Eine der Fragen, die mir fast unweigerlich gestellt werden, wenn jemand erfährt, dass ich Spieleautor bin, ist „Was verdient man denn da so?“. „Applaus“ liegt mir als Antwort dann zwar auf der Zunge, aber antworten tue ich dann meistens mit etwas in der Kategorie „Das variiert stark, aber in meinem eigentlichen Beruf verdiene ich deutlich mehr.“ Da monetäre Entlohnung aber offensichtlich für viele von Interesse ist, will ich das ein bisschen ausführen. Ich mache jetzt hier nicht meine Einkommensteuererklärung sondern versuche einmal darzustellen womit ein/e Spieleautor;in Geld verdienen kann.
Bezahlt wird man als freischaffender Autor bzw Autorin meistens einen Prozentsatz des Nettoeinkaufspreises pro verkauftem Spiel. Dieser Satz liegt je nach Vereinbarungen in der Regel zwischen 5 und 8%, Eines meiner Spiele liegt sogar bei 10% (das ist ein ziemlicher Ausnahmebetrag). Damit hängt das Einkommen erst einmal von zwei Dingen ab: Dem Preis des Spieles und der Verkaufszahl. Mein Stadt Land Fluss Extreme hat sich so ca 110.000mal verkauft. Ich bekomme aber nur ein paar Cent pro verkauftem Spiel, weil das Spiel eben extrem günstig ist. Wäre es teurer, würde ich mehr bekommen, aber es würde sich auch weniger verkaufen :-) Zudem muss man natürlich sagen, dass sich die 110.000 verkauften Exemplare auf mittlerweile acht Jahre verteilen. Pro Jahr liegt da mein Einkommen etwa bei soliden 1000€ -wobei das in den Jahren sehr geschwankt hat (Umsatz- und Einkommensteuer jetzt nicht mitgerechnet). Ertragreicher ist The king is dead mit irgendwo zwischen 80 und 90.000 Exemplaren bei etwa 1,10€ pro Spiel (wohlgemerkt seit 2015) und eine Mischung aus beidem mit The lost Expedition bei einer Verkaufszahl von etwa 70.000 und 90 cent pro Spiel. Am anderen Ende des Spektrums liegen natürlich meine Hiku-Spiele aus der Anfangszeit, die so Verkaufszahlen um die 100, vielleicht 150 Stück hatten. Aktuell bekomme ich vergleichbare etwa 3-5 Euro von Gmeiner pro Jahr für mein Chiffre (das sich in knapp zweistelligen Bereichen verkauft). Doch so ganz präzise ausrechnen lässt sich das alles nicht: Zum einen schwanken die Zahlen pro Jahr stark, vor allem aber schließen oben stehende Zahlen Lizenzen für Auslandsverlage ein. Und die sind in der Regel ertragreicher (der lizensierende Vertrag hat weniger Risiko und zahlt dafür eben mehr Geld. Dieses Geld wird normalerweise 50:50 zwischen Vertrag und Autor:in aufgeteilt). Wer viel Geld verdienen möchte, sollte sein Spiel also möglichst in viele Länder lizensieren lassen. Leider hat man da als Autor:in in der Regel keine Kontrolle drüber – Nicht umsonst werde ich alle halbe Jahr gefragt, warum es immer noch keine Deutsche Ausgabe von Lost Expedition gibt (Meine Antwort: „Es ist mir auch ein Rätsel!“)
Eine anhängende Frage ist dann die Frage nach den Verkaufszahlen. Auch hier ist es kaum möglich absolute Zahlen zu nennen, denn diese Zahlen schwanken sehr stark: je nach Verlag, Land, Größe des Spieles, ob es bereits länderübergreifende Kooperationen gibt und anderen Faktoren. Ein Rosenbergspiel wird etwa mit einer höheren Auflage beginnen, als ein Erstlingswerk. Ein IP-Spiel hat wieder eine andere Auflage, je nach Verkaufsort. Das neue Mass Effect – Spiel beginnt wohl bereits mit einer Auflage jenseits der 50.000 Stück. Das ist sehr viel, aber bedingt durch Sprache (der englische Markt ist naturgemäß sehr viel größer) und IP. Eine übliche Startauflage liegt in Deutschland eher bei 3000-5000 bei größeren Verlagen oder günstigen Kooperationen auch mal 10.000-20.000 Exemplaren. Aber der Massenmarkt liegt noch einmal drüber, Nischenmarkt noch einmal drunter. So hatte mein North American Railways nur eine Erstauflage von 1500 Exemplaren, da es als „Nischenspiel“ galt. Hier dürften auch eher Wargames und ähnliches beheimatet sein – nicht umsonst gibt es die P500-Vorbestellungsation, d.h. es müssen lediglich 500 Exemplare sicher weggehen, um eine Auflage zu rechtfertigen (die dann vermutlich bei 1500 Exemplaren oder so liegen dürfte). Rein aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht es daher eigentlich keinen Sinn historische Spiele zu entwickeln: Sie haben in der Regel eine sehr lange Entwicklungszeit, verkaufen sich aber (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) nur marginal. Natürlich ist Betriebswirtschaft nicht der Grund, warum man solche Spiele entwickelt – das ist nichts anderes als bei Arthousefilmen o.ä. auch. Um das noch zu verdeutlichen: Discover India war für Queen Games kein Erfolg und es flog nach zwei Jahren wieder aus dem Programm. Doch alleine durch die Präsenz in Galeria Kaufhof und ähnlichen Ketten, hat es sich mehr verkauft als Wir sind das Volk bis heute – obwohl letzteres natürkich sehr viel präsenter in der Szene ist! Osprey ist auch deswegen so erfolgreich, weil große Ketten wie Waterstone deren Spiele listen. Zwar meistens nur ein Exemplar pro Filiale, aber wenn das weggeht, kommt ein neues. Und das läppert sich. Marktpräsenz ist tatsächlich am Markt.
Kleiner Nebengedanke: Nach allem was ich mitbekommen habe, haben sich Museumsshops übrigens nicht als große Umsatzbringer erwiesen. Man kann froh sein, wenn die 1-2 Spiele verkaufen. Pro Jahr wohlgemerkt.
Neben Lizenzen für andere Länder und den Verkaufszahlen sind noch andere Einkommensmöglichkeiten denkbar: Etwa Computerspiellizenzen. Ich habe bislang keine Erfahrungen damit, weiß also nicht wie viel Geld die einbringen. Ich würde aber schätzen, dass es vergleichbar ist, mit Erweiterungen für ein Spiel. Überhaupt: Wenn man es erst einmal geschafft hat, dass ein Spiel regelmäßig Erweiterungen und Spin Offs produziert, ist das schon ein sehr stetiges Einkommen. Nicht umsonst spricht man von einem „Brot&Butter“-Spiel! Zum Teil werden diese Spiele sogar im Redaktionsteam entwickelt und der/die Autor:in gibt nur das OK oder beratenden Einfluss. Das ist quasi der Jackpot.
Eine andere Möglichkeit sind Werbespiele. Die haben eine hohe Auflage (das Gerolsteiner Fahrradrennspiel hatte eine Auflage von 150.000!), werden aber ja nicht verkauft, daher bekommt der/die Autor:in einen Festbetrag, dessen Höhe sich nach der Auflage richten dürfte und mit etwas Glück dem entspricht, was man für ein ähnliches Spiel am Markt bekommen würde. Allerdings verzichtet man dann i.A. auf dem eigenen Namen auf der Schachtel.
Die Realität ist, dass man gerade mit dem Erstlingswerk kaum Bäume ausreißen wird. Bei mir hat es fast zehn Jahre gedauert bis ich im Jahr über meine Spiele so viel verdient habe, wie als Lehrer in einem Monat. Und der Einkommensfluss ist sehr unstetig. Letztes Jahr lag er über 20.000€, dieses Jahr ist es weniger als ein Drittel (und da die meisten Verlage im Frühjahr auszahlen, wird da auch nicht Nennenswertes mehr dazukommen). Der Grund ist natürlich dass letztes Jahr kein neues Spiel von mir erschien und meine 2022-Neuheit All about Animals eher unter dem Radar lief. Brian Boru hat sich sehr gut in den ersten zwei Jahren verkauft, aber da gab es einen enormen „Drop off“, also weit weniger weitere Verkäufe. Wie gesagt: Alles für mich in Ordnung, ich habe einen Job. Wer aber Hauptberuflich arbeiten möchte, muss mit solchen Schwankungen rechnen. Zudem ist es auch extrem unterschiedlich, wie Verlage produzieren. Manchmal passt ein neues Spiel gerade und es erscheint schon im nächsten Jahr (Mein Rekord zwischen „Prototypen verschickt“ und „Spiel erschienen“ waren 10 Monate), aber häufiger sind Verträge für das übernächste Jahr oder noch später (3-4 Jahre habe ich nach einer Vertragsunterzeichnung schon gewartet).
Nun wird an dieser Stelle gerne gefragt: Warum veröffentlichst du nicht selbst? Der Hauptgrund: Ich habe keine Lust dazu. Aber es ist tatsächlich nicht so, dass das automatisch viel erfolgreicher wäre.
Wer selbst veröffentlich, muss sich erst einmal um alles kümmern: Graphik, Vertrieb, Finanzen, Spielregel etc. Das ist neben dem Beruf schwer. Und ich denke auch nicht, dass da meine Stärken liegen. Zudem ist es so, dass sich die Branche hier sehr professionalisiert hat. Mit handgemalten Garagenproduktionen wird man kaum noch Erfolg haben – ein gewisses Level an Graphiken und Material wird erwartet. Da die Produktionskosten aber so gestaltet sind, dass gerade kleine Auflagen verhältnismäßig viel kosten, ist man in dem Dilemma entweder viel Geld vorschießen zu müssen oder eben eher weniger Geld zu verdienen, als wenn ein anderer Verlag einen lizensiert hätte. Auch Crowdfunding hilft da nur wenig: Auch hier ist die Professionalisierung schon so groß, dass es ohne Hilfe von bezahlten Externen schwer wird eine Kampagne zu managen. Und gerade im „normalen“ Brettspielbereich hängt die Latte mittlerweile hoch. Ich habe schon Projekte scheitern sehen, weil eben die einzuspielenden Kosten zu hoch waren – und die Kosten waren hoch, weil es eben namhafte Graphiker:innen und tolles Material sein musste, um überhaupt wahrgenommen zu werden. (Einschub: Es gibt den umgekehrten Weg: Seht kleine Auflagen zu produzieren, vor allem PnP-Spiele, mit entsprechend niedrigen Kosten. Das machen mittlerweile einige Kleinverlage recht erfolgreich, aber die Gewinnmarge ist entsprechend klein und es geht eher darum, überhaupt zu veröffentlichen und im Idealfall sein Spiel an andere Verlage zu lizensieren).
Wenn man sich die aktuelle Deutsche Szene anguckt ist der „Eigenverlag“ aus diesen Gründen mittlerweile eine absolute Ausnahme. Bernd Eisenstein und Friedemann Friese gehören zu den wenigen, die diesen Weg noch komplett gehen. Andere setzen auf eine Mischung aus Eigenkreationen und Fremspielen und/oder Lokalisationen, die deutlich weniger Arbeit machen und für die das unternehmerische Risiko überschaubar ist. Viele ehemalige Eigenverlage sind mittlerweile reine Fremdverlage, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass das Alltagsverlagsgeschäft wenig Zeit für die Entwicklung von neuen Ideen lässt.
Am Ende des Tages ist das Spielegeschäft nicht anders als andere kreative Märkte auch: 10% der Schaffenden produzieren 90% des Umsatzes. Das heißt nicht, dass kein Platz für die Punkband von Nebenan ist, aber wer vom Spiele erfinden leben möchte, braucht eben Kreativität – auch was das erschließen neuer Einkommensquellen betrifft – und viel regelmäßigen Output. Und natürlich auch Glück.
ciao
peer
P.S.: Mehr noch als sowieso lade ich gerne dazu ein, mir auf dem Beeple-Discord Fragen zu diesem Bereich zu stellen. Ich werde mich bemühen, die alle zu beantworten (Und ich kann das guten Gewissens sagen, denn vermutlich kommen sowieso keine :-) )
- Vom Wandel und Wandlungen - 8. September 2024
- „Was verdient man denn so?“ - 25. August 2024
- Unser Ferienprogramm - 22. Juli 2024