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Evolution des Rollenspiels

Zuerst einmal: Wir begrüßen die Rezi von Dixit 2 in unseren Reihen! Willkommen, Rezi!

Gestern habe ich mich mit meiner alten Rollenspieltruppe getroffen und nach 7 Jahren mal wieder mit denen Vampire gespielt. Hat Spaß gemacht, auch wenn ich festgestellt habe, dass auch Rollenspiel ein wenig Übungssache ist (wir haben ewig gebraucht um einigermaßen ins Abenteuer reinzufinden)

Vor allem aber habe ich mich gewundert wie weit Rollen- und Brettspiel eigentlich voneinander entfernt sind. Sicherlich gibt es Grenzposten (Abenteuer von Münchhausen z.B.), aber im Großen und Ganzen sind Rollenspiele doch so weit von Brettspielen entfernt wie Videospiele.

Rekapitulieren wir kurz: Vorläufer ist wohl ein Spiel gewesen, bei dem es Ziel war mit seinen Charakteren Fantasywesen zu besiegen (vermutlich Chainmail). Interessanterweise sind moderne Dungeon Crawler wie Descent wieder ganz ähnlich aufgebaut: Verschiedene Leute mit verschiedenen Eigenschaften kämpfen gegen Monster mit verschiedenen Eigenschaften. Als Gygax und Arneson begannen, ihre Charaktere lieb zu gewinnen, spielten sie diese Kämpfe mehr und mehr aus, was aber wenig mehr war als „Table Talk“.

Der Schritt von „Fantasy-Kampfspiel mit verschiedenen Charakteren“ zum „Rollenspiel ohne konkretes Ziel, bei dem fast alles im Kopf stattfindet“ ist dabei ein evolutionäres Großereignis gewesen. Sicherlich war (und ist) Dungeons & Dragons ein extrem kampfbetontes Rollenspiel, dass seine Wurzeln kaum verleugnet (Spötter behaupten D&D ist in der neuesten Edition auch schon wieder bei Chainmail angekommen). Nichtsdestotrotz denke ich aber, dass dieser Schritt sehr viel gewaltiger ist, als alles was ansonsten in der Spielwelt  passiert ist. Computerspiele sind natürlich viel erfolgreicher und allgegenwärtiger, aber ihre Entwicklung aus elektronischen Spielzeug und chipunterstützten Brettspielen wie Atlantis war jedoch sehr viel natürlicher. Sammelkartenspiele waren ebenfalls eine geniale Idee, aber auch hier ist der Schritt nicht so gewaltig wie bei der Entwicklung des Rollenspieles. Man darf nicht vergessen: Bei Rollenspielen gibt es kein konkretes Ziel. Ales findet im Kopf statt. Alles was sich die Spieler ausdenken können, ist auch möglich. Die Regeln geben so nur ein Rahmenwerk vor. Das ist schon fast die Antithese vom Brettspiel, bei dem alles auf Abgeschlossenenheit abzielt: Spieldauer, konkretes Ziel, möglichst lückenloses Regelwerk, dass die Züge der Spieler in enge Bahnen lenkt,

Dabei ist Rollenspiel immer ein Nischenhobby geblieben, dass zudem Anfang der 90er mit der Sammelkartenwelle ziemlich an die Wand gedrückt wurde: Viele Spieler begannen mit Magic und stellten das Rollenspiel ein. Viel schwerwiegender war jedoch dass viele Rollenspielfirmen auf den Sammelkartenzug aufsprangen und Rollenspielbücher verschoben oder aussetzten, um ihr eigenen Sammelkartenspiel auf den Markt zu werfen. Profitiert haben davon die wenigsten. Ende der 90er Jahre kamen Rollenspiele dann wieder etwas zurück; Der Sammelkarten-Boom war abgeebt, Systeme wie White Wolfs „World of Darkness“ lockten mit dichten Welten und vergleichsweise einfachen (wenn auch z.T, wenig griffigen) Regeln. In den USA wurde die Szene mitgeprägt von unglaublich vielen Kleinverlagen mit sehr innovativen Rollenspielen, die oftmal als pdf-Dateien verkauft wurden. Das hatte mehr Vielfalt, aber auch eine gewisse Zersplitterung der Szene zu Folge. In den letzten Jahren sind allerdings wieder Neuauflagen der Klassiker in Kommen: Das gute alte Traveller zum Beispiel lockt mit einer Neuauflage und selbst das abgedrehte Paranoia soll in der neues Version deutlich spielbarer sein.

Aber der Boom der letzten Jahre, der die Brettspielszene erfasste (siehe mein letztes Posting) blieb bei Rollenspielen aus. Rollenspiel ist wohl doch etwas sehr spezielles und damit nichts für die breite Masse- nicht dass das etwas schlechtes wäre…

ciao

peer

Peer Sylvester
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