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Terra Pyramides

Autoren: Wolfgang Kramer und Michael Kiesling

Verlag: Korea Boardgames / Huch!

Für 2-4 Spielende ab 10 Jahren

Spieldauer: 45-90 Minuten (je nach Anzahl der Partizipierenden)

Liegt es an mir und meiner Spieleauswahl oder ist es Zufall, dass hier nach Pan Am ein weiteres Spiel besprochen wird, dass sich anfühlt, als wäre es ursprünglich Ende der 90er Jahre erschienen? Was für Pan Am galt, gilt hier sogar doppelt: Auch Thema (Pyramidenbau in Ägypten) und Autoren (Kramer/Kiesling) passen bei Terra Pyramides zu diesem Bauchgefühl. Gäbe es Aktionspunkte, hätte Terra Pyramides Teil der „Maskentriologie“ (Tikal, Java, Mexica) sein können.

Ich bin kein allzu nostalgischer Mensch, aber Terra Pyramides spricht dennoch in einem Punkt direkt zu mir: Es ist im Kern ein Legespiel mit gemeinsamer Auslage.

Ich mochte schon immer Legespiele, insofern müsste mich das anhaltende Hoch des Genres in Entzückung versetzen. Aber die meisten Legespiele der neuen Generation -inklusive der Spiel des Jahres Gewinnern Kingdomino und Cascadia – arbeiten mit persönlichen Auslagen. Der Vorteil einer solchen Auslage ist, dass man sich auf das eigene Puzzle konzentrieren kann – frei von Änderungen durch andere kann man auch zwischen den Zügen hoffen und planen. Die Downtime ist so potentiell geringer und es gibt keine negative Interaktivität.

Doch auf der anderen Seite ist die  Anzahl der Variationen von „Hoffen auf das richtige Plättchen für meine Auslage“ irgendwo begrenzt.

Terra Pyramides hat jetzt eine klassische, sprich: gemeinsame,  Auslage. Das heißt: Findet man nichts passendes, kann man zumindest darauf hoffen, dass die anderen irgendetwas halbwegs brauchbares hinterlassen. Und zumindest in den ersten zwei Dritteln des Spieles wird dies auch der Fall sein.

Die gemeinsame Auslage beginnt in der Mitte des großen Spielplanes. Jede Runde wird ein Teil angebaut und mit diesem Teil eine gerade Reihe bereits liegender Plättchen aktiviert, die Baumaterial, Arbeiter und (je nach gewählter Ausbaustufe) Siegpunkte und/oder Geld bringen. Die Arbeiter können in gerader Linie auf eigene Pyramiden bewegt werden, wo sie zum Bau weiterer Stufen ebenso benötigt werden wie Baumaterial. Im Prinzip sucht man also einen Platz für sein Bauteil, wo es möglichst viel zu holen gibt (und möglichst auch das was man braucht) und wo gleichzeitig die Arbeiter auf Pyramiden gezogen werden können. Letzteres wird im Laufe des Spieles schwieriger, denn man will am liebsten nur wenige Pyramiden bebauen, die aber immer wieder. Das heißt aber, dass die hohen Pyramiden von immer mehr Plättchen umgeben werden – und im letzten Drittel wird der Rand so groß, dass viele Plätze gar keinen „Pyramidenblick“ mehr erlauben.

Bis dahin aber eröffnet jedes neue Plättchen neue Möglichkeiten. Das ist die Hölle für diejenigen, die der nächsten Person nicht die Butter auf dem Brot gönnen, in der Praxis ist jedoch effizientes Blocken hier (anders als z.B. bei Mexica oder Tikal) kaum möglich – zu vielfältig die Auslage. Ich bin ohnehin der Meinung, dass der vorrauseilende Gehorsam der Legespieldesignenden Bevölkerung, aus Angst vor möglicher negativen Interaktion gleich ganz auf die Auslage verzichten, das Kind mit dem Bade ausschütten; vergleichbar mit gekünstelten Regeln bei Koops, die darauf abziehen mögliches Quarterbacking zu verhindern. Es ist nicht so, dass negative Interaktion nicht existiert, aber wo blocken weniger effizienter ist als positive Interaktion, muss sie auch nicht verhindert werden.

Da wiegt es schon schwerer, dass Spiele mit einer wachsenden Auslage wie Terra Pyramides durchaus zu paralysierenden Tiefschlafstudien einladen können. Dass eine tiefergehende Analyse der Auslage allenfalls in den letzten zwei Runden möglich ist, hilft dem Flow, aber das Spielende kann sich bei wenig entschlussfreudigen Mitspielenden schon etwas ziehen. Aber auch da würde ich dem Spiel allenfalls eine Teilschuld einräumen; Die Punktevergabe ist klar – Siegpunkte wachsen exponentiell mit jeder Pyramidenstufe, so dass alternative Siegpunktquellen á la Bunny Kingdom (für mich eines der schlimmsten Beispiele was die Endabrechnung betrifft) gar nicht erst berücksichtigt werden müssen und man sich auf die Lösung der Puzzleaufgabe „Wie bekomme ich noch Material und Arbeiter für meine höchste oder zumindest zweithöchste Pyramide zusammen?“ konzentrieren kann. Wer da keine Lösung für sieht, wird eh allenfalls ein paar Brosamen einsammeln können.

Der Übersichtlichkeit dienlich ist auch, dass einige Regeln auf zwei „Ausbaustufen“ ausgelagert wurden. Aus einem Familienspiel wandert Terra Pyramides damit weiter in den Kennerbereich – samt neuer Siegpunktquellen. Die Auslagerung macht Sinn; weniger weil die zusätzlichen Regeln so kompliziert wären (es sind halt neue Siegpunktregeln), sondern weil sie den Zugang zu Geld erschweren und man sich mit Geld immer noch benötigte Ressourcen besorgen kann. Es erlaubt immer eine zusätzliche Notfalloption. Wenn man das Prinzip des Arbeiterblickes noch nicht beherrscht, ist das eine willkommende Alternative. Wird diese erschwert, wird ein Anfänger kaum Land sehen.

Vielleicht sind die zusätzlichen Stufen vergleichbar mit der König&Intrigant-Erweiterung für El Grande: Ein ohnehin gutes Spiel wird noch einmal clever verfeinert – aber auf eine Art und Weise, die für Anfänger:innen nicht mehr ohne weiteres beherrschbar ist. Das volle System ist mir fast schon ein bisschen zu viel, aber ich muss zugeben, dass mir auch für eine tiefere Analyse hier die Gruppe fehlt, die ein solches Spiel bis in die Tiefen ausloten möchte. Mir persönlich reicht aber ohnehin das Grundspiel für den gelegentlichen „90er Jahre Gedächtnis-Fix“.

 

 

Peer Sylvester
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