufall im Spiel: Neben den verdeckten Plättchen muss viel gewürfelt werden – sowohl beim Kämpfen als auch beim Finden der Worfsjungen. Außerdem bewegt sich der eigentliche Gegner – ein Drache, der nicht direkt bekämpft werden kann – per Würfelwurf vor. Würfeln die Spieler schlecht, kostet dies den gemeinsamen Spielsieg.

Nun ist ein hoher Zufallsfaktor in einem kooperativen Abenteuerspiel nicht per se was schlechtes: Alle vorgenannten Spiele haben einen hohen Zufallsfaktor und auch bei HeroQuest wird ununterbrochen gewürfelt. Allerdings beschränkt sich hier der zweite Akt einzig und allein darauf gut zu würfeln, um die blöden Wolfsjungen zu finden, bevor der Drache das Schloss erreicht. Ja, der kann auch zurückgesetzt werden, wenn man die Monster angreift (die ähnlich dem Urspiel eigentlich nichts weiter machen als in der Gegend rumstehen und sich vermehren und erst dann ein Problem darstellen, wenn es zu viele sind), aber auch das ist Gewürfel. Hinzu kommt, dass die Anzahl an Monstern, die dazukommen an die Position des Drachens gekoppelt ist – Ist der Drache kurz vor seinem Ziel kommen sehr viele Monster, ist eh schon alles im grünen Bereich, sind auch die Monster träge. Dadurch wird der Glücksfaktor noch einmal potenziert. Bei Talisman sorgte dagegen der gelungene Bag Building – Mechanismus für zumindest das Gefühl von Spielkontrolle. Auch werden die Helden*innen bei Talisman im Laufe des Spieles immer besser, eine solche Progression findet bei Andor Junior fast nicht statt (es gibt ein, zwei Gegenstände, die gefunden werden können, welche die Sache etwas erleichtern, aber die fallen wenig ins Gewicht). Dadurch wirkt Andor Junior insgesamt etwas beliebiger.

Wichtiger als solche mechanischen Überlegungen ist hier aber die Frage: Erleben die Kinder schöne Abenteuer? Und die Antwort: Durchaus. Allerdings stören sich meine Kinder -verwöhnt durch die wechselnden Aufgaben bei Talisman, HeroQuest oder Herr der Träume – an der immer gleichen Ausgangslage: Hier Drache – Dort Wolfsjungen. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil gerade das Herumsuchen in den Minen nicht gerade der interessanteste Teil des Spieles ist. Die wechselnden Aufgaben sind da durchaus abwechslungsreicher, zumal auch thematisch und mit ein paar Zeilen „Flavour Text“ versehen. Aber diese Aufgaben sind eben nur ein Hindernis auf dem Weg zum eigentlichen Ziel und der Anspruch ist, diese Hürde möglichst schnell hinter sich zu lassen – zumindest meine Kinder haben immer den direktesten Weg angesteuert, sofern das möglich war. Das ergibt auch Sinn, denn je schneller dieser Teil abgeschlossen wird, desto schneller können die Plättchen in den Minen aufgedeckt werden und desto größer die Wahrscheinlichkeit für einen Spielsieg. Das hat aber zur Folge, dass oft gefühlt die Hälfte des Brettes ungenutzt blieb. Rein psychologisch fühlen sich die Abenteuer dadurch weniger rund an als die der Konkurrenz – der Schwerpunkt liegt hier zu sehr auf dem Teil, der das eigentliche Abenteuer nur verkompliziert, nicht auf dem eigentlichen Abenteuer selbst (bzw. auf dem Teil, den die Gechichte des Spieles als den entscheidenden Teil deklariert).

Dabei mögen die drei Kinder (8, 12, 14), mit denen ich Andor gespielt habe, das Spiel durchaus – Zielstrebigkeit ist auch eine Tugend und Andor Junior ist solide und definitiv nicht unbefriedigende Kost. Allerdings: Von sich aus kamen sie immer wieder mit Talisman, Herr der Träume und HeroQuest an und nicht mit Andor Junior. Das Bessere ist hier der Feind des Guten – nicht irgendwelche Drachen.

Peer Sylvester
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