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Verlagsvorstellung: Revaler

Die Landkarte der Spieleverlage wird erweitert: Revaler ist der erste Spieleverlag aus Estland, den ich hier vorstelle. Sicherlich gibt es vermutlich ein Sprachproblem mit den meisten Spielen, aber Asko Künnap (mein Interviewpartner) hat mir versichert, dass das in Griff zu kriegen ist, wenn man wirklich will. Ich bin gespannt …

Bitte stelle Dich und Deinen Verlag unseren Lesern vor!

Revalerist ein Zweimannbetrieb. Mein Kollege Priit Isok und ich gründeten ihn als Ableger von Rakett (Rakete), einer Werbefirma und Design-Fabrik. Da wir beide das Spielen lieben war es der nächste logische Schritt, es in etwas mehr Substantielles zu verwandeln. Vielleicht sogar in etwas, was uns (zumindest theoretisch) auch mal ernähren kann. Ich begann mit der Spieleentwicklung in meinen Teenagerzeiten. Die farbigen Spiele in den Buchläden kosteten eine Menge und als ich meinen Vater nach Geld dafür fragte meinte er, ich hätte zwei Hände und einen Kopf und könne wohl meine eigenen machen, Papier und Stift lägen in der obersten Schublade, bitteschön! Mit Piit machte ich erst später Spiele – wir waren zusammen in der Tallinn Kunstakademie, in der Abteilung für Graphik und Industriedesign.

Bitte erzähle uns doch etwas über eure Spiele!

Alle unsere Spiele sind ausgiebig gestet wurden, nicht nur mit Tieren, sondern auch mit Menschen, ja sogar mit Kindern! Schrecklich, nicht? Da wir beide Graphiker sind, haben wir alle Illustrationen und die Schachtelgraphik selbst gestaltet. Wir versuchen unsere Spiele leicht zu halten. Wir versuchen uns an zwei Regeln zu halten: 1) Ein Spiel sollte nicht über eine Stunde dauern. 2) Die Regeln sollten (inklusive Graphiken) auf eine 2 DIN A 4 – Seiten passen. Wir konzentrieren uns auf Gelegenheitsspieler. Also, die Leute, die nicht versuchen mit Spielen ihr reales Leben zu vergessen, sondern die, die Spiele als soziales Hobbys sehen, dass sie mit ihrer Familie oder mit Freunden und einem Rotwein teilen. Vielleicht denken die ernsthafteren Spieler, die sind zu seicht, aber unser neuestes Spiel „Der Mann, der Snakish sprach“ (Ussisõnad) verkaufte sich 10.000 mal in 3 Monaten und das in einem Markt von nur 1 Mio. Menschen! Und die Käufer fragen uns schon nach Boostern und Erweiterungen!

Was habt ihr für die Zukunft geplant?

Bislang war Revler nur auf dem winzigen Estischen Markt aktiv. Die einzige Ausnahme war „The Farlander“, das wir auch in Skandinavien angeboten haben. Aber wir sind ehrgeizig. Wir haben die Essener Spielemesse besucht und festgestellt, dass dort nichts ist, wovor man Angst haben müsste. Aber wir arbeiten vorsichtig und mit Bedacht: Unsere Arbeit in der Werbebranche und zahlreiche Projekte in Bereichen wie Telekomunikation, Fluglinien und Popbands haben uns mit Erfahrung, Zen, OM und der Macht ausgestattet!

Erzähle uns doch ein bisschen über die Spieleszene in Estland!

Bis vor ca. 10 Jahren war die Spieleszene in Estland nichtexistent. Aber sie wächst stark. In meiner Kindheit – und das war noch während der düsteren Sowjet-Zeit – war die Auswahl an Brettspielen sehr begrenzt. Wie eigentlich die Auswahl an allem. Die meisten Spiele waren nur Varianten von Snakes & Ladders oder Mensch-ärgere-dich-nicht. Scahch und Dame waren natürlich sehr populär. Als ich die Spieleauswahl in Finnaland als Teenager sah, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen. Und selbst die Auswhal war verglichen mit der heutigen nicht sehr groß.

Jetzt hat der Boom hier gerade begonnen. Neue Brettspielläden öffneten ihre Pforten in Tallinn und Tartu und Zeitschriften rezensieren Spiele. Spiele und Spieleautoren werden in neuen Foren diskutiert. Sogar einige Geschäftsleute haben (endlich) herausgefundne, dass ein gutes Spiel ein besseres Werbegeschenk darstellt als eine hässliche Vase oder ein hässliches Bild in einem geschmacklosen Rahmen. Revaler hat an dieser Entwicklung natürlich seinen Anteil.

Die beliebtesten Spiele sind alle Versionen von Carcassonne und den Siedlern. Die ersten Meisterschaften wurden sogar ausgetragen. Andere beliebte Spiele sind Magic, Risiko, das verrückte Labyrinth und Saboteur, das abstrakte Spiel von Gigamic. Alias war ein großer Hit [ein finnisches Wortspiel Anm. d. Übersetzers] als es übersetzt wurde. D&D verbreitet seine Fangebemeinde hier stetig, besonders in der Universitätsstadt Tartu.  Und dann gibt es noch eine Splitterszene von Spielern, die komplizierte Strategiespiele spielen.  Der Bestseller letztes Jahr war aber natürlich unser Snarkish…

Dann erzähle doch noch ein bisschen was über Snarkish! Und: Sind die Regeln auch in anderen Sprachen verfügbar?

The Man Who Spoke Snakishist der volle Name unseres Hitspieles, aber jeder nennt es nur Snakish, und das ist die Sprache der Schlangen.

Zur Entwicklungsgeschichte: Eines Regentages saß meine Frau und ich am Küchentsich und wollten einige neue Abenteuerkarten- und brettspiele spielen, die ich von einer Geschäftsreise mitgebracht habe. Einige waren recht gut, aber alle waren viel zu kompliziert mit Regelbüchern, die so dick waren wie das Alte Testament. Also machten wir unser eigenes Spiel! Wir arbeiteten den Rest des Tages an unserer Idee und anschließend testeten wir es mit Priit, seinen Kindern und unseren Freunden.

Am nächsten Tag hatte meine Frau Julia Maria die Idee, dass das Szenario sehr gut zu dem Buch „The Man who spoke Snarkish“ von  Andrus Kivirähk passt. Die Geschichte ist ein ironisch-leichtes und etwas wildes historisches Fantasy-Abenteuer, die auf Estonischer Geschichte basiert. Es erzählt die Geschichte des letzten Mannes auf Erden, der noch die Sprache der Schlangen spricht und der gegen alles Böse kämpft, das aus dem Süden und aus dem Osten kommt: Christentum, Teutonische Ordnung etc. Das Buch ist eine Art Kult hier. Ich kenne denn Autoren und fragte ihn über einem Bier ob ich das Spiel an seine Geschichte anpassen dürfte. Ihm gefiel der Mechanismus und gab seine Zustimmung.

Das Spiel selbst liegt irgendwo auf halben Wege zwischen dem Dungeoneer Kartenspiel und Munchkin, ist aber deutlich einfacher als The Dungeoneer. Es dauert etwa 60-90 Minuten, je nachdem wie ernsthaft die Spieler zu Sache gehen.  Was die meisten wohl am meisten an dem Spiel mögen (außer dem lokalen Thema) sind die speziellen Holzwürfel, die ich extra für das Spiel entworfen habe. Und es ist nicht notwenig, dass man das Buch kennt, um am Spiel seine Freude zu haben. Auch ist das Thema etwas weicher als im Buch, so dass auch Kinder mitspielen können.

Bislang sind die Regeln nur auf Estisch. Aber es gibt viele Nachfragen, die Regel auf englisch zu übersetzen. Auch gibt es wohl Pläne dafür, dass Buch zu übersetzen.

Vielen Dank für das Interview!

Peer Sylvester
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