Neben Jekyll & hyde vs Scotland Yard und Vale of Eternity (sowie der Erweiterung Magic Hat) hat der koreanische Verlag Mandoo Games zwei feine, kleine Neuheiten, die ich hier zusammen begutachten möchte.
Autor: Takeshi Saito
Verlag: Mandoo Games
Für 2-4 (vor allem 3) Personen ab 8 Jahren
Spieldauer: 15 Minuten
Wer sich sich mit Kartenspielen auskennt, weiß, dass Stichspiele vor allem eine Europäische Tradition ist. Woanders haben sich andere Kartenspielarten entwickelt: In Fernost etwa sind die sogenannten „Shedding Games“ (auch „Climbing games“ oder „Ladder Games“) verortet, Spiele bei denen man versucht seine Hand freizuspielen, in dem man höhere Kartekombinationen ablegt, als die vorherige Person. In diesen Spielen dauert eine Runde in der Regel so lange, bis niemand mehr die aktuelle Kombination überbieten kann oder will (Im Gegensatz zu Stichspielen, wo alle nur genau eine Karte ausspielen). Das bekannteste traditionelle Shedding Game ist Big Two und fand seinen Weg auch in kommerziellen Versionen nach Europa. In Spielerkreisen hierzulande am bekanntesten ist vermutlich Tichu, eine Kombination aus Europäischen Stich- und chinesischem Shedding-Spiel. Auch Scout entstammt aus dieser Kartenspielfamilie.
Takeshi Saito hat sich in zwei Spielen mit dieser Familie auseinandergesetzt: Loop und Open. Letzteres ist bei Mandoo erschienen, ersteres leider bislang noch nicht. Beide haben eine absolut grandiose Schachtelgraphik von Qurage. Ich wüsste keinen Deutschen Verlag, der so eine Gestaltung durchwinken würde – Hierzulande müssen themenlose Kartenspiele leider aussehen, als wären sie aus der Textikfabrik für Nähmaschinenschnittmuster. Dabei springt ein solch wirklich ungewöhnliches Cover direkt ins Hirn. Ich weiß nicht, ob ich Open ohne dieses Cover angefragt hätte.
Das Spiel ist ein klassischer Vertreter der Shedding Games – das Deck ist stark verkleinert und Straßen sind als Kombination nicht erlaubt. Ansonsten gelten die üblichen Regeln: Einzelkarten oder Mehrlinge spielen, die anderen versuchen mit einer entsprechenden, aber höherwertigen Kombination zu antworten. Hier ergibt sich die zusätzliche Schwierigkeit, dass nicht nur die Kartenanzahl des Ausspieles beibehalten werden muss, sondern auch die Farbkombination (rot oder schwarz), die Rote 10 nützt also nichts, wenn die Schwarze 9 überboten werden muss. Als Ergebnis ist das Ausspiel von Open sehr restriktiv und anders als bei ähnlichen Spielen gibt es nur sehr wenig Raum für überraschende Kniffe oder Überlegungen derart ob man Mehrlinge getrennt oder zusammen ausspielen sollte.
Das hat aber seinen Grund: Das (offene?) Herz bei Open liegt in dem Abschätzen, wer die aktuelle Runde wohl gewinnen wird, also als erstes alle Karten los ist. Da von jedem vier der sechs Karten offen liegen, lassen sich gerade aufgrund des eingeschränkten Bewegungsradius Abschätzungen treffen. Allerdings ist die Punktausbeute auch daran gekoppelt, wer außer einem selbst auch noch richtig getippt hat – nur wer alleine richtig lag, bekommt so viele Punkte wie die Person, die als erstes fertig wurde. Das belohnt riskantes Schätzen – sogar mehr in der Variante, wo Punktechips gesetzt werden und man Vielfaches seines Einsatzes zurückbekommt, wenn man denn richtig lag.
Das zeigt auch, was Open sein will: Ein kurzweiliges Zockspiel, ohne viel Tiefgang, wo sich alles auf das Setzen und Tippen fokussiert. Das Ziel wird erreicht, aber die eigentlichen Runden sind dann doch etwas zu kurz und zu sehr durch die Kartenverteilung vorherbestimmt, um mehr zu bieten als das. Viel mehr bleibt bei Open leider nicht „hängen“ – auch wenn es bei der Variante noch verstärkt um das richtige Einschätzen geht (hier kommt dann noch die Wahrscheinlichkeit hinzu, mit der man glaubt, das Geschehen vorhersagen zu können), kommt das eigentliche Spiel mir doch etwas zu kurz.
Autor: root
Verlag: Mandoo Games
Für 2-4 (vor allem 3) Personen ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
12 Chip Trick wäre ebenfalls ein Kartenspiel, wenn es denn mit Karten gespielt werden würde. Stattdessen spielt man mit schweren Pokerchips. Nun ist man versucht zu sagen, dass dies ja mechanisch keinen Unterschied machen würde, aber das führt in die Irre. Genauso wie die graphische Gestaltung von Open mechanisch keinen Unterschied macht, für die Wahrnehmung des Spieles aber schon, ist es haptisch eben doch etwas anderes, ob man eine Karte oder einen schweren Pokerchip auf den Tisch knallt. Zumal 12 Chip Trick sich wie ein Pokerspiel anfühlt, was durch die Graphik noch verstärkt wird.
Ich schrieb „Pokerspiel“, aber wie der Titel andeutet ist 12 Chip Trick mechanisch gesehen ein Stichspiel. Zumindest nominell: Alle spielen einen Chip, der höchste Chip gewinnt einen der anderen Chip, der öffentlich als Gewinn ausgelegt wird. Die anderen wählen im Uhrzeigersinn ebenfalls einen Chip aus, allerdings verbleibt dieser Chip auf der Hand und kann wieder gespielt werden. So werden die Chips immer durchrotiert, alle, nur die gewonnenen Chips werden aus dem Spiel entfernt. So haben immer alle genau 4 Chips, auch wenn nicht alle gespielt werden können. Hat jemand 4 Stiche gewonnen, zählen alle ihre Chips und wessen Summe die 21 überschreitet ist raus und wer übrig ist gewinnt – außer alle gehen über die 21 und es gewinnt die Person mit der höchsten Summe.
Bereits in der Beschreibung sollte durchklingen, dass 12 Chip Trick sehr ungewöhnlich ist, weil Karten (bzw Chips) mehrfach gespielt werden können. Doch was das Spiel wirklich einzigartig macht, ist dass das Prinzip der Spielkontrolle verschoben wird: In einem normalen Stichspiel kontrolliert durch den üblichen Bedienzwang welche Karten gespielt werden können. Das fehlt hier – stattdessen beeinflusst man, welche Chips gewonnen werden müssen: Zwar kann sich die Stichgewinnerin aussuchen, welchen Chip sie will, muss aber einen (von den Werten her mittleren) roten Chip nehmen, wenn einer zur Auswahl steht. So kann ich in Mittelhand jemand anderen zwingen, meinen Chip nehmen zu müssen – was ggf dafür sorgt, dass mein „Opfer“ die 21 sicher überschreiten wird.
Dabei ist „Kontrolle“ aber ein starkes Wort, durch die Freiheit beim Ausspiel, ist hier eher Intuition gefragt, als knallhartes Durchrechnen. Dennoch, oder gerade deswegen, hat 12 Chip Trick eine Spannung, die Open fehlt – mit jedem Stich verändert sich mein Blatt und meine Ausgangslage und damit bleibt die Bedrohung die 21 vielleicht doch noch zu überschreiten bis zur Entscheidung bestehen. Zudem ist das Rundenende ja flexibel, die Kunst besteht darin, jemand anderen den vierten Stich just in dem Moment gewinnen zu lassen, wenn man die perfekte Hand zusammengesammelt hat.
Wer hier regelmäßig liest, dem wird aufgefallen sein, dass ich 12 Chip Trick zusammen mit Cat in the box das Prädikat „Stichspiel des Jahres“ gegeben habe. Die Gründe habe ich eben benannt. Es ist zudem so, dass man 12 Chip trick mit deutlich weniger Aufwand spielen (und erklären) kann als Cat in the box. Die Frage, ob 12 Chip Trick sich nicht nur mechanisch sondern auch emotional im Stichspielgenre verorten lässt, überlasse ich ausnahmsweise einmal anderen. Für mich ist 12 Chip Trick einfach ein rundum perfekter Absacker.
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