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12 Rivers

Autor: Roman Caterdijan

Verlag: BG Nations

Für 2-4 Spielende ab 10 Jahren (eigentlich schon ab 8)

Spieldauer: 45-75 Minuten

Ein Fluss fließt den Berg hinab. Der Lauf kann vom Menschen umgelenkt werden.

Was für eine einfache, intuitive Idee für ein Spiel! Sollte man meinen. Tatsächlich dürften viele Versuche in dieser Richtung gescheitert sein, denn wem es gelingt den anderen frühzeitig das Wasser abzugraben, ist klar im Vorteil. Dabei ist dieser Vorteil recht binär: Entweder man kontrolliert das Wasser oder nicht! Zwischentöne sind so kaum möglich. Dos Rios versuchte diesem Problem mit einem hohen Glücksfaktor entgegen zu wirken. Bei Wasserkraft ist die Aufgabe einfach extrem anspruchsvoll und wer sich da nicht durchsetzen kann, ist eben Opfer eines „brutalen“ Spieles. Die Zielgruppe als Workaround.

In 12 Rivers leitet man nun genau genommen nichts um, aber dennoch wird dieselbe Grundidee verfolgt und mit einer absolut faszinierenden Leichtigkeit umgesetzt.

Der Fluss fließt aus 12 Armen zusammen und nimmt dabei 12 Kugeln mit. Diese Kugeln haben verschiedene Farben (mehr oder minder jedenfalls – man braucht gute Augen um einige Farben zielsicher zuzuordnen) und dienen der Auftragserfüllung, wollen also mit etwas Augenmaß eingesammelt werden. Nun gilt: Wer einen Damm baut, erhält Zugriff auf eine dort angespülte Kugel. Wer früher seinen Damm baut, erhält früher Zugriff. Weiter unten kommt also potentiell weniger interessantes an. Dafür wird alles am Ende in den See gespült und wer dort fischt, darf alles abgreifen, was dort landet. Wenn denn noch überhaupt etwas übrig ist.

Rot macht sich gerade gelb zum Freund (Pressefoto von BGNations)

An dieser Stelle fühle ich mich an ein altes Kindheitsspiel erinnert: Auch bei Avalanche rollten Murmeln einen Abhang hinunter, was unten ankam, durfte man zur Auftragserfüllung nutzen. Das klingt fast identisch und doch trennen die beiden Spiele Welten. Von leichten Rütteleffekten ab, war Avalanche vollkommen planbar: Man wirft was oben rein und weiß genau was unten ankam (Einigen Kugeln blieben hängen, andere wurden befreit). Das hatte die Spannung eines Kaugummiautomaten. Nur Kinder, die einfach irgendwo Kugeln einwerfen und schauen was passiert, waren vom Spiel gefesselt.  Bei 12 Rivers dagegen weiß ich potentiell erst dann was ich bekomme, wenn die Einsetzphase abgeschlossen ist. In dieser Einsetzphase werden die Dämme gebaut oder man verschafft sich neue Aufträge. Letzteres bedeutet freilich: Mehr Kugeln für die anderen. Das heißt man fiebert die ganze Zeit mit, hofft, noch seinen Damm an die Stelle bauen zu können, die man vorgesehen hat und bangt, dass keiner einem die noch dringend benötigte lila Kugel abfängt. Gleichzeitig wird durch das Einsetzen die Reihenfolge für die nächste Runde bestimmt (je weiter ben, desto später ist man in der nächsten Runde dran). Das besticht durch Eleganz und einer gewissen Leichtfüßigkeit: Alle Züge sind schnell und doch interessant. Dadurch fließt das Spiel nur so vorbei und steckt doch voller Entscheidungen und Kompromisse – ja ich bekomme in dieser Runde nur was übrig bleibt, aber in der nächsten kann ich im See angeln. Ja, dort oben zu bauen kostet mich einiges an Flexibilität und vielleicht ist der Einsatz gar nicht nötig – aber ich brauche diese Kugel wirklich dringend und es gibt nur noch die eine in dieser Farbe!

Auch das Material unterstützt:  12 Rivers sieht nicht nur gut aus, dadurch, dass hier wirklich Kugeln rollen und aufgefangen werden, wird eine Menge Verwaltungsaufwand eingespart; Theoretisch wäre das Spiel auch durch Karten oder Pappmarker umsetzbar gewesen, aber das hätte bedeutet, jede Bewegung von Hand durchzuführen. Dieses Problem wird durch das physische Rollen der Kugeln obsolet. Auch hier bleibt 12 Rivers im Fluss (haha).

12 Rivers ist ein Musterbeispiel wie man durch ein glattes elegantes Regelwerk und unterstützt durch durchdachtes Material auch ein kniffliges Problem wie „Einen Fluß umlenken, ohne dass Leute vorzeitig ausscheiden“ lösen kann. Anders ausgedrückt: 12 Rivers ist ein wirklich verdammt cleveres Design. Das sich das Thema „Alles im Fluss“ auch im Spielgefühl wiederspiegelt ist dann das Tüpfelchen auf dem i.

Peer Sylvester
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