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Kleine Neuheitenschau

Endlich habe ich nach dem Umzug wieder einen Internet-Anschluss! Damit sich die Wartezeit gelohnt hat, präsentiere ich einen Sack voller Eindrücke zu diversen Neuheiten!

Es sind übrigens erstaunlich viele Graupen dabei. Ich bitte meine Autorenkollegen jetzt schon für einige harte Worte um Verzeihung. Aber Kritikfähigkeit sollte man als professioneller Autor ja wohl schon besitzen, oder? Abgesehen davon muss ich auch gestehen: Mich ärgert es schon etwas, wenn ein Verlag einen guten Prototypen von mir oder einem befreundeten Autoren ablehnt, um dann ein Spiel zu veröffentlichen dass m.E. noch einiger Entwicklungsarbeit bedarf!

 Anfangen möchte ich mit Vineta aus dem Hause Winning Moves. Die haben nach der letzten Messe viel Kritik einstecken müssen. Vineta wurde übrigens in meinem Buch „So spielt die Welt“ im Kapitel über Brasilien erwähnt – damals hieß es noch Waka Waka. Da ich den brasilianische Spieleautorenstil durch meine Recherchen ein bisschen kenne, habe ich ein nettes Familienspiel erwartet. „Familienspiel“ war dann auch richtig, dass Adjektiv würde ich jetzt sicherlich anders wählen…

Bei Vineta geht eine Insel unter (den Namen kann der Leser ja mal raten. Er hat einen Versuch!) und zwar pro Runde versinkt ein Stadtteil in den Fluten. Bei Spielende bleibt einer übrig, samt den paar Bewohnern, die sich darauf retten konnten. Bei Spielbeginn wird einem ein Stadtteil und eine Bewohnerfarbe zugelost. Diese muss man schützen, wenn erfolgreich gibt es bei Spielende Punkte. Damit fängt es schon an: Die Randbezirke versinken potentiell früher in den Fluten und um das auszugleichen bekommen die Spieler, die einen Randbezirk zugelost bekommen haben mehr Punkte. Das wissen auch die anderen Spieler und werden die Randbezirke eher untergehen lassen, denn so viele Punkte, kann man ja niemandem gönnen, oder? Damit wurde schon angedeutet was die Spieler tun: Kartengesteuert stimmen sie ab, welcher Stadtteil untergeht oder sie jagen die Bewohner von einem Stadtteil zum nächsten. Die Karten werden dazu verdeckt und gleichzeitig ausgewählt und nacheinander ausgespielt. Klingt alles ganz gut und in den ersten paar Spielzügen spielt es sich vielleicht auch noch ganz gut. Langsam wird aber klar: Das Ganze ist absolut unplanbar. Der eine spielt eine Karte, der nächste hat zufälligerweise die Gegenkarte und macht den Zug rückgängig. Der übernächste hat zufällig die Karte, welche das Rundende (und damit den Untergang des nächsten Stadtviertels) einleitet. Fazit: Der erste Spieler hat viel geplant und (mit Pech) viel verloren (sollte dies gegen Spielende passiert sein). Andere haben da mehr Glück. Zwar hat jeder denselben Satz, aber die Kartenzahl ist viel zu hoch gewählt, so dass es reine Glückssache ist, ob man mit den guten Karten auch was anfangen kann. Die Karten sind unglaublich unterschiedlich in ihren Wirkungen. Ich könnte noch weitere Defizite aufzählen, aber das Fazit ist klar: Absolut zufällig, dabei aber durch die vielen Karten zu kompliziert und auch zu langatmig, um als „lockeres Familienspiel“ durchzugehen. Hier fehlt etwa 1 Jahr Entwicklungsarbeit, um aus dem gar nicht uninteressanten Ansatz ein brauchbares Spiel zu machen.

 Nach so einem Brocken (große Schachtel, eine Stunde Spieldauer) ein paar kleine Happen aus der Bring-mich-Mit-Reihe von Kosmos. Dort sind das Siedler-Würfelspiel und das Ubongo-Bmm-Spiel erschienen, brauchbare Spielkost für kleinsten Preis und anscheinend nicht unerfolgreich. Grund genug auch Einfach-Genial als BMM-Spiel umzusetzen. So können die Familien erst einmal das große Spiel probe spielen. Guter Gedanke!

Überraschend nur, dass das Spiel absolut nichts mit Knizias gelungenem Einfach genial gemein hat! Naja, fast nix: Die Plättchen tragen die bekannten Symbole. Ziel ist es von jeder Sorte eine bestimmte Anzahl (waren es 7?) zu bekommen. Dazu gibt es eine Standartauslage von drei offenen Plättchen, der Rest ist verdeckt. Nun zieht der Zugspieler ein Plättchen. Zeigt es ein Symbol, dass noch nicht in der Auslage liegt, so hat er Pech gehabt: Sein Zug ist beendet, das umgedrehte Plättchen kommt zur Auslage (und sein Gegenüber hat es ein bisschen einfacher). Liegt ein Duplikat in der Auslage darf er weiter ziehen wenn er will und zwar so lange bis er entweder freiwillig aufhört (und alle Plättchen UND alle Duplikate aus der Auslage mitnimmt) oder eben ein Symbol oh´ne Duplikat oder ein Symbol doppelt zieht. Und um eine weitere Parallele zu dem großen Einfach genial aufzubauen bekommt der Spieler einen zweiten Zug wenn er eine Reihe vervollständigt – dadurch wird das Ende etwas spannend. Unterm Strich kann man sagen, dass das kleine Einfach genial durchaus funktioniert und auch etwas Spaß bereitet. Aber es ist auch sehr mechanisch und der Can´t Stop – Effekt kommt kaum zu tragen (Da ja nur Symbole gezogen werden dürfen, die in der Auslage liegen UND noch nicht gezogen wurden sind ziehen nur Hasadeure mehr als zweimal nach). Begeisterung verursacht das Spiel nicht, eher Kopfnicken und vergessen. Irgendwie ist es mehr eine Beschäftigung als Spiel – eine Art Tempo, kleine Schnecke für Erwachsene.

 Nicht so schnell vergessen werde ich das andere Spiel der BMM-Reihe: Der goldene Kompass – Die Reise. Der Grund: Es ist das schlechteste Spiel, dass ich seit langer, langer Zeit gespielt habe. Das letzte Spiel dieser „Qualität“ war Schlitzohr von Schmidt Spiele… Das Problem mit dem Spiel ist auch schnell erkannt: Es werden die Figuren von allen Spielen gleichermaßen bewegt und solche Spiele gehören imho zu dem am schwersten zu designenen Spielen, denn die Gefahr, dass entweder keiner etwas tun mag oder dass ein Spieler das Spiel mutwillig zerstört ist bei dieser Art Spiel besonders hoch. Und bei allem Respekt für die beiden Autoren: Bei diesem Spiel wurde diese Gefahr überhaupt nicht beachtet! Es geht darum zwei bestimmte Charakterscheiben auf die andere Seite der Brücke zu bewegen. Dazu kann man eine einzelne Scheibe bewegen, aber auch einen Turm oder einen Teil eines Turmes. Umgekehrt kann man die genommenen Scheiben auch ihrerseits auf ein freies Feld oder auf einen Turm stellen. Eine weitere Regel verdient noch Beachtung: Wird eine bestimmte Scheibe während des Zuges aufgedeckt, hat der verantworliche Spieler sofort verloren! Eine typische Partie dürfte nun so ablaufen: Am Anfang bewegen die Spieler mehr oder minder sinnlos die Scheiben hin und her. Keiner möchte dem anderen eine Vorlage liefern. Irgendwann hat entweder einer genug oder er hat nicht aufgepasst und stellt dann einfach alle Scheiben übereinander, so dass das Aufdecken zum reinen Glücksspiel wird (es sei denn man zählt deutlich jedes Mal alle Scheiben ab, aber weder glaube ich, dass dies erlaubt ist, noch dass das im Sinne des Spieles ist, denn dann wissen immer alle über alles Bescheid). Ein Zug reicht da u.U. schon aus. Damit ist das Spiel (das vermutlich eine knackige Mutprobe sein soll) völlig unbrauchbar. Mich beschleicht das Gefühl, als hätten die Autoren die Aufgabe gehabt aus fertigem Material ein Lizenzspiel zu zimmern und dafür nur die Mittagspause zur Verfügung gehabt.

On Top ist ein weiteres Spiel der Kosmos-Reihe der abstraten, einfachen Taktik-Spiele, in der bislang u.a. Einfach genial und Just 4 fun erschienen sind. Vom ersten Eindruck her würde ich es qualitativ zwischen diesen beiden Vorgängern einordnen wollen (wobei ich letzteres nicht wirklich mag). Etwas mehr zum Spielablauf findet man hier, ich möchte mich auf die Aussage beschränken, dass es sich um ein Spiel der „Mach das beste aus der Karte“-Sorte handelt, welches gut funktioniert, leicht zu spielen ist, dem aber die Originalität irgendwie fehlt. Der Punktmechanismus erscheint mir komplizierter als unbedingt nötig (es zählen nur die zweitplatzierten Farben für die Punkte, nicht alle. In der Praxis kam es bei uns in den zwei Partien aber nur genau 2x vor – einmal in jeder Partie – dass diese Unterscheidung eine Rolle spielte), aber das kann an mangelnder Spieleerfahrung liegen. Ich brauche es nicht, denn in dem Segment habe ich bereits zahlreiche andere und z.T. bessere Spiele. Als Einsteigerspiel aber durchaus brauchbar (Und irgendwie erinnert es mich an Continuo. Keine Ahnung warum – Ist das Spielgefühl wirklich so ähnlich?)

Metropolys hat mittlerweile Keltis als meine Lieblings-Neuheit abgelöst. Nach zwei Partien (zu dritt und zu viert) denke ich , dass der Hauptmechanismus (Versteigerung, aber mit einer gewissen Topologie) gut genug ist um das Spiel zu tragen und dass er zahlreiche taktsiche Winkelzüge zulässt. Mir gefällts wirklich gut! Ich halte sowieso viel von Pauchon, versucht er doch alten Mechanismen neues Leben einzuhauchen (Ich warte auf sein Zweipersonen-Party-Spiel :-) ) Allerdings gibts einige Kritikpunkte zu bedenken: Am Ende wird sehr viel gerechnet (eine Kramerleiste hätte hier geholfen), das Spiel hat enormes Grübelpotential und weniger Spieler sind günstiger: Die Versteigerungen sind etwas planbarer, die Grübelzeiten natürlich kürzer und dank des abgeriegelten Stadtviertels sind zu dritt auch schneller topologische Tricks möglich, als zu viert, wo die Anfangsphase etwas zu lang werden kann, bevor das Spiel seine Stärken ausspielen kann. Die Graphik ist sehr umstritten. Ich finde den Spielplan gar nicht mal übel (auch wenn die Stadtteilgrenzen etwas deutlicher hätten sein müssen), die Schachtel aber vom Layout her häßlich: Schönes Bild, häßlicher Schriftzug, häßlicher Rahmen. Das rangiert aber unter Geschmackssache. Von den hier beschriebenen Spielen sicherlich mein Favorit. Spiel-des-Jahres-Material ist es aber eher nicht: Zu grübellastig, zu abstrakt für ein Familienspiel.

Über Blox habe ich bereits ein PEEP verfasst – ich ergänze nur, dass ich es nun außer zu dritt auch zu viert gespielt habe und es mir zu dritt besser gefällt. Zu viert stehen zu viele Figuren auf dem Plan und man kann sich so kaum davor schützen, geschlagen zu werden.

Keltis hat in weiteren Partien leicht in der Gunst verloren: Immer noch gut, weil schnelles „Zwischendurchspiel“, aber nur zu viert. Was mir nicht gefällt ist, dass man wegen der Steine am Anfang gute Karten braucht und ein schlechtes Startblatt kaum wettmachen kann: Die anderen nehmen einem die Steine vor der Nase weg. Vielleicht hätte man auf dieses Element verzichten können? Oder man hätte zumindest auf die Minuspunkte verzichten müssen – ich hab mich aber nicht getraut das mal auszuprobieren. Jedenfalls verringern die Steine das Taktikmoment, was natürlich schade ist.

Utopia ist keine Nürnberg-Neuheit, aber man hat nicht viel drüber gelesen, daher ein paar Worte: Es wundert mich nicht, dass niemand darüber schreibt; Utopia ist nicht wirklich schlecht, es ist aber auch nicht wirklich gut und beeindruckt nicht wirklich. Die Ausstattung ist toll (erinnert mich an Days-of-Wonder-Spiele), aber nicht optimal aus spielerischen Gesichtspunkten (will sagen: Etwas unübersichtlich). Spielerisch bietet jeder Zug eine regelrecht unübersichtliche Anzahl an Zugmöglichkeiten, aber unterm Strich kommt nicht viel raus. Man kann ungemein grübeln und überlegen ob Zug A oder B oder C oder D oder gar E am besten wäre, aber letztlich ist man so abhängig von Karten und Architektenchips, dass die ganzen Möglichkeiten letztlich das Spiel nur aufhalten, aber nicht interessanetr machen. Zudem sind die Wartezeiten recht lang, so dass es vermutlich tatsächlich zu zweit am besten sein dürfte (Mein Eindruck wird mir von einem Mitspieler, der es zu viert und zu zweit gespielt hat bestätigt). Immerhin bekommt man in seinem Zug 5 Karten PLUS die Karten die man aus der Vorrunde übrig behalten hat, so dass im Extremfall 10 Züge gemacht werden können – und alle werden ausgeführt, bis der nächste an der Reihe ist. Das man da etwas warten muss (ohne so richtig vorrausplanen zu können) ist logisch. Wer über die Wartezeiten eines Javas meckert, sollte von Utopia die Finger lassen! (Zumal bei Java der Einfluss deutlich höher ist!) 

Und zu guter Letzt noch eine Anmerkung zu Zug um Zug – Schweiz: Dank des kleines Brettes eine schöne Alternative zu zweit oder zu dritt. Ich würds mir nicht unbedingt besorgen (weil ich mir nur äußerst selten Erweiterungen kaufe), aber für Fans ein sehr sinnvoller Kauf! Leider gibt es eine Regellücke: Was passiert wenn man dieselbe Zielkarte 2x auf der Hand hat? Wir haben so gespielt, dass man zwei verschiedene der aufgedruckten Verbinungen haben muss, um 2x Punkte zu bekommen.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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