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Geschlechterlos

Hallo, schreibe doch einmal 10 Schauspieler auf!

Danke.

Wie viele Frauen sind dabei?

Dies ist einer der Tests, mit denen Sprachwissenschaftler prüfen, wie generisch das „generische Maskulinum“ ist.Wenig überraschend nennt ein überwältigender Anteil der Testpersonen gar keine Frauen. Lautet die Frage „Nennen Sie 10 Schauspielerinnen und Schauspieler“ dann ist das Ergebnis im Schnitt etwa 50:50.

Ein anderer Test misst die Reaktionszeiten, wenn es darum geht Textbestandteile zu verknüpfen. So brauchen die Testpersonen signifikant länger in diesem Textabschnitt

Es saßen 5 Spieler in der Kneipe. Die Frauen hatten sich alle ein Bier bestellt

die Spieler mit den Frauen zu verknüpfen als in diesem

Es saßen 5 Spieler in der Kneipe. Die Männer hatten sich alle ein Bier bestellt.

die Spieler mit den Männern. Das ist prinzipiell wenig überraschend – es ist uns glaube ich allen bewusst, dass das generische Maskulin tatsächlich erst einmal die männliche Form ist, bei der sich Frauen „mitgemeint fühlen sollen“. Ist das ein Problem und wenn ja wie kann  man das lösen?

Ich will jetzt hier keine Diskussion über genderneutrale Sprache anfangen – schon alleine weil ich wenig qualifiziert dazu bin. Meiner Meinung nach ist es schon sinnvoll eine geschlechterneutrale Sprache zu wählen, weniger damit sich die Frauen „nicht unterdrückt fühlen würden“ (wie die Strohpuppe genannt wird, die in Diskussionen gerne verbrannt wird), sondern einfach weil ich glaube, dass sich Frauen unbewusst ein bisschen willkommener, ein bisschen weniger ausgeschlossen fühlen könnten (An dieser Stelle möchte ich aber auch auf die Reaktionen hinweisen, wenn ein Verlag mal das generische Femininum verwendet – in fast jeder Rezension wird das erwähnt, oft mit der Frage ob „Männer auch mitspielen dürfen“ und wieso der Verlag so doof ist und überhaupt ist das ganz schlecht lesbar etc.) . Und es ist ja auch nicht so, als ob geschlechterneutrale Sprache weh tun würde. Ich bin bei solchen Dingen ja immer der Meinung: Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun. Im besten Fall nimmt man Rücksicht im schlechtesten bemerkt es niemand. Nachteile gibt es nicht. Warum also nicht?

Letzten Sommer habe ich ein Regelwerk ins Deutsche übersetzt (das leider aufgrund von Produktionsverzögerungen jetzt doch nicht der ersten Auflage beiliegt) und wenn ich nichts übersehen habe, ist das einzige Mal, dass ich ein generisches-Maskulinum verwendete das Wort „Startspielermarker“ gewesen. Da vielleicht dem einen oder anderen interessiert, wie ich mit der großen Präsenz des generischen Maskulinums im Deutschen umgegangen bin, hier ein paar Hinweise (Bis die Regel offiziell erscheint darf ich leider nicht sagen, um welches Spiel es sich handelt). :

Wichtigster Punkt war die Mischung aus Passivkonstruktionen und dem Ansprechen von Spielern direkt mit „Du“ . Letzteres wird tatsächlich mittlerweile bei vielen Spieleverlagen praktiziert. Das funktioniert so gut, dass mir gar nicht aufgefallen ist, bis jemand mich darauf hinwies. Nicht alles lässt sich so umgehen, aber mit ein paar Passivsätzen (insbesondere bei administrativen Tätigkeiten)  lassen sich schon die meisten „der Spieler“ – Sätze vermeiden.

Eine weitere kleine Änderung: Statt „Alle Spieler“ verwende ich gerne einfach „Alle“. Das wird sicherlich nicht allen gefallen, aber es passt zum Text – und dass die Mitspieler gemeint sind und nicht auch die Bundesregierung dürfte aus dem Kontext klar sein. Auch „Jemand“ lässt sich wunderbar einsetzen

Schwieriger sind Sätze, bei denen sich etwas auf die Nachbarn bezieht: „Nachbarn“ halte ich für etwas neutraler als „Spieler“, ist aber natürlich nicht wirklich genderneutral. Als Herausforderung habe ich auch da nach einer Lösung gesucht und die Sätze ebenfalls mit „Jeder“ oder „Alle“ umformuliert: „Alle geben die Karten nach links weiter“, „Du gibst den Marker nach links weiter.“ Da muss man ggf. kräftig umfomulieren, aber es geht.

Letztlich musste ich auch genderneutrale Bezeichnungen suchen: „Charaktere“ statt „Abenteurer“z.B. Das ist fast die größte Herausforderung. Zum Glück standen die Geschlechter der verschiedenen Charaktere bei diesem Spiel fest, so dass ich problemlos vom Schmied reden konnte, aber auch von der Diebin (weil es keinen männlichen Dieb gab).

Meine Einschätzung ist, dass es sehr schwierig ist, nach den bisherigen Sprachgewohnheiten durchgehend genderneutrale Sprache zu nutzen, ohne auf Binnen-I oder * zurückzugreifen. Aber zumindest den Großteil (90%) der Fälle in einem Regelbuch lässt sich relativ einfach abdecken – und das sollte m.E. auch geschehen.

ciao

peer

Peer Sylvester
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