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Jenseits des Tellerrandes: Traue den Drakoniern nicht, auch wenn sie Geschenke bringen

Dungeons & Dragons. Unendliche Weiten. Oder so.

Wer in den letzten Wochen Kontakte im englischsprachigen Rollenspielbereich hatte, wird eine Menge Wut und Angst mitbekommen haben. Was war passiert?

Dungeons & Dragons ist mit Sicherheit das bestverkaufteste Rollenspiel unserer Zeit. Das liegt an zwei Dingen: Zum einen war es das erste und zum anderen ist die Marktpräsenz einige Ligen oberhalb des Restes. Wizards of the coast hatte damals TSR mit dem Geld von Magic- The Gathering gekauft und konnte damals bereits für eine größere Präsenz sorgen – um so mehr natürlich nach dem Verkauf an Hasbro. Wie viel das ausmacht, konnte man in Deutschland sehen, wo D&D ursprünglich eher eine Nebenrolle hatte, weil Das Schwarze Auge immerhin durch Schmidt Spiele vertrieben wurden und so in fast allen Spielwarengeschäften erhältlich war (Ich muss gestehen, dass ich zu lange raus bin, um abschätzen zu können wo D&D in Deutschland zur Zeit steht. DSA hat mit Sicherheit nicht mehr den Status von damals).

2000 öffnete Wizards die Tür für inoffizielles D&D – Material mit der Open Gaming License (OGL 1.0). Diese erlaubte die (lizenzfreie) Verwendung von D&D- Regeln, schloß aber explizit die Verwendung des „Lores“ aus, wie z.B. explizit Urheberrechtlich geschützte D&D-Monster oder Klassen (z.B. Mind Flayer) . Da D&D ein solch erfolgreiches System ist, erlaubte diese Lizenz die Existenz eines großen Sekundärmarktes mit vielen inoffiziellen, aber kompatiblen Content, etwa neuen Weltenbüchern, Geschichten etc.

Dank der Serie Stranger Things und einer überarbeiteten 5. Edition erlebt D&D einen neuen Boom. Dieser Boom mündet in einigen filmischen Abenteuern: Sowohl eine Serie und Film sind angekündigt. Und jetzt haben Wizards angekündigt die Lizenz zu modifizieren, so dass ab eines gewissens Gewinn Lizenzgebühren fällig werden und zudem die Rechtslage bei Wizards sitzt. Man muss nicht besonders zynisch sein, um einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg und der (potentiellen) Monetarisierung zu erkennen.

Nach der extrem negativen Presse und vielen Leuten, die ihre D&D-Beyond-Abos kündigten (D&D Beyond ist ein Online Tool für Kampagnen etc.) ist Wizards jetzt zurückgerudert und hat die neue Lizenz überarbeitet – dabei sind die beiden Passagen bezüglich Lizenzgebühren und Urheberrechtslage entfernt wurden – vorerst (Dazu am Ende mehr).

Trotz des latent positiven Endes hat die Geschichte viele User daran erinnert, dass Wizard of the Coast/Hasbro gewinnorientierte Konzerne sind. So etwas geht an einer Fanszene nicht spurlos vorbei und ich bin gespannt, ob das noch längere Wellen schlagen wird. Auf der anderen Seite ist eine echte Mainstream-Alternative aktuell nicht in Sicht. Darüber hinaus finde ich einige Teilaspekte spannend:

Lizenzgebühren sollten erst ab eines Verkausfgewinnes von 75.000$ anfallen. Das klingt erst einmal eine sehr hohe Grenze. Allerdings ist die Gewinnmarge gerade bei Rollenspielbüchern sehr gering: Sie machen viel Arbeit, sie kosten viel (Graphiken, Druck, etc.) und werfen verhältnismäßig wenig Geld ab, da die „Schmerzensgrenze“ was ein user bereit ist zu bezahlen, niedriger liegt, als bei einem Brettspiel und nicht ohne weiteres gesteigert werden kann, da ein Buch, nunmal Materialmäßig begrenzt ist. Zudem wird gerade in dem Bereich der Zweitquellen, also der „kompatibel aber nicht offiziellen“ Bücher auf Kickstarter produziert. Das heißt die Stückzahlen und der Umsatz mögen hoch sein, aber der Gewinn ist eher niedrig. Eine 25% Lizenzgebühr wäre daher für viele Klein- und Eigenverlage schlicht nicht finanzierbar. Für diese Verlage steht damit praktisch die Lizenz auf dem Spiel. Da aber gerade dieses Zusatzmaterial auch viel mit dem Erfolg D&Ds zu tun haben dürften, fühlen sie sich daher verraten.

Interessant ist aus meiner Sicht auch der Urheberrechtliche Bereich. Das fängt mit dem „Lore“ an, denn was jetzt tatsächlich eine urheberrechtlich relevante Neuschöpfung von D&D ist und was nicht, ist nicht immer ganz klar; Klar sind die Texte urheberrechtlich geschützt, aber was ist mit den Monstern an sich? Natürlich sind „Drachen“ oder „Zwerge“ Gemeingut. Aber was ist mit „Oliver Schleim“ (Gelantinous Cube) oder dem Rostmonster? Das sind typische D&D – Monster, aber sind das tatsächlich „Werke“ im Sinne des Urheberrechts oder quasi „kleine Münzen“, also Schöpfungen mit sehr geringer Schöpfungshöhe?

Auch ist die Frage, was übrig bleibt, wenn man das „Lore“ entfernt – das reine Würfeln auf Eigenschaften ist nicht geschützt. Das Grundprinzip eines Rollenspiel (Spielleiter:in – Spieler:in – Dynamik etc) ebenfalls nicht. Ich finde die Frage ab wann einzelne Mechanismen ein Werk ausmachen bei Rollenspielen noch schwieriger zu beantworten, als bei einem Brettspiel. Hinzu kommt noch das „Internationale Karate“-Urteil aus den USA: Dort hatte ein Computerspielverlag geklagt, weil das Karatespiel des Konkurrenten sehr ähnlich funktionierte wie das eigene. Das Urteil des Gerichts: Das Thema ist nicht schützbar. Aus dem Thema folgen aber bereits viele Dinge: Das man nach oben springt und nach unten duckt z.B. ist einfach intuitiv und kein urheberrechtlich schützenswerter Mechanismus. Auch das man schlägt und tritt und den Gegner auf die Bretter schickt, folgt so direkt aus dem Thema, dass die Schöpfungshöhe nicht genug für einen hohen Schutz wäre. Ähnliches gilt für Fantasy-Rollenspiele: Wer ein Rollenspiel mit „körperlichenAttributen“ erschafft, muss Eigenschaften wie „Stärke“ oder „Geschicklichkeit“ schon bewusst umgehen, so logisch sind sie. Und dass ein „Unsichtbarkeitszauber“ unsichtbar macht, ist ebenso wenig eine hohe Schöpfungshöhe wie die pure Existenz eines solchen Zaubers.

Wenn man das Mikroskop etwas grober einstellt, stellt man fest, dass der Kern eines Rollenspieles in subtileren Dingen liegen: In der Tonalität der Texte (die sind Urheberrechtlich geschützt), in der Art wie die Spielenden angesprochen werden, welche Schwerpunkte das Kampfsystem setzt und welche die Skills. Usw. Diese Dinge ergeben ein Werk, dieses Zusammenwirken ist aber nicht so greifbar. Insofern gibt es durchaus auch Stimmen, dass die Open License eher ein Scam ist, da sie die Dinge erlaubt, die eh erlaubt sind, eher sogar weniger. Doch ein bisschen geht diese Sichtweise am eigentlichen Grund für die Open License vorbei: Dieser Vertrag erlaubt einem Medien-Schaffenden (und das schließt alle Autor:innen etc. mit  ein) etwas für D&D zu produzieren und von dessen Fangemeinsschaft zu profitieren. Viele Bücher, Software und andere Dinge wären ohne die Lizenz nur mit Risiko produzierbar. Und damit auf die zweite Seite des Vertrages: Wizards verspricht im Gegenzug nicht zu klagen. Gerade weil die Rechtslage nicht so durchschaubar ist (in den USA schon gar nicht), gibt dies den Schaffenden eine gewisse Sicherheit. Vielleicht würden sie zwar Recht haben, doch einen langen Rechtsprozess in den USA führen zu müssen ist definitiv teurer als die Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Das ist positiv für die Medienschaffenden, positiver zumindest als andere Verlage (oder Konzerne) mit ihren Produkten umgehen. Eine echte Partnerschaft ist das natürlich aber auch nicht, denn die Rollen sind nicht gleich verteilt: Die eine Seite kann Dinge verkaufen, die sie selbst erschaffen hat. Die andere Seite profitiert potentiell von den zusätzlichen Produkten und verzichtet dafür auf (ebenfalls kostspieliges) Klagen. Die neue Lizenz hätte dieses Ungleichgewicht noch weiter in Richtung des gewichtigeren Partners verschoben. Kein Wunder, dass die Reaktionen ausnahmslos negativ waren.

Ein weiterer Aspekt sollte nicht unerwähnt bleiben: Auch wenn es so aussieht, als hätte Wizards sich dem Willen der Fans gebeugt – und das ist auch das Bild, dass Wizards vermitteln möchte – es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es genauso möglich ist, dass Wizard einfach genauso unsicher bezüglich der Urheberrechtsgeschichte ist, wie die andere Seite. Viele Medienschaffende haben bereits damit gedroht, es drauf ankommen zu lassen- und Wizards könnte potentiell mehr verlieren, als gewinnen, wenn ein Gericht tatsächlich feststellen sollte, dass lediglich konkrete Textpassagen Urheberrechtlich geschützt wären und nicht das ganze Rollenspielsystem. Auch war die ursprüngliche Idee, die OGL zu verändern – das hätte aber nur Einfluss auf Neulinge, nicht, wie zuerst behauptet – auf bereits bestehende Lizenznehmer, denn ein Vertrag kann nicht so ohne weiteres einseitig verändert werden. Insbesondere dann nicht, wenn sein Inhalt juristisch unsauber ist.

ciao

peer

 

 

 

 

 

 

Das Beitragsbild stammt von Eize Basa, mit freundlicher Genehmigung

Peer Sylvester
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