spielbar.com

Stochern im Nebel

Es ist wieder so weit: Die Jury wird sich nächstes Wochenende in ihr Kämmerlein zurückziehen und Spiele auf die Liste setzen, mit denen sie die Spieleszene nachhaltig verärgern kann oder so. Nächstes Wochenende habe ich aber nur wenig Zeit, also werde ich heute mein Rate-Post absetzen und nach der Bekanntgabe möglichst zeitnah eine Interpretation wagen.

Dieses Jahr fällt es mir besonders schwer irgendwas sinnvolles aufzuschreiben. Zwar weiß man mittlerweile so ungefähr wohin die Reise beim Kennerspiel gehen soll, aber in meinen Augen ist in letzter Zeit kaum hauptpreisverdächtiges (Hauptpreis = „Normales“ Spiel des Jahres) erschienen. Mir fällt kein einziges (!) Spiel ein, bei dem ich uneingeschränkt sagen würde: DAS ist auf jeden Fall auf der Liste! Da das aber die Jury wohl ähnlich sehen dürfte, könnte vielleicht ein Zufallstreffer dabeisein.

Gehen wir einige Kandidaten für den Hauptpreis mal durch:

Rapa Nui wird erstaunlich wenig genannt, obgleich es in meinen Augen eines der besseren Spiele dieses Jahrganges ist. Es dürfte auch regeltechnisch noch in die Hauptpreiskategorie fallen. Gegen Rapa Nui spricht eine gewisse Abstraktheit und vielleicht auch der Kartenspielcharakter, denn Hauptpreisverdächtig sind eher „große“ Spiele. In einem Jahr wie diesen könnte ich mir eine Nominierung aber durchaus vorstellen, zumal es ein eher klassisches Spiel ist.

Kalimambo ist auch ein kleines Spiel und es ist blind bidding und ich würde es wohl nicht auf die Liste setzen. Hier stehts eigentlich nur drauf, weil es so unglaublich gut bei den Kritikern ankommt- und warum eigentlich nicht? Sicherlich, es wäre Wasser auf die Mühlen aller, denen das SdJ zu seicht wird und für die das spielerische Abendland untergeht, wenn kein Strategiespiel prämiert wird. Aber das hat die Jury nie gestört.

Grimoire ist auch ein blind bidding Spiel, aber es steckt etwas mehr Substanz dahinter als bei Kalimambo. Zudem würde man Schmidt Spiele würdigen, die in den letzten Jahren mit der Easy Play Reihe gezielt das Kulturgut Spiel fördern. Vom Gesamtpaket her – einfache Regeln, interessanter Ablauf, originelles Spiel, Aufforderungscharakter – für mich ein relativ klarer Kandidat für die Liste. Sofern es sowas gibt.

Pictomania könnte am Regelwerk scheitern, so wie letztes Jahr ein anderes Spiel (laut Bericht auf Jury-Homepage) scheiterte. Oder daran dass es „nur“ ein Malspiel ist. Beides glaube ich nicht, denn in der Regel sorgt die Jury für eine gewisse Ausgewogenheit auf der Liste und ein Partyspiel macht sich da gut neben klasssichen Spielen. Aber wie gesagt: Ob Nominierungs- oder Empfehlungsliste ist kaum einzuschätzen.

K2 ist mein diesjähriger Aussenseitertipp. Dieses Jahr kam die deutsche Version und daher ist es durchaus wählbar und es wäre eine angenehme Überraschung. Ich bin ja sowieso von den Qualitäten des Spieles überzeugt, aber ich kann es mir auch gut als Familienspiel vorstellen: Die Thematik macht es interessant, die Regeln sind nicht so komplex. Aber es sterben Leute, vielleicht verhindert das eine Nominierung. Vielleicht kommt ein Sonderpreis?

Takenoko habe ich trotz eigener Vorbehalte immer klar auf der Liste gesehen, aber da jetzt andere Kritiker dieselben Vorbehalte feststellen, habe ich Hoffnung :-) Es ist zwar süß, aber für ein Familienspiel etwas regellastig (nicht kompliziert, aber es gibt viele Kleinigkeiten, die man wissen muss und viele potentielle Regelfragen, über die selbst Vielspieler stolpern).

Nicht auf der Liste sehe ich übrigens Indigo, das ist zwar nett, aber dann doch zu simpel und vor allem zu unorginell für ein Spiel des Jahres. Ich sehe kein Merkmal, dass eine Nominierung rechtfertigen würde. Nur weil die Zielgruppe passt, muss es ja nicht gleich nominiert werden – ein bisschen Anspruch an Qualität gibt es da ja schon...;-)

Meine Tippliste sieht wohl so aus: Grimoire, Pictomania und entweder Rapa Nui oder Takenoko. Kalimambo oder K2 könnten das eine oder andere ersetzen.

Was sicherlich auf einer Liste darauf ist ist Kingdom Builder – die Frage ist nur auf welcher. „Dank“ einiger unglücklichen Bezeichnungen („Siedlungsgebiete“) sicherlich eher auf der Kennespielliste. Aber ein Grenzgänger, wie letztes Jahr Asora.

Auch auf der Kennerspielliste erwarten würde ich auch Hawaaii. Das ist nun garantiert zu komplex für den Hauptpreis, aber nicht komplizierter als ein Stone Age und damit Kennerspielmaterial. An den Qualitäten des Spiels gibt es sowieso kaum etwas auszusetzen, sofern man Worker-Placement-Spiele mag.

Drittes Spiel im Bunde könnte The Village oder Helvetia sein – beide habe ich aber nicht gespielt, daher wage ich keinen Tipp was Komplexität oder Wählbarkeit betrifft. Rein aus Bauchgefühl und Internetwissen würde ich vermuten, dass Helvetia hier die Nase vorn haben dürfte.

Update: Jetzt konnte ich gestern doch noch The Village spielen. Ich denke es ist ein guter Kandidat! Es ist nicht komplexer als z.B. Stone Age und zudem (nicht zuletzt durch hervorragende graphische Unterstützung) sehr intuitiv. Die Spieldauer liegt auch im Rahmen – das einzige, was gegen das Spiel sprechen könnte ist, dass Leute sterben. Aber das ist nunmal so ;-) Ist ja kein Gewalt verheerlichendes Spiel, ich denke so ist das OK.

Soweit meine Tipps – lasst die Spiele beginnen!

ciao

peer

 

 

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

2 Kommentare

  • Peer,
    was genau meinst mit „Pictomania könnte am Regelwerk scheitern“? Dass die Anleitung nicht gut genug ist? (Es gibt inzwischen eine komplett neue Anleitung!) Oder dass das Spiel als solches eine zu höhe Einstiegshürde darstellt?

  • Das bezog sich auf die etwas diffiziele Wertung. Wobei ich allerdings nicht weiß, ob das mit der neuen Regelversion besser dargestellt wist.

    (Bei Grenzenlos war das Verhältnis zwischen Spielzeit und Wertung aber noch schiefer…aber das war auch nicht nominiert ;-) )