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Rules in da House!

Ich habe letzte Woche etwas gemacht, was von vielen Personen der öffentlichen Spieleszene verpönt ist: Ich habe eine Hausregel verwendet.

Bevor man mich jedoch behandelt, als hätte ich am falschen Ort „Jehova“ gerufen, möchte ich zur meiner Verteidigung ein paar Worte sagen:

Normalerweise stehe ich Hausregeln ablehnend gegenüber und zwar gleich aus mehreren Gründen: Erstens sprechen da rein praktische Gründe dagegen: Ich habe genug damit zu tun, meine eigenen Spiele zu entwickeln und probezuspielen. Ich habe weder Lust noch Zeit auch noch andere fremde Spiele weiterzuentwickeln, bis sie mir (vielleicht) Spaß machen – dazu gibt es zu viele andere Spiele. Dann sind Hauregeln per Definition nur innerhalb eines bestimmten Freundeskreis anzuwenden – außerhalb ists doof, denn dann muss man sich über die Regeln einigen, diskutieren und oft ist der Spielegeschmack eh nicht kompatibel. Ich bin da ein gebranntes Kind, „durfte“ ich doch mal eine Version von Formula Dé spielen (eines meiner Lieblingsspiele), die angeblich realistischer ist. Mag sein, hat aber dafür überhaupt keinen Spaß gemacht. Und drittens: Die meisten Variablen in einem Spielen haben ihren konkreten Wert durch häufige Testspiele bekommen – einfach was ändern bringt oft ungeahnte Probleme mit sich und die Spielbalance geht zum Teufel. Ein drittes Jahr bei Wallenstein ist sehr statisch und es gehen die Plättchen aus. Das Herausnehmen einer Figur bei Dice Town limitiert die taktischen Möglichkeiten und nimmt dem Spiel einen Rettungsschirm. Es hat oft seinen Grund, dass diese Dinge so sind, wie sie sind.

Doch das gilt nicht uneingeschränkt. Ich halte es in den meisten Fällen für falsch in die Spielmechanik direkt einzugreifen. Was aber durchaus in Einzelfällen geht, ist am Lack zu kratzen. Bestimmte „Randregeln“ und Vereinfachungen sind nämlich nur deshalb entstanden, um das Spiel einfacher zu machen und die Regeln zu verschlanken. Wer Sonderfälle nicht scheut, kann hier durchaus korrigierend eingreifen, um das Spiel (subjektiv) zu verbessern, ohne dass das eigentliche Spiel betroffen ist. Das will ich an drei Beispielen verdeutlichen:

1.)  Kaleidos war das Spiel, von dem eben ich sprach. In der ersten Auflage (von eg) gab es eine Regellücke, die in der Neuauflage (Cocktail Games) behoben wurde. Es geht um die Frage, ob man mehrere Begriffe aufschreiben darf, die sich alle um denselben Gegenstand drehen, nur um andere Teile davon. Das wird in den neuen Regeln erlaubt, aber wir haben das nach einer verkorksten Partie (bereits bei der Erstauflage) verboten. Warum? Wir lieben dieses Spiel und sind (wenn ich das mal so selbstsicher sagen darf) recht wortgewandt. Und benutzten in einer Partie z.B. „Dinosaurierkopf, Dinosaurierhals, Dinosaurierhaut, Dinosaurierfuß, Dinosaurierauge, Dinosaurierzahn, Dinosauriernbein, Dinosauriermund, Dinosaurierklaue, Dinosaurierzeh, Dinosaurierrumpf, Dinosaurierbauch… usw. Auf jedem Bild ging es dann nur noch darum möglichst schnell EINEN Begriff mit dem Buchstaben zu finden und möglichst viele Worte daraus zu quetschen. Das wiederspricht aber dem Grundgedanken des Spieles: Nämlich den Suchaspekt, also möglichst viele verschiedene Gegenstände zu suchen, die mit dem Buchstaben anfangen. Aso haben wir die Regeln leicht abgeändert, um den Spielspaß zu erhalten. (Ansonsten ist die Neuauflage übrigens sehr gelungen – Die Metallschachtel ist toll. Die Bilder sind jetzt eher künstlerisch statt kitschig, bieten aber jede Menge Möglichkeiten. Es ist und bleibt ein tolles Spiel und wer solche Such-Party-Spiele mag, sollte unbedingt zugreifen!)

2.) Bei Zug um Zug – Schweiz gibt es einige Auftragskarten doppelt. Diese zeigen zwei Alternativziele. Nun kann man nach den Regeln das Glück haben, zweimal dieselbe Karte zu ziehen und man würde mit einer Verbindung doppelt punkten. Das erhöht den Glücksfaktor unnötig. Die Idee der Originalregel ist klar die Vereinfachung : Es bedarf so keiner  zusätzlich Regel für einen Spezialfall. Das ist legitim. Ebenso legitim ist aber diese Zusatzregel einfach zu erfinden: Will man zweimal punkten muss man auch zwei Alternativstrecken vorweisen können. Auch hier ist der Kern des Spieles nicht betroffen – nur ein Spezialfall wird etwas anders gelöst.

3.) Mr. Moneymaker ist nicht nur unglaublich häßlich, sondern auch regeltechnisch redaktionell nicht so toll bearbeitet worden. Die Siegbedingung greift z.B. zu früh. Das Spiel hat nämlich eine etwas lange Anlaufphase, bei der Vorraussetzungen nicht wirklich möglich sind. Wenn sich alles etwas stabilisiert fängt das Spiel an Spaß zu machen – ist aber nach den Regeln schon wieder beendet. Hier hilft eine Erhöhung des Zielkapitals: Wer zuerst 1300 DM bekommt gewinnt (Noch höher macht keinen Sinn, dann haben die Spieler zu viel Geld, was dem Spiel ebenfalls nicht guttut). Eine weitere Empfehlung basiert auf einen Regelfehler: Man kann etwas mehr zocken, wenn man entweder vor oder nach dem Würfeln kaufen darf (aber nicht sowohl als auch).

In allen drei Fällen bleibt der Kern des Spieles und die herrschenden Wirkungsgeflechte unberührt. Es werden nur Sonderreglen geschaffen bzw. verändert und eine (vermutlich willkürlich gesetzte) Zahl verändert. Diese Hausregeln sind imho legitim – auch weil man sich leicht einigen kann sie wegzulassen, wenn man  denn will…

Kurzer Ersteindruck von Bombay: Tolles Material und die Spieldauer ist erfreulich kurz. Leider hat mich das Spiel nicht umgehauen: Ich mag eigentlich Zugoptimierspiele (und hab dieses auch recht deutlich gewonnen), aber hier fehlt mir irgendwie der Flair des Spieles. Ich kanns auch gar nicht so recht begründen, woran das liegt. Zum einen kommt alles recht mechanisch daher – alles wirkt konstruiert, nicht wirklich organisch auf Thema oder Spielverlauf zugeschnitten. Die Regeln machen Sinn, keine Frage, wirken aber aufgesetzt. Dann habe ich nur 3 Aktionspunkte pro Zug. Das hält zwar die Runden schön kurz und hält die Grübler in Schach – wirkt aber leider etwas unbefriedigend. Letztlich verbraucht man die meisten Punkte fürs setzen und dadurch hat man nicht gerade das Gefühl wirklich was zu erreichen oder auf den Spielverlauf signifikant einzugehen. Auch fehlt mir die Entwicklung während des Spieles. Zwar kommen die Paläste auf den Plan, das wars dann aber schon. Und die Interaktion ist auch eher gering. Ich glaube mein größtes Problem ist aber das Fehlen der „Turn-Angst“ wie die Amis sagen: Ich hatte nie das Gefühl, jetzt vor meinem Zug zu hoffen und zu bangen oder mitzufiebern. Man spielt halt vor sich hin und tut, was ein Seidenhändler tun muss. Kann ich A nicht machen, mache ich eben B. Dabei werde ich zwar beschäftigt, aber nicht unterhalten. Beileibe kein schlechtes Spiel, aber auch keines, dass ich demnächst nochmal mal spielen muss.

ciao

peer

Peer Sylvester
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