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Zwei Tiny Games: Rainbow und Prey

Vier Spiele umfasst den „Tiny Games“-Reihe von Allplay im Moment (die seltsamerweise -im Moment- nicht auf der Webseite beworben wird): Das bereits besprochene Fairy, die Neuauflage des originellen Sammelspieles Cat poker mit dem Namen Panda Panda sowie zwei Spiele, die ich mal „Die zwei Stichspiele“ nennen will, da es sich um zwei Stichspiele handelt (Ich bin gut mit Benennungen). Hier ist mein Senf zu den letzteren:

Stichspiele als eigenständiges Genres haben zwar immer eine klar erkennbare Struktur, aber innerhalb der Struktur bewegen sie sich quasi auf zwei Schienen: An der einen Achse ist die Frage, wie stark sich Struktur und Spielgefühl an den klassischen Spielen orientieren oder ob gänzlich neue Dinge probiert werden. Die traditionellen Spiele wie Skat oder Schafskopf stellen dabei naturgemäß das eine Ende des Spektrums dar, das andere wird von „jungen Wilden“ besetzt, die gezielt versuchen, etablierte Stichspielkonventionen zu brechen (Potato Man) oder gar in einem gänzlich anderen Kontext einzusetzen (12 Chip trick).

Die zweite Achse bezieht sich auf die Spielkontrolle, aber auch auf die Ausrichtung des Spielgefühls. Ist die erste Achse ein klares Kontinuum, sind die Stichspiele entlang der zweiten Achse nach meinem Gefühl stärker getrennt in leichte „Fun-Spiele“ (oft mit hohem Ärgerfaktor), wie das klassische Hearts, bei dem man „einfach so runterspielt“ und eher situative Entscheidungen trifft, denn zu versuchen das Spiel zu kontrollieren (bei den neueren Spielen würde ich das Ende bei Play the A chord oder Schadenfreude sehen). Oft versucht man hier mit Wahrscheinlichkeiten und viel Schätzungen zu agieren. Auf der anderen Seite liegen dann Spiele, die zunehmend das Planen des Abspielens belohnen – eben wie bei dem klassischen Skat, aber auch Indulgence fällt hierunter. Ich werde mal die zwei Kartenspiele (um bei meinem Namen zu bleiben) in dieses Koordinatensystem einsortieren:

Rainbow

Autor: Mito Sazuki

Für 2-6 Personen ab 8 Jahren

Spieldauer: 10-20 Minuten (aber eigentlich nur, weil man es nicht bei einer Partie belässt)

Haue ich die drei Fünfen raus, um die 4 zu gewinnen, gibt es nächste Runde 3 Fünfen zu gewinnen – von denen zwei im Paket angeboten werden. 10 Punkte um 4 zu gewinnen? Hoffentlich reicht meine Kartenhand!

Ganz klar auf der Fun-Leiste weit oben unterwegs ist Rainbow: Hier werden Kombinationen aus mehreren Karten gebildet, um Punktekarten zu gewinnen: Je besser die Kombi, desto bessere Punktekarten kann man abgreifen – sofern es sie denn gibt. Der Gag: Die gespielten Karten von heute sind die Punktekarten von morgen (jedenfalls wenn man sehr langsam spielt). Denkt man erst, dass Rainbow fast ausschließlich von der Kartenverteilung abhängt, sorgt diese Regel für ein paar Aha-Effekte. Insbesondere weil die hohen Karten, mit denen man eine starke Kombi bildet, eben gleichzeitig ein hohes Punkteangebot für die Folgerunde stellt. Wer hier also voll in den Stich reinbrettert, bekommt zwar ein paar tolle Karten, aber bietet das Gespielte auch für die kommende Runde an – und hat hoffentlich noch ein paar hohe Karten in der Hinterhand gehalten.

Durch diese und andere kleine Feinheiten wird Spiel nicht übermäßig belastet – es bleibt ein leichter  Absacker – aber die Würzung ist gut genug, dass man nicht das Gefühl hat, einfach irgendein x-beliebiges Kombospiel gespielt zu haben, sondern ein wohltemperiertes Erlebnis mit Höhen und Tiefen, dass das Zeug zum Uno-Killer hat, wenn Uno-Killer Stichspiel-DNS haben dürfen.

Neben Stichspielen kommen gerade auch sehr viele Kombospiele aus Fernost, was kein Wunder ist, sind in Ostasien doch Spiele der Big-Two-Familie tief verwurzelt. Auch unter diesen Komboüberbietungsspielen stich Rainbow heraus, vor allem, weil das Hand leerspielen hier nur ein Nebeneffekt ist. Gleich zwei Genres mit einem leichten Touch zu begeistern, ist schon etwas besonderes.

 

 

 

Prey

Autor: Toru II

Für 3-4 Personen ab 10 Jahren

Spieldauer: 20-30 Minuten (Bei destruktiverem Spiel eher länger, bei konstruktiveren eher kürzer)

Auf beiden Leisten mehr im Mittelfeld liegt Prey, ein auf den ersten und zweiten wie dritten Blick ein handelsübliches Stichspiel ohne Trumpf und mit zufälliger Stichsansage (Würfel bestimmen, wie viele Stiche das Ziel sind). Dass die Spielenden keinen Einfluss auf die Ansage oder ihre Karten haben, könnte man so als Söldner-Setting begreifen, bei dem man einfach einen Auftrag zu erledigen hat. Zumal es um mehr auch nicht geht: Keine Siegpunkte für Stiche oder gewonnene Karten oder sonstigen Tand, nein hier geht es einfach und allein um das Erfüllen von Stichen. You have one job! Wortwörtlich!

Aus dieser Hand…

Diesen Job in einem Stichspiel ohne Trumpf und mit langen Farben zu erfüllen erscheint erst einmal als weitestgehende Glückssache. Das liegt daran, dass ich das Alleinerkennungsmerkmal noch nicht genannt habe: Die Karten sind so gestaltet, dass an einem Ende der Vorderseite hell eingefärbte Werte und am anderen Ende dunkel eingefärbte Werte stehen, wobei sich hoch und niedrig immer gegenüberstehen. Nach genau sechs Stichen wird die Kartenhand umgedreht. An der Farbverteilung ändert sich so nichts, aber das Blatt wird einmal (vorhersehbar) auf Links gedreht. Da man ja weiß, dass die anderen ja auch nicht alle Stiche gewinnen wollen (sondern maximal 6 von 12), kann man schon einmal einplanen, welche Karten man behalten möchte und welche man besser abgeben wollen würde. Insbesondere möchte man planen, welche Karten zum Stiche gewinnen dienen sollen und welche man besser dann spielt, wenn sie schwach sind.

Prey schafft dabei einen interessanten Spagat: Erst einmal ist es so leicht wie Wizard (nur eben mit zufälligen Ansagen). Theoretisch sind abe

... wird -SCHWUPPS – diese Hand

r anders als bei diesem alle Karten im Spiel bekannt. Nur wird sich allenfalls der Rainman tatsächlich alle Kartenkombinationen merken, geschweige denn nachhalten können. Mitzählen der Werte wird hier also durch Informationsoverload verhindert und selbst Kartenklopper können sich beruhigt zurücklehnen und rein situativ spielen. Und das durchaus mit Erfolg.

Prey ist – ironischerweise bei dem Titel – allerdings ein bisschen davon abhängig, dass die Spielenden versuchen wollen zu gewinnen, statt zu versuchen, dass die anderen verlieren. Es bringt einem schlicht nichts ein, alle Stiche an sich zu reißen, weil dann niemand die Runde gewinnt. Das Fehlen von Siegpunkten aller Art in Kombination mit dem Auftrag, den Großteil der Stiche nicht zu machen, sollte eigentlich dafür sorgen, dass niemand von Anfang an Stiche an sich rafft. Das erlaubt es, sich das eigene Blatt gut einzuteilen – eine sehr elegante Angelegenheit.

Von den vier Spielen gefällt mir Prey vermutlich sogar am besten – ja, sogar noch etwas besser als das Vielgespielte Cat Poker/Panda Panda. Das ist zwar etwas origineller und hat eine nichtexistente Einstiegshürde, aber der Spannungsverlauf von Prey ist zuverlässiger. Wobei das Ranken von zwei so unterschiedlichen Spielen vermutlich sowieso fragwürdig ist.

 

 

Peer Sylvester
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