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Osterersteindrücke

Letzte Woche habe ich ja ein etwas eher unspielerisches Thema beackert, zum Ausgleich jetzt ein paar Ersteindrücke einiger Spiele, die ich in den Osterwochen gespielt habe:

Viticulture (2. Auflage, keine Erweiterung): Sehr solides Workerplacement. Vor allem ein sehr angenehm schlankes Workerplacement ohne zehntausend Kniffe, sondern konzentrieren auf das Wesentliche: Das Placen der Worker. Wichtig hierbei, dass es zwei Bereiche gibt – einige Dinge kann man nur im Frühling, andere nur im Herbst tun. Man hat aber nur einen Satz Arbeiter und wer im Frühling arbeitet, arbeitet im Herbst nicht (Ich bin in der falschen Branche tätig, wie mir scheint). Erinnert mich in Punkte Anspruch und Spielgefühl an Glück auf und das ist durchaus als Lob zu verstehen – zumal die Wertung hier sehr viel schlanker ist und es auch darum geht, möglichst als erster die 20 SP zu erreichen. Kritisiert wurde nur der Glücksfaktor beim Ziehen der Karten, der vor allem bei den Aufträgen schon etwas über Gebühr reinhaut. Doch ich kann verstehen, warum das Spiel beliebt ist: Es ist gut. Und es funktioniert auch zu sechst – zumindest wenn man nicht den Anspruch hat es in Maximalbesetzung in 90 Minuten zu schaffen.

Time Bomb: Gut, dass habe ich schon häufiger gespielt, aber eben auch vor kurzem ;-) Kleines Verdeckte-Teams-Spiel: Jeder hat ein paar versteckte Karten, wobei jeder nur weiß, welche Karten er hat, aber nicht wo die in der Auslage genau liegen. Wer dran ist, bestimmt eine Karte vom Mitspieler, die er umdreht. Der wiederum bestimmt nach dem Umdrehen den nächsten Spieler, wobei das auch der erste sein kann etc. Ziel für die „Guten“ ist es, alle „Bombenentschärfingskarten“ zu finden und für die „Bösen“ die einzige Bombe aufzudecken. Dabei darf man nach Herzenslust bluffen und lügen und labern und das sollte man auch tun. Das Kartenumdrehen ist weniger deduktiv-taktisch als bei Resistance und nur unwesentlich weniger zufällig als das Beschuldigen bei Mafia/Werwolf. Ein Spiel für die richtige Runde eben. Ich mags, auch weil es schön knackig ist. Ich habs aber auch schon floppen sehen.

Dakota: Eine Art Mehrheitenspiel mit einigen coolen Ideen: Vor Spielstart sortieren sich die Spieler mehr oder minder zufällig in zwei Gruppen: Cowboys und Indianer. Dabei sollte man die Gruppenzugehörigkeit nicht zu ernst nehmen: Jeder spielt für sich allein! Ob Cowboy oder Indiander legt in erster Linie fest, welche Rohstoffe für einen wertvoll sind und welche nicht – Indianer stehen z.B. eher auf Büffel und Pferde und Cowboys mögen Gold und Metall. Anders ausgedrückt: Die Indianer sind die Grünen und die Cowboys die FDP. Auch was man an Gebäuden bauen kann ist unterschiedlich. Dabei sind die Gebäude der Indianer etwas schwächer aber etwas einfacher zu bauen, die der Cowboys brauchen Zeit, hauen dann aber richtig rein. Soweit so gut. Auch das Ressourcensystem hat es in sich: Die einzelnen Felder verlieren Rohstoffe, wenn sich dort jemand bedient – Klar! Wurde die oberste Reihe an Rohstoffe komplett abgeräumt, kommt die zweite, die in der Regel andere Rohstoffe zeigt – nämlich die für die Cowboys interessanteren. Ist auch die leer, ist das Feld verödet. Es kommt dann noch ein neues, aber die Felder sind begrenzt. Die Indianer haben daher ein Interesse daran, auch mal ein Feld in Ruhe zu lassen, denn wenn sich niemand für das Feld interessiert, wechst ein Rohstoff nach. Das alles hat durchaus eine interessante Dynamik – aber leider eher auf interlektueller Ebene. Denn zur Verteilung dient ein Mehrheitensystem, das insofern originell ist, als dass alle Spieler der Seite Rohstoffe bekommen, die auf einem Feld die Mehrheit hat. D.h. entweder alle Cowboys oder alle Indianer (unabhängig vom konkreten Spieler). Untereinander sind zwar alle Cowboys(bzw. Indianer) verfeindet, aber hier arbeiten sie dann mal zusammen. So weit so gut. Nur leider wurde nicht versucht auch nur eines der bei Mehrheitenspielen inhärenten Probleme zu beseitigen: Ein Spieler, kann niemals sicher sein, was er bekommt. Es gibt starkes Kingmaking, denn ob ich den zweiten Pöppel zu A oder zu B stelle ist oft für A oder B nicht berechenbar – und wen ich unterstütze, der bekommt eben auch mal was. Es gibt neutrale Steine, um eine Seite zu unterstützen und dadurch hat man immer die Möglichkeit offensiv andere zu ärgern oder defensiv meine eigenen Steine zu schützen. Da ich aber nicht abschätzen kann, was die anderen wollen oder überhaupt brauchen, ist diese Entscheidung früh in der Zugfolge ein Schuß ins Blaue. Manchmal versucht man was zu riskiieren und kommt damit durch und manchmal nicht. Wer häufiger damit durcvh kommt, wird das Spiel vermutlich gewinnen. Es gibt auch einen Bash-the-Leader-Effekt, aber da die Cowboys gegen Ende ihre Punkte machen und die Indianer eher früher, trifft der eher den Falschen… Das frustriert und vor allem liegt in diesem Mehrheitenspielchen der Schwerpunkt von Dakota und die schönen Ideen dahinter kommen leider gar nicht so richtig zur Geltung. Auch baut jeder eher vor sich alleine hin und man eigentlich keinen so richtigen Überblick hat, wer was macht oder warum. So hat mich diese Partie doch eher enttäuscht – da wäre deutlich mehr drin gewesen…

Going, Going, Gone: So jetzt wieder was positives: Ein gutes, lustiges Spiel!  Zumindest wenn man Versteigerungen, in denen alle gleichzeitig agieren lustig findet. Denn darum geht es hier: Um das Ersteigern von Karten, mit denen man tunlichst Sets bilden sollte, denn dann steigen sie exponentiell im Wert. Versteigert werden immer 5 Karten gleichzeitig: Jeder Karte ist ein Becher zugeordnet und während der Auktionator in gleichmäßigem Tempo von 10 runter zählt, wirft man sein Gebot in die Becher. Und wirft nach. Und lässt sich hochbieten. Und ärgert sich, weil die Auktion zu Ende ist und man jetzt für die eine Karte viel zu viel bezahlt hat und für die andere überboten wurde – dann bekommt man zwar sein Gebot zurück, aber eben die Karte nicht. Das Spiel ist herrlich lustig-chaotisch, aber durchaus nicht völlig trivial. Wie bei jedem Versteigerungsspiel muss man eben auch hier abschätzen, wofür es sich zu bieten lohnt und ein wenig haushalten. Von fünf Leuten hatten nach dem abschließenden „Verkauf“ der ersteigerten Sets 2 weniger Geld als zuvor, zwei mehr und einer war wieder exakt beim Startgebot :-) Das erinnert mich an Reinhards Staupes Comeback, welches ich auch sehr schätze, das aber sehr viel beschaulicher ist (und für maximal 4 Spieler, während Going, Going, Gone bis zu 6 Spieler fassen kann). Durchaus kurzweilig!

…and then we held hands! : Eigentlich soll dieser kooperative Zweier die Beziehung zwischen zwei Liebenden simulieren, die zu einer Einheit verschmelzen wollen oder so. Es ist aber ein rein abstraktes Spiel, bei dem man Karten spielt, um mit seinem Pöppel auf einem Feld mit bestimmter Farbe zu landen. Dabei spielt man eine Karte für jedes Feld aus, dass man betreten möchte – die Auslage (eigene oder die des Mitspielers) kann frei gewählt werden. Dann bewegt man den Pöppel dorthin. Man kann noch weiter ziehen, in dem man weiter Karten spielt, aber wer das Zielfeld „werten“ lassen will, muss stehen bleiben. Jede Karte zieht zudem die „emotionale Balance“ in eine Richtung und neue Karten gibt es nur, wenn man dort ausgeglichen ist. Gehen einem die Zugmöglichkeiten aus (keine passenden Karten) oder gerät man zu weit ausser Balance verlieren beide Spieler. Das ist so semi-interessant. Gerade am Anfang sind die Züge eher trivial. Je weiter man im Spiel fortschreitet, desto trickreicher wird die Sache, denn man wandert auf dem Spielbrett weiter nach innen und dort sind die Kreise kleiner und damit auch die Möglichkeiten begrenzter. Hier muss man u.U. schon etwas intelligent agieren. Aber das Endspiel ist komplett misslungen, denn man muss mit „emotionaler“ Balance in die Mitte setzen. D.h. man muss sich sehr genau überlegen, mit welcher Karte man dort reinsetzt. Nur:Steht man bereits auf dem Eingangsfeld in der Mitte, dann gerät man ja in jedem Fall ausser Balance! Da man aber eine gerade Anzahl Schritte braucht, um zum nächsten Eingang zu kommen, scheidet der direkte Weg dorthin aus (man hätte nichts erreicht) und man muss einen Umweg nehmen – und dann wirds langsam ein albernes Abzählen von Feldern, das so rein gar nichts mit dem Spiel davor zu tun hat und allenfalls für Spieltheoretiker interessant sein dürfte. Ich will nun nicht ausschließen, dass ich da die Regeln falsch verstanden habe (obwohl ich das eigentlich mehrfach nachgelesen habe), aber auch ohne diesen absoluten Spielfehler ist das Spiel jetzt nichts groß, was ich vermissen werden, jetzt wo ich es verkauft habe… Es ist irgendwo originell in den Ideen, aber spielerisch nicht wirklich packend. Übrigens ist Kommunikation zwischen den beiden Spielern verboten, was aber eher als Krücke gegen „Quarterbacking“ wirkt – schließlich sind alle Informationen offen.

Colt Express mit Postkutsche und Zeitreiseauto: Ich will hier nicht viel über Jürgens Lieblingsspiel schreiben – das habe ich woanders schon getan – sondern nur kurz auf die Erweiterungen eingehen. Das Auto hat den netten Effekt, dass, endet man die Runde dort, die nächste unter einem Wagen seiner Wahl (oder der Postkutsche) beginnen kann, ohne dass die Mitspieler das wissen. Das sorgt für eine nette Überrschung, mehr aber auch nicht. Wenns passiert, ists witzig, aber gezielt darauf zu spielen, macht kaum sinn. In unserer Fünferpartie haben wir den Wagen genau zweimal benutzt und beide male eher aus Versehen. Aber das ist OK, es ist ja nur ein Promo und Promos wollen ja nun einmal nicht mehr sein, als kleine Gags. Die Postkutsche als richtige Erweiterung bringt natürlich mehr: Sie sorgt für einen unsymmetrischen Start, denn es beginnen nicht mehr alle Spieler im selben Wagen. Und sie sorgt für eine zusätzliche Aktion, nämlich das „Betreten“ eines Pferdes, das neben dem Wagen stehen muss. Damit kann ein anderer Wagen oder die Postkutsche erreicht werden. Letztere kann noch über das Dach angesprungen werden, aber IIRC geht es zurück nur per Pferd. Das sorgte bei unserer Partie für einen längeren Aufenthalt in der Kutsche – um zurück zu kommen braucht man Glück. Und einen weiteren Glücksfaktor brauche ich bei Colt Express sicherlich nicht. Aber wer das Chaos schätzt, der findet hier eben noch mehr Optionen und damit mehr Chaos. Lustig sind die Geiseln, die zusätzliches Geld bringen, aber allesamt Nachteile haben – so beißt einen der Hund jede Runde in die Hand (= neutrale Patronenkarte) oder die Oma verlangsamt den Aktionsradius. Ohne Geiseln dürfte man übrigens kaum Gewinnchancen haben, insofern muss man die Postkutsche dann auch nutzen. Wie so viele Erweiterungen bietet auch diese „More of the same“ (mehr Kram zum Aufnehmen, mehr Bahnhofskarten) und wird daher vermutlich schon deswegen bei Colt-Expresslern gekauft werden. Mir ist es dabei eher egal ob die Erweiterung dabei ist oder nicht (sie stört nicht, sie gibt mir nichts, was ich im Grundsiel vermisse), allerdings erhöht sie natürlich die Anzahl der Regeln…

ciao

peer

Peer Sylvester
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